Änderungskündigung
1 Einführung
Kündigung des Arbeitnehmers, verbunden mit einem gleichzeitigen Angebot auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter geänderten Bedingungen.
Der Arbeitgeber kann gegenüber dem Arbeitnehmer die Arbeitsbedingungen bzw. Arbeitsvorgaben innerhalb der Grenzen seines durch den Arbeitsvertrag vorgegebenen Direktionsrechts einseitig ändern. Darüber hinausgehende Änderungen können ohne Einwilligung des Arbeitnehmers nur mit einer Änderungskündigung durchgesetzt werden.
Eine Änderungskündigung besteht aus zwei Teilen:
der Kündigung
Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses unterliegt dem Kündigungsschutz, wenn das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet. Die Änderungskündigung ist sowohl in der Form der ordentlichen als auch der außerordentliche Kündigung möglich.
und
dem Angebot auf den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages zu geänderten Bedingungen.
Dieses Angebot muss eindeutig bestimmt oder doch bestimmbar sein. Es muss nach allgemeiner Rechtsgeschäftslehre so konkret gefasst sein, dass es einer Annahme durch den Arbeitnehmer ohne Weiteres zugänglich ist. Für diesen muss zweifelsfrei deutlich werden, welche Arbeitsbedingungen zukünftig gelten sollen:
Das Fortsetzungsangebot muss "die versprochenen Dienste" i.S.v. § 611 Abs. 1 BGB, die Art der geschuldeten Arbeitsleistung(en), ausreichend erkennen lassen." (BAG 26.01.2017 - 2 AZR 68/16).
Beispiel:
Der Ausspruch einer Vielzahl von Kündigungen, die jede für sich das Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Änderung lediglich einer bestimmten - jeweils anderen - Vertragsbedingung und den Hinweis enthalten, der Arbeitnehmer erhalte zugleich weitere Änderungskündigungen, verstößt gegen das Bestimmtheitsgebot (BAG 10.09.2009 - 2 AZR 822/07).
2 Formanforderungen
Sowohl die Kündigung als auch das Änderungsangebot unterliegen gemäß dem Urteil BAG 16.09.2004 - 2 AZR 628/03 dem Schriftformerfordernis des § 623 BGB. Danach ist eine Änderungskündigung, bei der zwar die Kündigung schriftlich, das neue Arbeitsvertragsangebot jedoch z.B. nur mündlich ausgesprochen wurde, unwirksam. Das Schriftformerfordernis erfasst gemäß den Ausführungen des Urteils den wesentlichen Inhalt des neuen angebotenen Arbeitsverhältnisses.
Nachfolgender Änderungskündigungsschutzantrag:
"Hat der Arbeitnehmer ein mit der Kündigung verbundenes Angebot des Arbeitgebers zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG angenommen, genügt es zur Vermeidung der Rechtsfolgen des § 7 KSchG, wenn er innerhalb der Klagefrist Kündigungsschutzklage nach § 4 Satz 1 KSchG erhebt und den Antrag später entsprechend § 4 Satz 2 KSchG fasst" (BAG 21.05.2019 - 2 AZR 26/19).
3 Begründetheit allgemein
Voraussetzung für die Begründetheit einer Änderungsschutzklage ist, dass die Parteien über die Berechtigung einer Änderung ihrer arbeitsvertraglichen Vereinbarungen streiten. Vom Arbeitgeber erstrebte Änderungen, die sich schon durch die Ausübung des Direktionsrechts durchsetzen lassen, halten sich im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen und sind keine Änderung der Arbeitsbedingungen. Soll der bestehende Vertragsinhalt nicht geändert werden, liegt in Wirklichkeit kein Änderungsangebot vor, die vermeintlich erst herbeizuführenden Vertragsbedingungen gelten bereits. Eine Änderungskündigung ist "überflüssig" (BAG 19.07.2012 - 2 AZR 25/11).
Zu beachten ist auch, dass der Arbeitgeber das Organisationsermessen hat.
