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Ehevertrag - Inhaltskontrolle

 Normen 

§ 1408 BGB

 Information 

1. Allgemein

Grundsatz:

Der BGH hat in der Entscheidung BGH 11.02.2004 - XII ZR 265/02 Grundsätze für die Inhaltskontrolle von Eheverträgen aufgestellt:

Danach steht es den Eheleuten grundsätzlich frei, die gesetzlichen Regelungen über den Zugewinn, den Versorgungsausgleich und den nachehelichen Unterhalt ehevertraglich auszuschließen. Es besteht kein unverzichtbarer Mindestgehalt an Scheidungsfolgen zugunsten des berechtigten Ehegatten (BGH 17.10.2007 - XII ZR 96/05).

Eine Grenze ist da zu ziehen, wo die vereinbarte Lastenverteilung der individuellen Gestaltung der Lebensverhältnisse nicht mehr gerecht wird. Dies ist insbesondere bei einer einseitigen Benachteiligung eines Ehepartners der Fall. In diesen Fällen hat eine Rechtsmissbrauchskontrolle stattzufinden.

Einseitige Benachteiligung:

Eine einseitige Benachteiligung liegt umso eher vor, als dass in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingegriffen wird. Dazu gehört in erster Linie der Betreuungsunterhalt und in zweiter Linie der Alters- und Krankheitsunterhalt. Auch der Versorgungsausgleich kann bei Vorliegen dieser Voraussetzungen nicht uneingeschränkt ausgeschlossen werden.

Hinweis:

Bei der Inhaltskontrolle ist immer der Zweck des Rechtsmissbrauchs zu beachten:

"Mit der Anpassung von Eheverträgen unter dem Gesichtspunkt der Rechtsmissbrauchskontrolle sollen ehebedingte Nachteile ausgeglichen werden; sind solche Nachteile nicht vorhanden oder bereits vollständig kompensiert, dient die richterliche Ausübungskontrolle nicht dazu, dem durch den Ehevertrag belasteten Ehegatten zusätzlich entgangene ehebedingte Vorteile zu gewähren und ihn dadurch besser zu stellen, als hätte es die Ehe und die mit der ehelichen Rollenverteilung einhergehenden Dispositionen über Art und Umfang seiner Erwerbstätigkeit nicht gegeben" (BGH 20.06.2018 - XII ZB 84/17).

Zeitpunkt der Beurteilung der Wirksamkeit:

Bei der Prüfung der Wirksamkeit eines Ehevertrages ist auf den Zeitpunkt des Zustandekommens des Vertrages abzustellen. Zu prüfen ist hier im Wege einer Gesamtwürdigung unter Einbeziehung der individuellen Verhältnisse bei Vertragsschluss (z.B. Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie geplante Ausgestaltung der Ehe), ob der Vertrag in diesem Zeitpunkt offenkundig zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall führt, dass ihm wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung zu versagen ist.

2. Prüfungsschema

Die Wirksamkeit von Eheverträgen ist daher wie folgt zu prüfen:

  1. a)

    In einem ersten Schritt ist der Ehevertrag auf einen Verstoß gegen § 138 Abs.1 BGB zu überprüfen. Erforderlich ist dabei eine Gesamtwürdigung, die auf die individuellen Verhältnisse bei Vertragsschluss abstellt - und zwar losgelöst von der zukünftigen Entwicklung der Ehegatten und ihrer Lebensverhältnisse - insbesondere also auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse, den geplanten oder bereits verwirklichten Lebenszuschnitt der Ehe sowie auf die Auswirkungen auf die Ehegatten und auf die Kinder.

    Auch wenn die Einzelregelungen eines Ehevertrages bei jeweils gesonderter Betrachtung den Vorwurf der objektiven Sittenwidrigkeit nicht zu rechtfertigen vermögen, kann sich der Ehevertrag dennoch bei einer Gesamtwürdigung als insgesamt sittenwidrig erweisen, wenn das Zusammenwirken aller ehevertraglichen Einzelregelungen erkennbar auf die einseitige Benachteiligung eines Ehegatten abzielt.

    Aber: Das Gesetz kennt keinen unverzichtbaren Mindestgehalt an Scheidungsfolgen zugunsten des berechtigten Ehegatten: BGH 31.10.2012 - XII ZR 129/10: "... sodass auch aus dem objektiven Zusammenspiel einseitig belastender Regelungen nur dann auf die weiter erforderliche verwerfliche Gesinnung des begünstigten Ehegatten geschlossen werden kann, wenn die Annahme gerechtfertigt ist, dass sich in dem unausgewogenen Vertragsinhalt eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehegatten und damit eine Störung der subjektiven Vertragsparität widerspiegelt. Eine lediglich auf die Einseitigkeit der Lastenverteilung gegründete tatsächliche Vermutung für die subjektive Seite der Sittenwidrigkeit lässt sich bei familienrechtlichen Verträgen nicht aufstellen." Diese Rechtsprechung wurde mit BGH 15.03.2017 - XII ZB 109/16 wiederholt.

    Ergibt die Gesamtwürdigung eines Ehevertrages, dass dieser wegen Sittenwidrigkeit nichtig ist, so erfasst nach dem Urteil BGH 04.04.2006 - X ZR 122/05 die Nichtigkeitsfolge den gesamten Vertrag. In diesem Fall gelten für die ehevertraglich geregelten Bereiche die gesetzlichen Regelungen.

