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Abberufung - Gesellschaftsrecht

 Normen 

§ 712 BGB

§ 117 HGB

§ 147 HGB

§ 84 Abs. 1 AktG

§ 103 Abs. 1 AktG

§ 38 GmbHG

 Information 

1. Einführung

Als Abberufung wird die Entziehung der vorherigen, durch eine Bestellung bzw. Einsetzung erreichten Position bezeichnet. Je nachdem, um welche Art von Position es sich handelt, unterscheidet man u.a. die Abberufung

  1. a)

    eines Gesellschafters einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts,

  2. b)

    eines Gesellschafters einer Offenen Handelsgesellschaft,

  3. c)

    eines Abwicklers,

  4. d)

    eines Vorstandsmitglieds oder -vorsitzenden einer Aktiengesellschaft,

  5. e)
  6. f)

2. Gesellschaft des bürgerlichen Rechts

Nach der Entscheidung BGH 11.02.2008 - II ZR 67/06 ist die Gesellschaft für bürgerliches Recht ein wichtiger Grund für die Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis nach § 712 BGB gegeben, wenn das Verhältnis der übrigen Gesellschafter zu dem Geschäftsführer nachhaltig zerstört ist und es den Gesellschaftern deshalb nicht zumutbar ist, dass der geschäftsführende Gesellschafter weiterhin auf die alle Gesellschafter betreffenden Belange der Gesellschaft Einfluss nehmen kann.

3. Die Abberufung eines Gesellschafters einer OHG

Gemäß § 117 HGB darf einem Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft die Befugnis zur Geschäftsführung nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes entzogen werden. Ein solcher Grund liegt insbesondere vor, wenn der Gesellschafter eine grobe Pflichtverletzung begangen hat oder ihm Unfähigkeit bei der ordnungsgemäßen Geschäftsführung vorgeworfen wird.

Der Antrag auf Abberufung wird von allen übrigen Gesellschaftern in Form einer Klage gestellt. Hält das Gericht das Vorliegen eines wichtigen Grundes für gegeben, entzieht es dem Gesellschafter die Geschäftsführungsbefugnis. Sobald das Urteil rechtskräftig wird, d.h. nicht mehr anfechtbar ist, ist die Position des betroffenen Gesellschafters diejenige eines von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschafters. Anstelle einer Klage kann mit einer einstweiligen Verfügung die Ausübung der Geschäftsführung zumindest vorläufig untersagt werden. Zu beachten ist, dass die Abberufung nicht mit der Entziehung der Vertretungsbefugnis verwechselt werden darf. Die Vertretungsmacht bleibt durch das Urteil unberührt.

4. Die Abberufung eines Abwicklers

Die Aufgabe eines Abwicklers besteht darin, die laufenden Geschäfte einer Gesellschaft zu beendigen, Forderungen einzuziehen, das sonstige Vermögen zu veräußern, die Gläubiger zu befriedigen und das Restvermögen zu verteilen. Er hat dabei die gleichen Rechte und Pflichten wie der Vorstand. Seine Vertretungsmacht ist unbeschränkt und unbeschränkbar.

Nach Auflösung der Gesellschaft wird der Abwickler durch einstimmigen Beschluss der Gesellschafter eventuell unter Mitwirkung des Privatgläubigers oder Insolvenzverwalters bzw. Erben eines Gesellschafters abberufen. Wird dem Abwickler bei der Erledigung seiner Geschäfte Nachlässigkeit in der Durchführung angelastet, kann die Abberufung auf Antrag nur einer der oben genannten Personen durch das Amtsgericht am Sitz des Abwicklungsgeschäfts gemäß § 147 HGB erfolgen.

5. Die Abberufung eines Vorstandsmitgliedes oder -vorsitzenden einer AG

Für die Abberufung der Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft vor Ablauf der Amtszeit, die gemäß § 84 Abs. 1 AktG höchstens fünf Jahre beträgt, ist ausschließlich der Aufsichtsrat zuständig.

Um die Unabhängigkeit des Vorstands zu stärken, ist eine vorzeitige Abberufung nur aus einem wichtigen Grund zulässig, z.B. wegen grober Pflichtverletzung oder wegen Unfähigkeit zu ordnungsgemäßer Geschäftsführung. Auch ein Misstrauensvotum der Hauptversammlung ist ein wichtiger Grund, soweit ein sachlicher Grund vorliegt.

6. Die Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds einer AG

Die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft kann die von ihr gewählten Aufsichtsratsmitglieder jederzeit abberufen, doch bedarf der Beschluss einer Dreiviertelmehrheit, wenn die Satzung nicht etwas anderes bestimmt (§ 103 Abs. 1 AktG). Wird die Abberufung aus einem wichtigen Grund ausgesprochen, geschieht das auf Antrag des Aufsichtsrats durch gerichtliche Entscheidung.

