Rechtswörterbuch

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Adhäsionsverfahren

 Normen 

§§ 403 - 406c StPO

 Information 

1. Allgemein

Geltendmachung eines vermögensrechtlichen Anspruchs im Strafverfahren.

Aus Gründen des Sachzusammenhangs hat der Verletze bzw. dessen Erbe die Möglichkeit, seine durch die Straftat entstandenen zivilrechtlichen Ansprüche im Strafverfahren geltend zu machen.

Die praktische Bedeutung des Adhäsionsverfahrens ist gering.

2. Voraussetzungen

  1. a)

    Stellung eines Antrags bis spätestens zum Beginn der Schlussvorträge.

  2. b)

    Antragsteller ist der Verletzte oder sein Erbe.

  3. c)

    Es handelt sich um einen vermögensrechtlichen Anspruch.

  4. d)

    Der Anspruch ist nicht anderweitig gerichtlich anhängig.

Vermögensrechtliche Ansprüche sind alle aus Vermögensrechten abgeleiteten bzw. auf vermögenswerte Leistungen gerichtete Ansprüche:

Beispiel:

Schadensersatz

Schmerzensgeld

Herausgabe

Bereicherung

Unterlassung

Widerruf

3. Verfahren

Gemäß § 404 Abs. 2 StPO hat die Antragstellung dieselben Wirkungen wie die Erhebung der Klage im bürgerlichen Rechtsstreit.

Trotz der Durchsetzung eines zivilrechtlichen Anspruchs bleibt es bei der Anwendung der strafprozessualen Grundsätze. Mit der Antragstellung wird der Anspruch rechtshängig.

Die Entscheidung über den Anspruch ist in der Hauptverhandlung zu treffen.

Die Rechtsfolgenverweisung des § 404 Abs. 2 StPO begründet auch ein Ablehnungsrecht des Adhäsionsklägers gegen den Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit. Über das Ablehnungsgesuch ist dann nach den für den Strafprozess geltenden Vorschriften der §§ 22 ff. StPO zu entscheiden (BVerfG 27.12.2006 - 2 BvR 958/06).

4. Besonderheiten

In den Verfahren vor den Amtsgerichten ist die Höhe des geltend gemachten Anspruchs unerheblich. In den Verfahren vor den Landgerichten besteht kein Anwaltszwang.

Bei Vorliegen der Voraussetzungen haben sowohl der Antragsteller als auch der Angeschuldigte/Angeklagte Anspruch auf die Gewährung von Prozesskostenhilfe. Zuständig ist das Strafgericht, die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

5. Entscheidungsmöglichkeiten des Gerichts

  • Das Gericht kann gemäß § 405 StPO von einer Entscheidung absehen.

  • Das Gericht kann dem Antrag gemäß § 406 StPO stattgeben.

Nicht möglich ist die Zurückweisung des Antrags. Hält das Strafgericht den Anspruch für unbegründet, muss es gemäß § 405 S. 1, 3. Alt. StPO von einer Entscheidung absehen.

6. Rechtskraftwirkung eines im Adhäsionsverfahren ergangenen rechtskräftigen Urteils

Gemäß nach § 406 Abs. 3 S. 3 StPO kann ein Anspruch nur anderweit geltend gemacht werden, soweit er im Adhäsionsverfahren nicht zuerkannt worden ist. In diesem Fall muss das Strafgericht von einer Entscheidung absehen.

Sofern der Kläger im Adhäsionsverfahren einen unbestimmten Antrag auf Verurteilung zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes gestellt hat und der Strafrichter hierüber uneingeschränkt entschieden hat, ist das Zivilgericht aufgrund der Rechtskraft des im Adhäsionsverfahren ergangenen Urteils an einer erneuten Beurteilung dieser Frage gehindert (BGH 20.01.2015 - VI ZR 27/14).

 Siehe auch 

Berufung

Hauptverhandlung

Prozesskostenhilfe

Revision

BGH 05.11.2009 - 3 StR 428/09 (Nachweis der Erbenstellung im Adhäsionsverfahren)

BGH 25.01.2000 - 4 StR 569/99 (Revisionsformvorschriften gelten auch für das Adhäsionsverfahren)

BGH 12.10.1999 - 1 StR 455/99 (Keine Anwendung der zivilrechtlichen Vorschriften über das Anerkenntnis im Adhäsionsprozess)

Effer-Uhe: Rechtsschutz im Adhäsionsverfahren und nach dessen Abschluss unter besonderer Berücksichtigung zivilprozessualer Rechtsbehelfe; Strafverteidiger - StV 2015, 510

Haller: Das "kränkelnde" Adhäsionsverfahren - Indikator struktureller Probleme der Strafjustiz; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2011, 970

Plümpe: Das Adhäsionsverfahren - gangbare Alternative zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen aus Wirtschafts- und Insolvenzstraftaten?; Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht - ZInsO 2002, 409

Stoffers/Möckel: Beteiligtenrechte im strafprozessualen Adhäsionsverfahren; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2013, 830