Inhalt der Prüfung der Begründetheit der Änderungskündigung durch das Arbeitsgericht ist die soziale Rechtfertigung der Änderung der Arbeitsbedingungen, nicht die Rechtmäßigkeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses! Dabei ist die Prüfung in zwei Stufen durchzuführen:
- a)
Sofern die Kündigung dem Kündigungsschutz unterliegt: Ist das Änderungsangebot durch das Vorliegen eines verhaltensbedingten, personenbedingten oder betriebsbedingten Grundes gerechtfertigt? Die Anforderungen entsprechen denen einer verhaltensbedingten, personenbedingten oder betriebsbedingten Beendigungskündigung - siehe die Ausführungen unten!
- b)
Sind die neuen Arbeitsbedingungen erforderlich und für den Arbeitnehmer zumutbar (Verhältnismäßigkeitsprüfung)?
Liegt ein Verstoß gegen Gesetze oder Tarifvereinbarungen vor?
Sind die neuen Arbeitsbedingungen vom Arbeitnehmer billigerweise anzunehmen, d.h. sind sie geeignet und erforderlich, um die Arbeitsbedingungen an den die Änderungskündigung bedingenden verhaltensbedingten, personenbedingten oder betriebsbedingten Grund anzupassen?
Ausgangspunkt ist die bisherige vertragliche Regelung, d.h. die angebotenen Änderungen dürfen sich nicht weiter von dem Inhalt des bisherigen Arbeitsverhältnisses entfernen, als zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich.
4 Formen
4.1 Verhaltensbedingte Kündigung
Ziel ist die Beendigung eines vertragswidrigen Zustandes. Die verhaltensbedingte Änderung erfordert den vorherigen Auspruch einer wirksamen Abmahnung.
4.2 Betriebsbedingte Änderungskündigung
Besonderheiten bestehen bei der betriebsbedingten Änderungskündigung, die in der Praxis insbesondere zur Reduzierung der Vergütung ausgesprochen wird.
4.3 Personenbedingte Änderungskündigung
Grundsätzlich können alle personenbedingten Gründe die Kündigung rechtfertigen, so z.B.:
"Eine Änderung der Vertragsbedingungen kann auch durch eine krankheitsbedingte Leistungsminderung bedingt sein" (BAG 22.10.2015 - 2 AZR 550/14).
Eine Änderungskündigung wegen Minderleistung kann aus personenbedingten Gründen sozial gerechtfertigt sein, wenn die Arbeitsleistung die berechtigte Gleichwertigkeitserwartung des Arbeitgebers in einem Maße unterschreitet, dass ihm ein Festhalten am (unveränderten) Arbeitsvertrag unzumutbar wird, auch für die Zukunft nicht mit einer Wiederherstellung des Gleichgewichts von Leistung und Gegenleistung zu rechnen ist und kein milderes Mittel zur Wiederherstellung eines Vertragsgleichgewichts zur Verfügung steht.
Bei personenbedingten Kündigungen bedarf es grundsätzlich nicht einer vorherigen Abmahnung. Dennoch ist der Arbeitgeber bereits aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes jedenfalls gehalten, den Arbeitnehmer auf ein Leistungsdefizit hinreichend aufmerksam zu machen. Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn ein derartiger Hinweis nicht erfolgversprechend gewesen wäre (LAG Rheinland-Pfalz 25.03.2014 - 6 Sa 357/13).
4.4 Unzulässig: Teilkündigung, wenn keine Änderungskündigung vorliegt
Eine Teilkündigung, d.h. die Kündigung einzelner Arbeitsbedingungen ohne dass formell eine Änderungskündigung vorliegt, ist unzulässig:
"Teilkündigungen, mit denen der Kündigende einzelne Vertragsbedingungen gegen den Willen der anderen Vertragspartei einseitig ändern will, sind grundsätzlich unzulässig. Sie stellen einen unzulässigen Eingriff in das ausgehandelte Äquivalenz- und Ordnungsgefüge des Vertrags dar. Nur ausnahmsweise können Teilkündigungen zulässig sein, wenn dem einen Vertragspartner das Recht hierzu eingeräumt wurde und kein zwingender Kündigungsschutz umgangen wird (BAG 23.03.2011 - 10 AZR 562/09; LAG Mecklenburg-Vorpommern 25.02.2020 - 5 Sa 132/19).
