Rechtswörterbuch

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Aufsichtspflicht - Erzieher

 Normen 

§ 832 BGB

§ 1626 BGB

§ 1631 BGB

 Information 

1. Einführung

Die Aufsichtspflicht ist Teil der Personensorge. Der oder die Personensorgeberechtigten (Aufsichtspflicht - Eltern) übertragen die ihnen obliegende Aufsichtspflicht durch Vertrag auf den Träger der Betreuungseinrichtung, der seinerseits die Aufsichtspflicht durch die Arbeitsverträge auf seine Angestellten überträgt.

Eine Aufsichtspflichtverletzung kann bei Vorliegen der Voraussetzungen zu einer Haftung des Aufsichtspflichtigen führen.

2. Inhalt der Aufsichtspflicht

2.1 Aufsichtspflicht der Erzieher

Der konkrete Inhalt der Aufsichtspflicht ist gesetzlich nicht geregelt. Art und Ausmaß der Aufsichtspflicht hängen von den Umständen des Einzelfalls ab.

Die Anforderungen an die Aufsichtspflicht der ein Kind oder einen Jugendlichen betreuenden Personen entsprechen inhaltlich im Wesentlichen der Aufsichtspflicht der Eltern. Besonderheiten sind im Folgenden dargestellt.

Zeitlich besteht die Aufsichtspflicht während der üblichen Öffnungszeiten, d.h. die Einrichtung ist gegenüber einem verfrüht ankommenden Kind grundsätzlich nicht aufsichtspflichtig (es sei denn, die Anwesenheit des Kindes wird bemerkt). Die Aufsichtspflicht bleibt bestehen, wenn die Eltern das Kind nicht oder verspätet abholen.

Aufsichtspflicht umfasst auch die Pflicht, das Kind ordnungsgemäß in den Aufsichtsbereich der Eltern zu entlassen. Dies bedeutet, dass die Übergabe nur an Sorgeberechtigte oder sonstige autorisierte Personen zulässig ist. Notfalls müssen die Erzieher warten, die Eltern anrufen oder das Kind selbst nach Hause bringen.

Erklären Eltern, ihr Kind könne allein nach Hause gehen, ist diese Entscheidung grundsätzlich zu respektieren. Eine Ausnahme besteht, wenn erkennbar ist, dass das Kind dazu nicht in der Lage ist oder in Lebensgefahr gerät. In diesem Fall ist bei Uneinsichtigkeit der Eltern das Jugendamt einzuschalten.

Die Aufsichtspflicht richtet sich auch nach der Art der Beschäftigung: Auszugehen ist von der Tatsache, dass es keine risikolose Beschäftigung für Kinder gibt. Es ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht erforderlich, auf pädagogisch sinnvolle Aktivitäten zu verzichten, auch wenn sie ein Gefahrenpotenzial in sich bergen. Entscheidend ist, dass sich der Aufsichtspflichtige Gedanken über eine Risikominimierung macht.

Die Mittel zur Erfüllung der Aufsichtspflicht stehen in einem Stufenverhältnis:

  1. a)

    Vorsorgliche Belehrungen, Mahnungen

  2. b)

    Aussprechen eines Verbots

  3. c)

    Überwachung

  4. d)

    Eingreifen

Kinder dürfen dann für einen kürzeren Zeitraum unbeobachtet sein, wenn mit einem Schadenseintritt vernünftigerweise nicht zu rechnen ist. Aber: Kinder, die dazu neigen, sich unerlaubt aus der Gruppe zu entfernen, müssen lückenlos beaufsichtigt werden, andernfalls besteht eine Aufsichtspflichtverletzung (AG Hamburg 08.11.2002 145 Ds/4005 Js 864/01).

Kleinkinder sind nach der Rechtsprechung im Außengelände zwar nicht "auf Schritt und Tritt", aber doch in kurzen Abständen regelmäßig zu kontrollieren. Dies gilt insbesondere dann, wenn es aufgrund der Lage des Außengeländes und der konkreten Tätigkeit der Kinder (z.B. Gartenarbeiten unter Zuhilfenahme von Gartengeräten) nicht ausgeschlossen ist, dass die Kinder selbst oder Dritte in Folge kindlichen Spiels und gruppendynamischer Prozesse gefährdet werden können (BGH 13.12.2012 - III ZR 226/12).

