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Betriebsrat - Verbot der Benachteiligung oder Begünstigung

Normen

§ 78 Abs. 2 BetrVG

§ 37 Abs. 4 BetrVG

BT-Drs. 20/9469 (zu den am 25.07.2024 in Kraft getretenen Änderungen)

Information

1 Allgemein

Gemäß § 78 Abs. 2 BetrVG dürfen die Mitglieder des Betriebsrats wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden. Dies gilt auch für ihre berufliche Entwicklung.

Die Vorgaben werden in § 37 Abs. 4 BetrVG noch einmal dahingehend konkretisiert als dass das Arbeitsentgelt sowie sonstige Zuwendungen von Mitgliedern des Betriebsrats einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden darf als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung.

2 Anwendungsbereich

Von dem Benachteiligungs-/Begünstigungsverbot erfasst ist jede Schlechterstellung oder Bevorzugung aufgrund der Betriebsratstätigkeit, die nicht durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt werden kann.

Erforderlich ist ein Kausalzusammenhang zwischen der Schlechterstellung/Bevorzugung und der Betriebsratstätigkeit, d.h. die Schlechterstellung oder Bevorzugung aufgrund der Betriebsratstätigkeit. Eine objektive Schlechterstellung oder Bevorzugung ist ausreichend, ein Vorsatz nicht nötig.

3 Einzelfälle

3.1 Vergütung

3.1.1 Bevorzugungsverbot

Die Betriebsratstätigkeit ist ein Ehrenamt, eine Vergütung ist nicht vorgesehen.

Beförderungen während der Zeit bei einer Freistellung dürfen nur vorgenommen werden, wenn sie auch während der Zeit der Weiterarbeit in der Ausgangstätigkeit vorgenommen worden wären. Zudem besteht ein Verbot jeglicher anderweitiger Vergünstigungen.

Vergütungserhöhungen, auf die das Betriebsratsmitglied vor seiner Amtsübernahme keinen Anspruch hatte und, wenn es arbeitete, nicht hätte, haben bei der Bemessung seines Arbeitsentgelts nach der Wahl zum Betriebsratsmitglied außer Betracht zu bleiben (BAG 27.07.2017 – 6 AZR 438/16).

Das Betriebsratsmitglied hat während der Dauer seiner Amtszeit Anspruch auf Gehaltserhöhungen in dem Umfang, in dem die Gehälter vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung erhöht werden. Werden die Vergütungen innerhalb der Vergleichsgruppe um einen bestimmten Prozentsatz angehoben, hat das Betriebsratsmitglied Anspruch auf dieselbe prozentuale Erhöhung seines Gehalts. Fallen die Gehaltserhöhungen innerhalb der Vergleichsgruppe unterschiedlich aus, kommt es darauf an, in welchem Umfang die Gehälter der Mehrzahl der der Vergleichsgruppe angehörenden Arbeitnehmer angehoben werden. Handelt es sich um eine sehr kleine Vergleichsgruppe und lässt sich deshalb nicht feststellen, dass die Gehälter der Mehrzahl der vergleichbaren Arbeitnehmer in gleichem Umfang erhöht wurden, kann für den Gehaltsanpassungsanspruch des Betriebsratsmitglieds der Durchschnitt der den Angehörigen der Vergleichsgruppe gewährten Gehaltserhöhungen maßgebend sein, wenn nur auf diese Weise eine nach § 78 Satz 2 BetrVG unzulässige Begünstigung oder Benachteiligung des Betriebsratsmitglieds vermieden werden kann (BAG 19.01.2005 – 7 AZR 208/04 – zu I 2 a der Gründe).Die Schutzbestimmung des § 78 Satz 2 verbietet es dem Arbeitgeber, deren Mitglieder in ihrer beruflichen Entwicklung zu benachteiligen. Er ist gehalten, ihnen eine berufliche Entwicklung zu gewährleisten, die sie ohne Amtstätigkeit durchlaufen hätten und das entsprechende Entgelt zu zahlen.

Daneben kann ein Betriebsratsmitglied, das nur infolge der Amtsübernahme nicht in eine Position mit höherer Vergütung aufgestiegen wäre, den Arbeitgeber unmittelbar auf Zahlung der höheren Vergütung nach § 611a BGB i. V. m. § 78 Satz 2 BetrVG in Anspruch nehmen (ständige Rechtsprechung, BAG 20.01.2021 – 7 AZR 52/20).