5 Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitnehmers
Der Arbeitnehmer hat nach dem Ausspruch einer Änderungskündigung folgende Möglichkeiten:
Er kann das neue Vertragsangebot unter dem Vorbehalt annehmen, dass die Kündigung sozial nicht gerechtfertigt ist und Kündigungsschutzklage erheben. Durch diese Vorgehensweise bleibt dem Arbeitnehmer im Falle des arbeitsgerichtlichen Unterliegens das Arbeitsverhältnis erhalten. Streitgegenstand der Klage ist die Frage, ob das Arbeitsverhältnis zu geänderten Bedingungen fortbesteht.
Er kann das Änderungsangebot vorbehaltlos annehmen. Damit wird das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Kündigungsfrist zu den neuen Bedingungen fortgesetzt.
Er kann das Änderungsangebot ablehnen. Die Änderungskündigung wird somit zur "normalen" Kündigung, die der Arbeitnehmer mit der Kündigungsschutzklage angreifen kann.
Der Vorbehalt muss gemäß § 2 Abs. 2 KSchG innerhalb von drei Wochen nach dem Zugang der Kündigung erklärt werden. Nach der Entscheidung BAG 18.05.2006 - 2 AZR 230/05 ist die Drei-Wochen-Frist als Mindestfrist zu sehen. Eine kürzere Fristsetzung durch den Arbeitgeber führt nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung, sondern nur zur Anwendbarkeit der Mindestfrist.
Sofern der Arbeitnehmer keine Kündigungsschutzklage einlegen will bzw. eingelegt hat, stellt sich die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt er das neue Vertragsangebot des Arbeitgebers annehmen kann. Der BGH hat dazu in der Entscheidung BAG 01.02.2007 - 2 AZR 44/06 folgende Grundsätze aufgestellt:
- a)
Immer hat der Arbeitnehmer die Drei-Wochen-Frist des § 2 Abs. 2 KSchG.
- b)
Der Arbeitgeber kann eine Frist bestimmen, innerhalb der das Angebot anzunehmen ist. Dies kann ausdrücklich durch Festlegung einer Frist geschehen, die Frist kann sich jedoch auch aus den Umständen ergeben.
- c)
Ist die Frist unangemessen kurz, so gilt die Drei-Wochen-Frist des § 2 Abs. 2 KSchG.
6 Änderungskündigung vor Beendigungskündigung
Nach den Urteilen BAG 21.04.2005 - 132/04 und BAG 03.04.2008 - 2 AZR 500/06 ist - wenn die Möglichkeit besteht, den Arbeitnehmer durch den Ausspruch einer Änderungskündigung an einem anderen Arbeitsplatz weiterzubeschäftigen - eine Beendigungskündigung aufgrund des Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unwirksam.
In der Praxis ist es oftmals üblich, dass der Arbeitnehmer zunächst über die fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit zu den bisherigen Bedingungen informiert wird und ihm die Weiterbeschäftigung zu den geänderten Bedingungen anstelle einer Kündigung angeboten wird. Dies wird als sogenanntes Änderungsangebot bezeichnet. Lehnt der Arbeitnehmer das Änderungsangebot ab, so bleibt nach dem Urteil BAG 21.04.2005 - 2 AZR 132/04 aber die Verpflichtung des Arbeitgebers zum Ausspruch einer Änderungskündigung bestehen.
Nach der nunmehr aufgegebenen Rechtsprechung des BAG bestand die Verpflichtung zur Änderungskündigung vor der Beendigungskündigung nur dann, wenn die neue Tätigkeit wirtschaftlich und sozial vergleichbar war. Nach der geänderten Rechtsprechung des BAG muss der Arbeitgeber - von krassen Abstufungen abgesehen - die Entscheidung dem Arbeitnehmer überlassen, ob er eine Weiterbeschäftigung unter möglicherweise erheblich verschlechterten Arbeitsbedingungen für zumutbar hält oder nicht (BAG 21.04.2005 - 2 AZR 132/04). Dies gilt auch für die Fälle, in denen die neue Position nur mit der Hälfte des bisherigen Gehalts verbunden ist (BAG 21.04.2005 - 2 AZR 244/04).