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Bebauungsplan - Flüchtlingsunterkünfte

 Normen 

§ 246 BauGB

 Information 

Zur Unterbringung von Flüchtlingen sind bei der Aufstellung eines Bebauungsplans in § 246 BauGB baurechtliche Sonderregelungen für Flüchtlingsunterkünfte vorgesehen:

  • Im nicht beplanten Innenbereich kann vom Erfordernis des Einfügens bei der Nutzungsänderung aller zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen in bauliche Anlagen, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, abgewichen werden. Über die bereits bislang genannten Verwaltungs-, Büro- und Geschäftsgebäude hinaus kann dies vor allem bei Schulen, sonstigen Bildungszwecken dienenden Gebäuden und Krankenhäusern in Betracht kommen, die sich freilich vielfach bereits nach allgemeinen Regeln einfügen können.

  • Absatz 9 soll die Errichtung von Anlagen zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbewerbern im Außenbereich erleichtern, wenn dies in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang mit einem bebauten Ortsteil innerhalb des Siedlungsbereichs erfolgt. Zuvor waren solche Unterkünfte im Außenbereich als sonstige Vorhaben nur dann zulässig, wenn ihre Errichtung oder Nutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt. Damit war die Errichtung dieser Einrichtungen allenfalls im Ausnahmefall möglich. Gerade in Ballungszentren ist es nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/2752) notwendig, zur Bewältigung der Zuwanderung in geeigneten Fällen auch die sogenannten "Außenbereichsinseln im Innenbereich", also die im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit bebauten Flächen gelegenen Außenbereichsflächen zu nutzen. Um dies zu erleichtern, werden die Anlagen zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbewerbern, wenn sie im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit einem bebauten Ortsteil innerhalb des Siedlungsbereichs errichtet werden sollen, den teilprivilegierten Vorhaben gleichgesetzt, sodass ihnen entgegenstehende Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans, die natürliche Eigenart der Landschaft oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung nicht entgegengehalten werden können.

  • Absatz 10 reagiert auf Entwicklungen in der Rechtsprechung, nach denen Flüchtlingsunterkünfte wegen ihrer wohnähnlichen Nutzung mit dem Nutzungszweck von Gewerbegebieten grundsätzlich unverträglich sein sollen und deshalb dort auch nicht im Ausnahmewege genehmigt werden können. Allerdings sieht § 8 Abs. 3 BauNVO schon immer vor, dass Anlagen für soziale Zwecke auch in Gewerbegebieten ausnahmsweise zugelassen werden können. Absatz 10 stellt nunmehr klar, dass das auch für Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünfte gelten soll. Bei der Prüfung, ob eine entsprechende Ausnahme erteilt werden kann, wird jeweils zu prüfen sein, ob die beantragte Flüchtlingsunterkunft und die jeweils zulässigen Gewerbebetriebe im Gewerbegebiet miteinander verträglich ist. Das kann etwa der Fall sein, wenn die Nutzungen im Gewerbegebiet im Hinblick auf ihre Emissionen und verkehrlichen Auswirkungen so gegliedert sind, dass es Bereiche gibt, in denen eine wohnähnliche Nutzung nicht unzumutbar gestört wird und von dieser wohnähnlichen Nutzung auch keine unzumutbaren Beeinträchtigungen für zulässige gewerbliche Nutzungen ausgehen.

  • Absatz 11: Die Genehmigungsentscheidung über Anlagen für Flüchtlingsunterkünfte, die als Anlagen für soziale Zwecke zu charakterisieren und in einem Baugebiet als Ausnahme zugelassen werden können, steht im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde. Um die Bedeutung des Belangs der Flüchtlingsunterbringung noch stärker zu betonen, soll § 31 BauGB mit der Maßgabe gelten, dass dort die Genehmigung in den Baugebieten nach der Baunutzungsverordnung in der Regel erteilt werden soll. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass bei Zulassung der genannten Einrichtungen in der Regel kein Widerspruch zur Zweckbestimmung des jeweiligen Baugebiets besteht.

  • Absatz 12: Für die auf längstens drei Jahre zu befristende Errichtung von - im Regelfall als Unterfall von sozialen Einrichtungen einzuordnenden - mobilen Unterkünften (insbesondere Wohncontainer und Zelte) oder die ebenfalls auf drei Jahre zu befristende Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen in Gewerbe- und Industriegebieten sowie in Sondergebieten in Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende soll eine Befreiung auch dann möglich sein, wenn die Grundzüge der Planung berührt werden. Behelfsunterkünfte können damit z.B. auch auf festgesetzten Gemeinbedarfsflächen (etwa Parkplätzen) genehmigt werden. Die Regelung findet auch in reinen Wohngebieten, Gewerbegebieten und Industriegebieten Anwendung. In Gewerbegebieten ist es dabei nicht erforderlich, dass an diesen Standorten Anlagen für soziale Zwecke zugelassen werden können.