Dabei knüpft der fiktive Beförderungsanspruch nach der Rechtsprechung stets an die Besetzung einer konkreten Stelle an. Dies schließt typischerweise eine Begünstigung aus, soweit der Amtsträger über die Qualifikationsanforderungen einer solchen Stelle verfügt und ein anderer Bewerber aus Sicht des Arbeitgebers aus sachlichen Gründen nicht vorzugswürdig ist.

Strafrechtliche Relevanz einer höheren Vergütung:

»Der objektive Tatbestand der Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB kann erfüllt sein, wenn ein Vorstand oder Prokurist einer Aktiengesellschaft unter Verstoß gegen das betriebsverfassungsrechtliche Begünstigungsverbot (§ 78 Satz 2 BetrVG) einem Mitglied des Betriebsrats ein überhöhtes Arbeitsentgelt gewährt« (BGH 10.01.2023 – 6 StR 133/22).

3.1.2 Benachteiligungsverbot

Das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats darf gemäß § 37 Abs. 4 BetrVG einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung:

  • Vergleichbar sind Arbeitnehmer, die im Zeitpunkt der Amtsübernahme ähnliche, im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeiten ausgeführt haben wie der Amtsträger und dafür in gleicher Weise wie dieser fachlich und persönlich qualifiziert waren (vgl. BAG 19.01.2005 – 7 AZR 208/04 – zu II 1 der Gründe; BAG 15.01.1992 – 7 AZR 194/91 – zu II 1 a der Gründe; BAG 11.12.1991 – 7 AZR 75/91 – zu II der Gründe).

  • Üblich ist eine Entwicklung, die vergleichbare Arbeitnehmer bei Berücksichtigung der normalen betrieblichen und personellen Entwicklung in beruflicher Hinsicht genommen haben. Eine Üblichkeit entsteht aufgrund gleichförmigen Verhaltens des Arbeitgebers und einer von ihm aufgestellten Regel. Dabei muss der Geschehensablauf so typisch sein, dass aufgrund der Gegebenheiten und Gesetzmäßigkeiten zumindest in der überwiegenden Anzahl der vergleichbaren Fälle mit der jeweiligen Entwicklung gerechnet werden kann. Deshalb ist die Übertragung höherwertiger Tätigkeiten nur dann betriebsüblich, wenn diese dem Betriebsratsmitglied nach den betrieblichen Gepflogenheiten hätten übertragen werden müssen oder die Mehrzahl der vergleichbaren Arbeitnehmer einen solchen Aufstieg erreicht.

  • Nicht ausreichend ist es deshalb, dass das Betriebsratsmitglied bei der Amtsübernahme in seiner bisherigen beruflichen Entwicklung einem vergleichbaren Arbeitnehmer vollkommen gleichgestanden hat oder die Besserstellung eines oder mehrerer vergleichbarer Arbeitnehmer auf individuellen, nur auf diese bzw. diesen Arbeitnehmer persönlich zugeschnittenen Gründen beruht (vgl. BAG 04.11.2015 – 7 AZR 972/13 – Rn. 22; BAG 14.07.2010 – 7 AZR 359/09 – Rn. 30).

Konkretisierung des § 37 Abs. 4 BetrVG zum 25.07.2024:

Mit den neuen Sätzen 3 bis 5 des § 37 Abs. 4 BetrVG werden unter Zugrundelegung der bestehenden Rechtsprechung die Vorgaben für die Bestimmung der mit dem Betriebsratsmitglied vergleichbaren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weiter konkretisiert und Anreize für mehr Transparenz geschaffen.

Bestimmung der vergleichbaren Arbeitnehmer:

Ausgangspunkt ist die bei Amtsübernahme im Betrieb ausgeübte konkrete berufliche Tätigkeit. Fehlen im Betrieb Vergleichspersonen, können vergleichbare Arbeitnehmer eines anderen Betriebs herangezogen werden. Fehlen sie auch dort, ist auf die betriebsübliche Entwicklung der nächstvergleichbaren Arbeitnehmergruppen abzustellen und das Mindestentgelt in entsprechender Anwendung von § 287 ZPO zu schätzen.