2.2 Pflichten der Einrichtungsleitung

Die Einrichtungsleitung muss gewährleisten, dass die Aufsichtspflicht in der Einrichtung von den Mitarbeitern erfüllt werden kann.

Die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Erzieherin sind von der Leitung zu berücksichtigen. Der Erzieherin dürfen keine Aufgaben übertragen werden bzw. sie darf keine Aufgaben übernehmen, denen sie nicht gewachsen ist. Die Grenzen der Aufsichtspflicht liegen in der Zumutbarkeit: Die Anforderungen sind auf das beschränkt, was unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse der Aufsichtsperson vernünftigerweise möglich ist.

2.3 Einzelfälle

Spielflächen müssen gegen Gefahren von außen hinreichend abgegrenzt sein, im Kindergarten muss die Einfriedung mindestens 1 m hoch sein. Die Geräte müssen u.a. splitterfrei, rostfrei und ohne scharfen Ecken und Kanten sein.

Bei Kindern im Alter von Grundschülern muss davon ausgegangen werden, dass ihnen die Gefahr der Entstehung von Schäden an Personen oder Sachen bei Steinwürfen bereits bewusst ist. Dies begründet für die Lehrer einer Grundschule aber keine Pflicht, "gefahrenträchtige Stellen" (Sandkasten, Indianerburg, Grünfläche) ständig im Auge zu behalten, um den Schülern das Werfen mit Steinen unmöglich zu machen (OLG Düsseldorf 14.12.1995 - 18 U 91/95). Eine lückenlose Beaufsichtigung auf dem Außengelände ohne konkreten Anlass ist nicht erforderlich (OLG Düsseldorf 12.10.1995 - 18 U 225/94).

Während einer Busfahrt muss das Herumlaufen unterbunden werden, der Busfahrer darf nicht mit übermäßigem Lärm belästigt werden, das Verschmutzen der Sitze muss vermieden werden und die Kinder müssen nach einem Verlassen des Busses auf Vollzähligkeit überprüft werden.

 Siehe auch 

Arbeitsunfall - Haftungsbeschränkung

Aufsichtspflicht - Eltern

Aufsichtspflichtverletzung

BGH 04.06.2009 - III ZR 229/07 (Ausschluss von Schmerzensgeldansprüchen eines Kindergartenkindes gegen den Träger einer Kindertageseinrichtung)

OLG Köln 20.05.1999 - 7 U 5/99 (Im Außenbereich des Kindergartens dürfen Kinder nicht 15 Minuten unbeaufsichtigt bleiben)

Birr: Die Haftung Minderjähriger im Zivilrecht; 1. Auflage 2005

Förster: Verschuldensvermutung bei der Amtshaftung - Aufsichtspflicht von Kindergartenpersonal; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2013, 1201

Hundmeyer: Aufsichtspflicht in Kindertageseinrichtungen; 6. Auflage 2006

Hundmeyer/Prott: Pädagogischer Auftrag und Aufsichtspflicht der Kindertageseinrichtungen; Zentralblatt für Jugendrecht - ZfJ 2005, 232

Oberhardt: Die Aufsichtspflicht öffentlicher Einrichtungen nach § 832 BGB - im Spannungsfeld zur Amtshaftung, 1. Auflage 2010

Ollmann: Amtshaftung bei Aufsichtspflichtverletzungen in Kindertagesstätten; Versicherungsrecht - VersR 2003, 302

Schmidt: Handbuch des Rechts für Kindertageseinrichtungen; Loseblattwerk mit Ergänzungslieferungen

Waldmann: Spielplätze sicher planen und instand halten. Praxisleitfaden für eine altersstufengerechte Gestaltung zur Einhaltung aller Verkehrssicherungspflichten; 1. Auflage 2009