Allgemeine Geschäftsbedingungen - Individualvertrag
1 Allgemein
Individualvereinbarungen/-verträge (auch "individualvertragliche Vereinbarungen" genannt) sind, anders als Allgemeine Geschäftsbedingungen bzw. vorformulierte Formularverträge, individuell zwischen den Parteien vereinbarte Verträge bzw. Vereinbarungen.
Die gesetzlichen Vorgaben für Allgemeine Geschäftsbedingungen sind auf Individualvereinbarungen nicht anwendbar.
2 Anforderungen der Rechtsprechung an einen individuellen Vertrag
Aber nicht jede individuelle Vereinbarung ist auch eine wirksame Individualvereinbarung. Die Rechtsprechung hat insofern strenge Anforderungen aufgestellt:
Nach der Rechtsprechung des BGH unterscheidet sich eine Individualvereinbarung von einem Formularvertrag dadurch, dass die Vertragsklauseln zwischen den Parteien ausgehandelt wurden und nicht eine Partei der anderen ihren Vertragsinhalt aufgezwungen hat:
Ein Aushandeln ist mehr als Verhandeln. Erforderlich ist, dass der Sachverhalt ernsthaft zur Disposition steht und der Vertragspartner inhaltlich an der Vertragsgestaltung mitwirken kann. Daneben muss der Vertragspartner über den Inhalt und die Tragweite der Klauseln aufgeklärt sein (BGH 19.05.2005 - III ZR 437/04).
Von einem Aushandeln kann nur dann gesprochen werden, wenn der Verwender zunächst den in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen gesetzesfremden Kerngehalt, also die den wesentlichen Inhalt der gesetzlichen Regelung ändernden oder ergänzenden Bestimmungen, inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit zumindest der realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen. Er muss sich also deutlich und ernsthaft zur gewünschten Änderung einzelner Klauseln bereit erklären (BGH 20.03.2014 - VII ZR 248/13).
Nach der Entscheidung BGH 23.01.2003 - VII ZR 210/01 "kann unter besonderen Umständen ein Vertrag auch dann als Ergebnis eines "Aushandelns" gewertet werden, wenn es schließlich nach gründlicher Erörterung bei dem gestellten Entwurf verbleibt."
3 Änderung einer AGB-Klausel
Eine Allgemeine Geschäftsbedingung verliert ihren Charakter als eine der Inhaltskontrolle unterliegender Klausel nicht allein dadurch, dass sie von den Parteien nachträglich geändert wird. Vielmehr muss die nachträgliche Änderung in einer Weise erfolgen, die es rechtfertigt, sie wie eine von vornherein getroffene Individualvereinbarung zu behandeln.
Nach der Entscheidung BGH 07.03.2013 - VII ZR 162/12 liegen die Voraussetzungen nicht vor, wenn der Verwender auch nach Vertragsschluss dem Vertragspartner keine Gestaltungsfreiheit eingeräumt und den gesetzesfremden Kerngehalt der Klausel nicht zur Disposition gestellt hat und die Parteien auf dieser Grundlage eine Einigung finden, mit der die nachteilige Wirkung der Klausel lediglich abgeschwächt wird.
4 Inhaltliche Grenzen einer Individualvereinbarung
Aufgrund der in Deutschland bestehenden Vertragsfreiheit sind die Vertragsparteien grundsätzlich in der inhaltlichen Gestaltung ihrer Verträge frei. Eine Begrenzung besteht durch zwingend zu beachtende Gesetzesvorschriften (§ 134 BGB) sowie durch die Sittenwidrigkeit und den Grundsatz von Treu und Glauben.
5 Beweislast
Kommt es später zum Streit über das Vorliegen einer Individualvereinbarung und trägt der Kunde vor, der Vertrag sei nicht individuell ausgehandelt und es handele sich insofern um einen vorformulierten Vertrag, dessen Inhalt nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu überprüfen sei, muss der Vertragspartner beweisen, dass es sich um eine Individualvereinbarung handelt.
Es empfiehlt sich, im Beisein des Auftraggebers ein(e) Protokoll/Aktennotiz zum Inhalt bzw. Verlauf der Verhandlung und zum Verhandlungsergebnis anzufertigen. Anschließend ist dieses von dem Vertragspartner zu unterschreiben.
Aber: Der Verwender vorformulierter Klauseln kann sich zur Darlegung eines Aushandelns nicht ausschließlich auf eine individualrechtliche Vereinbarung berufen, nach der über die Klauseln "ernsthaft und ausgiebig verhandelt wurde" (BGH 20.03.2014 - VII ZR 248/13).
Eine (vorformulierte) Aushandelnsbestätigung, nach der der Vertragspartner bestätigt, dass der Vertrag ausgehandelt wurde, wird von der Rechtsprechung wiederum als Allgemeine Geschäftsbedingung angesehen (BGH 28.01.1987 - IVa ZR 173/85).