Die Vergleichsgruppenbildung kann jedoch während der Amtszeit eines Betriebsratsmitglieds tatsächlichen Änderungen unterliegen. Ein sachlicher Grund kann deshalb eine Neubestimmung der Vergleichsgruppe erforderlich machen.

Beispielsweise kann nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 20/9469) bei einem beruflichen Aufstieg eines Betriebsratsmitglieds, das die Anforderungen einer höherdotierten Stelle erfüllt und mit dem Arbeitgeber einen entsprechenden Änderungsvertrag schließt, im Anschluss daran die Vergleichsgruppe aus sachlichem Grund neu zu bestimmen sein.

Lehnt aber das Betriebsratsmitglied ein entsprechendes Vertragsangebot des Arbeitgebers unter Hinweis auf die Fortführung seiner Betriebsratstätigkeit ab, verbleibt es bei seiner bisherigen Vergleichsgruppe, denn die Tätigkeit, an der die Vergleichsgruppenbildung anknüpft, ändert sich nicht.

Der Mindestentgeltanspruch erfasst nach seiner Konzeption keine hypothetischen Verläufe beruflichen Aufstiegs.

Betriebsvereinbarung zur Festlegung eines Verfahrens zur Vergleichbarkeit:

Mit dem neuen Satz 4 wird klargestellt, dass die Betriebsparteien in einer Betriebsvereinbarung ein Verfahren zur Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmer treffen können. Die darin getroffene Konkretisierung der Vergleichbarkeit ist nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüfbar. Gleiches gilt, wenn sich Arbeitgeber und Betriebsrat ausgehend von den in der Betriebsvereinbarung bestimmten Vergleichskriterien auf die Festlegung konkreter Vergleichspersonen einigen und dies in Textform niederlegen.

3.2 Abfindung

Diese strengen Grundsätze sind bei der Beurteilung der Höhe einer Abfindung nicht anzusetzen:

»Ein Betriebsratsmitglied wird durch einen im Zuge einer kündigungsrechtlichen Auseinandersetzung abgeschlossenen Aufhebungsvertrag in der Regel auch dann nicht unzulässigerweise begünstigt i.S.v. § 78 Satz 2 BetrVG, wenn der Aufhebungsvertrag besonders attraktive finanzielle oder sonstige Konditionen enthält, die einem Arbeitnehmer ohne Betriebsratsamt nicht zugestanden worden wären. Diese Begünstigung beruht regelmäßig auf dem besonderen Kündigungsschutz des Betriebsratsmitglieds nach § 15 Abs. 1 KSchG, § 103 BetrVG, der seine Rechtsposition gegenüber anderen Arbeitnehmern ohne vergleichbaren Sonderkündigungsschutz erheblich verbessert. Es kommt daher nicht darauf an, ob die in dem Aufhebungsvertrag vereinbarten Leistungen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls angemessen sind« (BAG 21.3.2018 – 7 AZR 590/16).

3.3 Sonstige Zuwendungen

Das oben Gesagte gilt auch für sonstige allgemeine Zuwendungen des Arbeitgebers.

3.4 Nichtverlängerung eines befristeten Arbeitsvertrags

Bei einer Verletzung dieses Benachteiligungsverbots durch die Nichtverlängerung eines befristeten Arbeitsvertrags hat das Betriebsratsmitglied einen Schadensersatzanspruch in der Form des Anspruchs auf Abschluss eines Folgevertrags (BAG 25.06.2014 – 7 AZR 847/12).

4 Abschluss einer Betriebsvereinbarung

Die Betriebsparteien können konkretisierende betriebliche Vereinbarungen zu § 37 Abs. 4 BetrVG – z.B. zur Ermittlung vergleichbarer Arbeitnehmer – treffen. Solche Regelungen müssen sich allerdings im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben in § 37 Abs. 4 BetrVG und § 78 Satz 2 BetrVG bewegen.

5 Rechtsfolgen bei einem Verstoß

Jegliche Schlechterstellung oder Bevorzugung ist unwirksam (nichtig), ebenso die durch die Bevorzugung veranlasste Maßnahme des Betriebsrats.

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