    Auch wenn die ehevertraglichen Einzelregelungen zu den Scheidungsfolgen jeweils für sich genommen den Vorwurf der Sittenwidrigkeit noch nicht rechtfertigen, kann sich ein Ehevertrag gleichwohl im Rahmen einer Gesamtwürdigung als insgesamt sittenwidrig erweisen, wenn das Zusammenwirken aller in dem Vertrag enthaltenen Regelungen erkennbar auf die einseitige Benachteiligung eines Ehegatten abzielt, daraus auf eine verwerfliche Gesinnung des begünstigten Ehegatten zu schließen und zudem die Annahme gerechtfertigt ist, dass sich in dem unausgewogenen Vertragsinhalt eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehegatten und damit eine Störung der subjektiven Vertragsparität widerspiegelt. Sofern jedoch beide Ehepartner im Zeitpunkt des Abschlusses nicht von der bei Vertragsschluss objektiv unstreitig bestehenden Schwangerschaft wussten, dann fehlt es an der für die Annahme der Sittenwidrigkeit erforderlichen, auf einer ungleichen Verhandlungsposition beruhenden einseitigen Dominanz des Ehemannes (OLG Hamm 22.05.2014 - 1 UF 66/13).

  1. b)

    Ist der Vertrag nicht sittenwidrig, so ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, inwieweit der Ausschluss der gesetzlichen Scheidungsfolgen angesichts der aktuellen Verhältnisse der Eheleute gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstößt.

    Entscheidend ist, ob sich im Zeitpunkt des Scheiterns der Lebensgemeinschaft aus der ursprünglichen Vereinbarung eine evident einseitige Lastenverteilung ergibt, deren Hinnahme für den belasteten Ehegatten auch bei angemessener Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten unzumutbar ist.

    Bei einem Verstoß gegen die Grundsätze von Treu und Glauben hat der Richter die Rechtsfolgen anzuordnen, die die Belange beider Parteien berücksichtigen.

Der ehevertragliche Ausschluss des Zugewinnausgleichs ist nicht allein deswegen unwirksam, weil die Ehefrau im Zeitpunkt des Abschlusses schwanger war bzw. der Ehemann während der Ehe keine auszugleichenden Versorgungsanwartschaften erworben hat (BGH 17.10.2007 - XII ZR 96/05).

3. Rechtsprechung

"Ein ehevertraglicher Verzicht auf Zugewinnausgleich ist nicht schon deshalb unwirksam (§ 138 BGB), weil ein Ehegatte - entsprechend den gemeinsamen Vorstellungen der Ehegatten bei Vertragsschluss - in der Ehe einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist und deshalb kein im Versorgungsausgleich auszugleichendes Versorgungsvermögen erworben hat" (BGH 17.10.2007 - XII ZR 96/05).

Zulässig ist es, das Betriebsvermögen aus dem Zugewinnausgleich herauszunehmen. Dabei wurde von der Rechtsprechung auch eine Klausel anerkannt, in der das gewillkürte Betriebsvermögen ausgenommen war. "Steuerrechtlich ist die Zuordnung eines gemischt genutzten Wirtschaftsguts zum gewillkürten Betriebsvermögen zulässig, wenn das Wirtschaftsgut zu mindestens 10 % betrieblich genutzt wird" (OLG Frankfurt 13.01.2020 - 8 UF 115/19).

4. Unterhalt

Siehe insofern den Beitrag "Vereinbarungen über den Unterhalt".

 Siehe auch 

Ehegattenunterhalt

Gütergemeinschaft

Gütertrennung

Nichteheliche Lebensgemeinschaft

Scheidung

Scheidung - Rechtswahl

Scheidungsfolgenvereinbarung

Trennungsunterhalt

Unterhalt - nachehelicher

Vereinbarungen über den Unterhalt

BGH 18.03.2009 - XII ZB 94/06 (kompensationslos vereinbarter Ausschlusses des Versorgungsausgleichs bei Schwangerschaft der Ehefrau)

BGH 05.11.2008 - XII ZR 157/06 (keine Inanspruchnahme von Sozialleistungen - Inhaltskontrolle auch zugunsten des unterhaltspflichtigen Ehegatten)

BGH 25.10.2006 - XII ZR 144/04 (keine Belastung des Sozialhilfeträgers)

BGH 25.05.2005 - XII ZR 221/02 (Rang des Vorsorgeunterhalts bei der Inhaltskontrolle von Eheverträgen)

BGH 25.05.2005 - XII ZR 296/01 (Inhaltskontrolle des Vertrages bei Schwangerschaft und Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse)

BGH 12.01.2005 - XII ZR 238/03 (Wirksamkeit eines Ehevertrages bei kinderloser Ehe berufstätiger Partner)

OLG Hamm 26.08.2009 - 5 UF 25/09 (Berücksichtigung fiktiver Betreuungskosten)

OLG Hamm 24.03.2006 - 7 UF 288/05 (Ausklammerung des Betriebsvermögens)

Gerhardt/von Heintschel-Heinegg/Klein: Handbuch des Fachanwalts Familienrecht; 11. Auflage 2018

Kuckenburg/Perleberg-Kölbel: Unternehmen und Unternehmer im Familienrecht; 1. Auflage 2018

Münch: Ehebezogene Rechtsgeschäfte; 5. Auflage 2020