    Hinweis:

    Die in Satz 1 genannte Frist von drei Jahren kann bei Vorliegen der dort genannten Befreiungsvoraussetzungen um weitere drei Jahre verlängert werden, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027. Sofern die Frist bereits abgelaufen ist, gilt Satz 1 auch für die auf drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 zu befristende Fortsetzung der zuvor ausgeübten Nutzung einer bestehenden baulichen Anlage entsprechend (Ergänzung des Absatzes 12 zum 23.06.2021).

  • Absatz 13: Für die auf längstens drei Jahre zu befristende Errichtung mobiler Unterkünfte und für die Umnutzung bestehender Gebäude, auch wenn deren bisherige Nutzung aufgegeben wurde, in Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge und Asylbegehrende soll die Rechtsfolge des § 35 Abs. 4 BauGB entsprechend gelten. Im Interesse des Außenbereichsschutzes wird ausdrücklich vorgesehen, dass eine nachfolgende Nutzungsänderung nicht auf Absatz 13 Satz 1 gestützt werden kann.

    Hinweis:

    Die in Satz 1 Nummer 1 genannte Frist von drei Jahren kann um weitere drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 verlängert werden; für die Verlängerung gilt die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend. Sofern die Frist bereits abgelaufen ist, gilt auch für die Entscheidung über die auf drei Jahre, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 zu befristende erneute Zulässigkeit einer bereits errichteten mobilen Unterkunft für Flüchtlinge oder Asylbegehrende die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1 entsprechend (Ergänzung des Absatzes 13 zum 23.06.2021).

  • Absatz 14: Soweit auch bei Anwendung der Absätze 8 bis 13 dringend benötigte Unterkunftsmöglichkeiten im Gebiet der Gemeinde, in der sie entstehen sollen, nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können, kann bei Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünften oder sonstigen Unterkünften für Flüchtlinge oder Asylbegehrende bis zum Ablauf des 31. Dezember 2024 von den Vorschriften dieses Gesetzbuchs oder den aufgrund dieses Gesetzbuchs erlassenen Vorschriften in erforderlichem Umfang abgewichen werden. Zuständig ist die höhere Verwaltungsbehörde. Die Gemeinde ist anzuhören; diese Anhörung tritt auch an die Stelle des in § 14 Absatz 2 Satz 2 vorgesehenen Einvernehmens. Satz 3 findet keine Anwendung, wenn Vorhabenträger die Gemeinde oder in deren Auftrag ein Dritter ist.

  • Absatz 15: In Verfahren zur Genehmigung von baulichen Anlagen, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, das Einvernehmen der Gemeinde als erteilt gelten, wenn es nicht innerhalb eines Monats verweigert wird.

  • Absatz 16: Auch im Naturschutz kann die Genehmigungsbehörde davon ausgehen, dass Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege von dem Vorhaben nicht berührt werden, wenn sich die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständige Behörde nicht binnen eines Monats äußert.

  • Absatz 17: In Absatz 17 wird aus Gründen der Klarstellung noch eindeutiger geregelt werden, dass sich die in den Absätzen 8 bis 16 vorgesehene Befristung nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum bezieht, in dem insbesondere im bauaufsichtlichen Zulassungsverfahren von den Vorschriften Gebrauch gemacht werden kann.

Aber: Diese Sondervorschriften gelten nur für Vorhaben, bei denen die öffentliche Hand der Träger ist (BVerwG 21.02.2019 - 4 C 9/18):

"Der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden im Sinne des § 246 Abs. 9 BauGB dienen nur Vorhaben, mit denen die öffentliche Hand ihre Unterbringungsverantwortung wahrnimmt. Vorhaben privater Bauherrn sind nur begünstigt, wenn sie in Abstimmung mit der öffentlichen Hand errichtet werden oder in zumindest vergleichbarer Weise gesichert ist, dass sie der Wahrnehmung der öffentlichen Aufgabe dienen werden."

 Siehe auch 

Baunutzungsverordnung

Bauplanungsrecht

Bebauungsplan - einfacher

Bebauungsplan - qualifizierter

Flächennutzungsplan

Normenkontrollverfahren

Appel/Stark: Naturschutzrechtliche Ausgleichspflicht bei zeitlich begrenzten Eingriffen in Natur und Landschaft. Anmerkungen am Beispiel vorübergehender Flüchtlingsunterkünfte im Außenbereich; Natur und Recht - NuR 2018, 34

Scheidler: Ausnahmen vom Bebauungsplan allgemein und speziell für Flüchtlingsunterkünfte; Baurecht - BauR 2017, 1455