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Conterganstiftung

Autor:
 Normen 

ContStifG

§§ 72 ff. Bundesversorgungsgesetz

BT-Drs. 19/29285

 Information 

1. Allgemein

Nach der Einnahme des Schlaf- und Beruhigungsmittels »Contergan« durch schwangere Frauen kam es in den Jahren um 1960 zur Geburt von ca. 5.000 behinderten Kindern mit Fehlbildungen insbesondere an den äußeren Gliedmaßen. Es dauerte einige Jahre, bis der Zusammenhang zwischen der Einnahme des Medikaments und den Behinderungen erkannt wurde.

1971 wurde von der Bundesregierung und der betreffenden Arzneimittelfirma Grünenthal die Stiftung »Hilfswerk für behinderte Kinder« eingerichtete, die den Betroffenen zunächst eine lebenslange Rentenleistung gewährte, deren Höhe von dem Grad der Schädigung abhängt. Heute erhalten rund 2.700 contergangeschädigte Menschen weltweit Leistungen der Conterganstiftung.

Rechtsgrundlage ist das Conterganstiftungsgesetz. Der Name der Stiftung lautet »Conterganstiftung«.

Sitz der Stiftung ist Bonn. Sie steht unter der Aufsicht des Bundesfamilienministeriums und ist eine Stiftung des öffentlichen Rechts.

2. Stiftungszweck

Im Laufe der Jahre war der Stiftung zudem die Fürsorge auch für andere Menschen mit Behinderungen übertragen worden. Der Zweck erstreckte sich auf die Unterstützung bei der Eingliederung in die Gesellschaft durch Förderung von Einrichtungen, Forschungs- und Erprobungsvorhaben.

Stiftungszweck ist gemäß § 2 ContStifG die Unterstützung von Menschen mit Behinderungen aufgrund der Einnahme von thalidomidhaltigen Medikamenten während der Schwangerschaft der Mutter, und zwar sowohl durch unmittelbare Leistungen an die leistungsberechtigten Personen als auch durch eine Förderung von Projekten, die den contergangeschädigten Menschen zugute kommen.

3. Leistungen

Leistungsberechtigte Personen haben bei Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 13 ContStifG einen Anspruch auf folgende Zahlungen:

  1. Eine einmalige Kapitalentschädigung:

Die Höhe der Kapitalentschädigung und der Sonderzahlungen ergibt sich aus der Schwere des Körperschadens und der hierdurch hervorgerufenen Körperfunktionsstörungen. Die einzelnen Werte sind in einer Punktetabelle aufgeführt. Die Kapitalentschädigung beträgt mindestens 1.278,00 EUR und höchstens 12.782,00 EUR.

  1. Eine monatliche Conterganrente:

Die Höhe der lebenslangen Rente beträgt mindestens 662,00 EUR und höchstens 7.480,00 EUR.

Auf Antrag besteht seit dem 01.01.2024 gemäß § 13 Abs. 2 ContStifG die Möglichkeit, die Conterganrente zu kapitalisieren, wenn dies im Interesse des Menschen mit Behinderungen liegt. Die Conterganrente kann auf Antrag auch teilweise kapitalisiert werden. Die Kapitalisierung ist auf die für einen Zeitraum von höchstens fünf Jahre zustehende Conterganrente beschränkt. Der Anspruch auf Conterganrente, an deren Stelle die Kapitalabfindung tritt, erlischt für die Dauer des Zeitraumes, für den die Kapitalisierung gewährt wird, mit Ablauf des Monats, der auf den Monat der Auszahlung der Abfindung folgt.

  1. Leistungen zur Deckung spezifischer Bedarfe:

Mit diesen Mitteln wird im Einzelfall individuelle Unterstützung gewährt. Hierfür ist ein Antrag an die Stiftung mit angemessenen Nachweisen erforderlich. Die Höhe der Leistungen beträgt seit dem 01.01.2017 zwischen 876,00 EUR und 9.900,00 EUR. Zusätzlich erhält jede leistungsberechtigte Person einen jährlichen Sockelbetrag von 4.800,00 EUR.

Die zusätzlichen Mittel stehen – soweit solche Maßnahmen nicht von anderen Kostenträgern übernommen werden – insbesondere für folgende medizinische Bedarfe zur Verfügung:

  • Rehabilitationsleistungen:
    Ambulante und stationäre Kuraufenthalte in Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen sowie Mitnahme einer Begleitperson.

  • Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln:
    Heilmittel zur Aufrechterhaltung der Beweglichkeit und zur Linderung von Schmerzen wie zum Beispiel Maßnahmen der Physiotherapie, Lymphdrainage und manuellen Therapie oder Ergotherapie, um eine optimale Versorgung zu gewährleisten; weitere Behandlungen wie Osteopathie und Akupressur. Hilfsmittel, insbesondere an die spezifische Art der Schädigung angepasste Mobilitätshilfen auf dem technisch neuesten Stand, Therapieräder, Sehhilfen und Mehrbedarfe bei Hörgeräten.

  • Zahnärztliche und kieferchirurgische Versorgung:
    Implantate, kieferorthopädische Maßnahmen, professionelle Zahnreinigung.

Zum 01.01.2017 wurden die Leistungen zur Deckung spezifischer Bedarfe auf Pauschalbeträge umgestellt: Die Umstellung dieser bisher individualisierten Leistungen auf eine Pauschalleistung trägt dem Umstand Rechnung, dass die vormalige Beschränkung auf vorrangig abzudeckende medizinische Bedarfe einerseits und nachrangig zu gewährende Förderung zwecks Verbesserung der medizinischen Behandlung thalidomidgeschädigter Menschen in Arztpraxen und Kliniken andererseits in der Praxis zahlreiche Abgrenzungsfragen aufgeworfen hatte sowie ein komplexes und aufwändiges Verwaltungsverfahren nach sich zog. Mit einer pauschalen jährlichen Leistung an alle Leistungsberechtigten entsprechend dem Grad ihrer Beeinträchtigung unter Festsetzung eines Sockelbetrages soll zudem eine weitgehende Gleichbehandlung der Betroffenen und damit eine gerechtere Verteilung der Mittel erreicht werden.

Die Höhe der Leistungen im Einzelfall richtet sich nach der Schwere des Körperschadens und der hierdurch hervorgerufenen Körperfunktionsstörungen.

Die Betroffenen haben auch die Möglichkeit, den Rentenanspruch zu kapitalisieren. Eine Kapitalisierung der Leistungen erfordert, dass das Geld zum Erwerb oder zur wirtschaftlichen Stärkung eigenen Grundbesitzes zu eigenen Wohnzwecken verwendet wird. Weitere Möglichkeiten und Inhalte der Kapitalisierung sind in § 13 Abs. 3 ContStifG geregelt.

Sicherstellung der Leistungsgewährung:

Eine Aberkennung von Leistungsansprüchen darf gemäß dem zum 19.08.2020 neu eingefügten § 16 ContStifG nur noch erfolgen, wenn die leistungsberechtigte Person vorsätzlich unrichtige oder vorsätzlich unvollständige Angaben gemacht hat. Insbesondere wenn die Fehlbildungen aufgrund späterer Erkenntnisse nicht mehr mit Präparaten der Firma Grünenthal GmbH (früher Chemie Grünenthal GmbH) in Verbindung gebracht werden können, darf eine Aberkennung der Leistungsansprüche nach diesem Gesetz bis auf die zuvor genannten Ausnahmen nicht erfolgen.

4. Stiftungsrat

Der Stiftungsrat besteht gemäß § 6 ContStifG aus mindestens fünf und höchstens sieben Mitgliedern. Drei Mitglieder werden vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen und dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales benannt. Zwei weitere Mitglieder werden vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend berufen. Bis zu zwei weitere Mitglieder kann das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend aus der Wissenschaft berufen.

Der Stiftungsrat arbeitet auf der Grundlage seiner Geschäftsordnung. Änderungen beschließt er mit einfacher Mehrheit. Die Sitzungen des Stiftungsrates sind öffentlich. Nichtöffentlich darf nur verhandelt werden, wenn es das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen Einzelner erfordern. Über Gegenstände, bei denen diese Voraussetzungen vorliegen, muss nichtöffentlich verhandelt werden.

5. Rechtsweg

Der Rechtsschutz richtet sich gemäß § 22 ContStifG ausschließlich nach dem Verwaltungsrechtsweg des Bundes.

 Siehe auch 

Arzneimittelhaftung

Produkthaftungsgesetz

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