Suche

Nutzen Sie die Schnellsuche, um nach Themen im Rechtswörtebuch zu suchen!

Beweishilfen

Normen

§ 291 ZPO (Offenkundige Tatsachen)

Information

1 Allgemein

Beweishilfen sind durch Gesetz oder Rechtsprechung zugelassene Hilfen zum Beweis einer Tatsache. Beweishilfen sind keine Beweismittel.

2 Offenkundige Tatsachen

Allgemein bekannte oder dem Gericht aufgrund seiner amtlichen Tätigkeit bekannte Tatsachen müssen nicht bewiesen werden.

3 Indizienbeweis (Tatsachenvermutung)

Der Indizienbeweis wird auch Anzeichenbeweis genannt. Der Indizienbeweis ist ein mittelbarer Beweis. Bewiesen wird nicht die unmittelbar zur Anspruchsgrundlage erforderliche Tatsache, sondern eine andere Tatsache, eine sogenannte Hilfstatsache, auch Indiz genannt, mit deren Hilfe sich der Schluss auf die Haupttatsache ziehen lässt.

Zu unterscheiden sind abhängige Indizien, die den Schluss auf die Haupttatsache erst im Zusammenwirken mit anderen Indizien zulassen, und unabhängige Indizien, die auch einzeln verwertbar sind.

Verwertbar sind nur die Indizien, die entweder unstreitig oder bewiesen sind. Die aufgrund unstreitig bzw. bewiesener Tatsachen vorliegenden Vermutungen können nur mithilfe eines Gegenbeweises (Beweis - allgemein) widerlegt werden.

Bei der Würdigung indizieller Beweisergebnisse ist es nach der Entscheidung BGH 31.10.2006 - 2 StR 417/06 erforderlich, in den Urteilsgründen die tatsächlichen Anknüpfungspunkte der Würdigung so mitzuteilen, dass dem Revisionsgericht eine Überprüfung möglich ist. Den Angeklagten belastende Schlussfolgerungen dürfen nicht auf Vermutungen oder bloße Möglichkeiten gestützt werden.

Dabei hat der BGH mit dem Urteil BGH 01.10.2019 VI ZR 164/18 für die Grundsätze für die Beweiswürdigung von Indizien bei dem Verdacht eines provozierten Verkehrsunfalls mit dem Ziel des Versicherungsbetrugs bestätigt (siehe "Versicherungsfall - Beweis").

4 Rechtsvermutung (Gesetzliche Vermutungen)

Bei einer Tatsachenvermutung wird aufgrund des Vorliegens einer Tatsache auf eine andere Tatsache geschlossen. Bei einer Rechtsvermutung wird aus dem Vorhandensein einer bestimmten Tatsache auf das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechts geschlossen.

Beispiel:

Bei dem Bestehen einer Aufsichtspflicht haftet der Aufsichtspflichtige gemäß § 832 BGB für Schäden, die die zu beaufsichtigende Person einem Dritten zufügt. Die Aufsichtspflichtverletzung wird zunächst gesetzlich vermutet.

Darlegungs- und beweispflichtig ist die Partei, die sich auf das Eingreifen der Vermutungsnorm beruft. Liegen die Voraussetzungen der Vermutungsnorm vor, greift automatisch die Vermutungsfolge.

Die Vermutung kann durch den Beweis des Gegenteils (Beweis - allgemein) widerlegt werden. Die andere Partei hat aber auch die Möglichkeit, die Voraussetzungen des Vermutungstatbestandes schlicht zu bestreiten.

5 Anscheinsbeweis

5.1 Allgemein

Mit dem Anscheinsbeweis (auch Beweis des ersten Anscheins genannt) wird eine Tatsache mithilfe einer auf Grundsätzen der allgemeinen Lebenserfahrung beruhenden Vermutung bewiesen.

Hinweis:

Der Anscheinsbeweis wird auch prima-facie-Beweis oder Beweis des ersten Anscheins genannt.

Im Wege des Anscheinsbeweises kann von einem bestimmten eingetretenen Erfolg auf die Ursache geschlossen werden. Dieser Schluss setzt einen typischen Geschehensablauf voraus. Typische Geschehensabläufe sind Vorgänge, die üblicherweise nach einem bestimmten Muster ablaufen. Typizität bedeutet in diesem Zusammenhang allerdings nur, dass der Kausalverlauf so häufig vorkommen muss, dass die Wahrscheinlichkeit, einen solchen Fall vor sich zu haben, sehr groß ist.

Mit dem Anscheinsbeweis können niemals individuelle Entscheidungen bewiesen werden, wie z.B. Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit.

Der Anscheinsbeweis kann entkräftet werden, wenn die ernsthafte Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs bewiesen wird.

5.2 Verkehrsrecht

Hauptanwendungsfall in der Praxis ist das Schadensersatzrecht, insbesondere das Verkehrsrecht.

Beispiele:

  • War der Fahrzeugführer alkoholbedingt fahruntüchtig, so besteht ein Anscheinsbeweis, dass der Unfall auf die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit zurückzuführen ist.

  • Bei einem Auffahrunfall wird das Verschulden des Auffahrenden vermutet, es sei denn, es liegen besondere Umstände vor.

  • Dies gilt ebenso bei einem Abkommen von der Fahrbahn. Besondere Umstände können hier der Überholvorgang eines anderen Fahrzeugs oder unvorhersehbare Glätte sein.

  • Kollidiert der Rückwärtsfahrende mit einem anderen Fahrzeug, so können zugunsten desjenigen, der sich auf ein unfallursächliches Verschulden des Rückwärtsfahrenden beruft, die Grundsätze des Anscheinsbeweises zur Anwendung kommen. Steht fest, dass sich die Kollision beim Rückwärtsfahren ereignete, der Rückwärtsfahrende zum Kollisionszeitpunkt selbst also noch nicht stand, so spricht auch bei Parkplatzunfällen ein allgemeiner Erfahrungssatz dafür, dass der Rückwärtsfahrende der dargestellten Sorgfaltspflicht nicht nachgekommen ist und den Unfall dadurch (mit)verursacht hat (BGH 26.01.2016 - VI ZR 179/15).

  • Die für die Anwendung eines Anscheinsbeweises gegen einen Rückwärtsfahrenden erforderliche Typizität des Geschehensablaufs liegt regelmäßig nicht vor, wenn beim rückwärtigen Ausparken von zwei Fahrzeugen aus Parkbuchten eines Parkplatzes zwar feststeht, dass vor der Kollision ein Fahrzeugführer rückwärts gefahren ist, aber nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein Fahrzeug im Kollisionszeitpunkt bereits stand, als der andere - rückwärtsfahrende Unfallbeteiligte mit seinem Fahrzeug in das Fahrzeug hineingefahren ist (BGH 15.12.2015 - VI ZR 6/15).

5.3 Inbrandsetzung

Der Beweis des ersten Anscheins kann grundsätzlich auch bei der Feststellung von Brandursachen in Betracht kommen. Ist es nach dem Hantieren mit einem feuergefährlichen Gegenstand in einer extrem brandgefährdeten Umgebung in unmittelbarer zeitlicher Folge ein Brand ausgebrochen und fehlen konkrete Anhaltspunkte für eine andere Brandursache, so besteht ein Anscheinsbeweis, dass das Hantieren mit einem feuergefährlichen Gegenstand (Feuerzeug) ursächlich für den Brand war (BGH 19.01.2010 - VI ZR 33/09).

6 Umkehr der Beweislast

Auch die Umkehr der Beweislast ist eine Beweishilfe. Siehe insofern diesen Beitrag.

metis