7. Die Abberufung eines Geschäftsführers einer GmbH

7.1 Allgemein

Die Abberufung (Widerruf der Bestellung) des Geschäftsführers kann in nicht mitbestimmungspflichtigen Betrieben jederzeit und ohne Grund erfolgen (§ 38 GmbHG). Der Geschäftsführer- / Anstellungsvertrag endet jedoch nicht automatisch auch mit der Abberufung. Die Vertragsparteien können jedoch vereinbaren, dass die Abberufung das Vorliegen eines wichtigen Grundes voraussetzt. In mitbestimmungspflichtigen Betrieben erfordert die Abberufung immer das Vorliegen eines wichtigen Grundes.

Nach dem Urteil BGH 11.10.2010 - II ZR 266/08 hat "der Geschäftsführer einer GmbH nach Widerruf seiner Bestellung bei fortbestehendem Anstellungsverhältnis grundsätzlich keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung in einer seiner früheren Tätigkeit vergleichbaren leitenden Funktion. Etwas anderes kann gelten, wenn sich dem Anstellungsvertrag eine dahin gehende Vereinbarung entnehmen lässt."

Die Vereinbarung einer Abfindung für den Fall der Kündigung des Geschäftsführeranstellungsvertrages aus wichtigem Grund stellt eine unzulässige Einschränkung des außerordentlichen Kündigungsrechts dar. Sie ist wegen Verstoßes gegen § 134 BGB nichtig (BGH 17.03.2008 - II ZR 239/06, BGH 03.07.2000 - II ZR 282/98).

7.2 Vorheriges Arbeitsverhältnis

Hiervon abzugrenzen ist die Frage, ob ein ggf. zuvor bestandenes früheres Arbeitsverhältnis des Geschäftsführers während der Zeit der Geschäftsführer-Tätigkeit ruhend weiter besteht und mit der Abberufung wiederauflebt. Hintergrund ist, dass bei der Bestellung des Geschäftsführers aus den Kreisen der Arbeitnehmer der Gesellschaft oftmals zwar ein schriftlicher Geschäftsführervertrag abgeschlossen wird, nicht jedoch das bisherige Arbeitsverhältnis durch einen Aufhebungsvertrag etc. ausdrücklich beendet wird.

Bei der Beantwortung der Frage ist zu beachten, dass seit dem 01.05.2000 gemäß § 623 BGB die Kündigung sowie die Aufhebung eines Arbeitsvertrages nur durch eine ausdrückliche schriftliche Regelung erfolgen können. Daher ist wie folgt zu unterscheiden:

  1. a)

    Der Geschäftsführer-Anstellungsvertrag wurde bis zum 30.04.2000 abgeschlossen:

    Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wird durch den Abschluss des Geschäftsführervertrages das bisherige Arbeitsverhältnis konkludent aufgehoben (BAG 05.06.2008 - 2 AZR 754/06, BAG 14.06.2006 - 5 AZR 592/05 und BAG 24.11.2005 - 2 AZR 614/04).

  2. b)

    Der Geschäftsführer-Anstellungsvertrag wurde nach dem 30.04.2000 abgeschlossen:

    Schließt ein Arbeitnehmer mit seinem Arbeitgeber einen schriftlichen Geschäftsführerdienstvertrag, wird vermutet, dass hierdurch zugleich das bisherige Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Beginns des Geschäftsführerdienstverhältnisses aufgelöst wird, soweit nicht klar und eindeutig etwas anderes vertraglich vereinbart worden ist. Durch den schriftlichen Geschäftsführerdienstvertrag wird in diesen Fällen das Schriftformerfordernis des § 623 BGB für den Auflösungsvertrag gewahrt (BAG 03.02.2009 - 5 AZB 100/08, BAG 19.07.2007 - 6 AZR 774/06).

Nach dem Urteil BGH 11.10.2010 - II ZR 266/08 hat "der Geschäftsführer einer GmbH nach Widerruf seiner Bestellung bei fortbestehendem Anstellungsverhältnis grundsätzlich keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung in einer seiner früheren Tätigkeit vergleichbaren leitenden Funktion. Etwas anderes kann gelten, wenn sich dem Anstellungsvertrag eine dahin gehende Vereinbarung entnehmen lässt."

Behauptet der gekündigte Geschäftsführer das Weiterbestehen seines vorherigen Arbeitsvertrages, so ist er hierfür beweispflichtig (BAG 25.10.2007 - 6 AZR 1045/06).

 Siehe auch 

Genossenschaft

Geschäftsführer

Gesellschaft des bürgerlichen Rechts

Gesellschaft mit beschränkter Haftung

GmbH-Geschäftsführer

Offene Handelsgesellschaft

Partnerschaftsgesellschaft

OLG München 16.03.2011 - 31 Wx 64/11 (Selbst-Abberufung des einzigen GmbH-Geschäftsführers rechtsmissbräuchlich)

OLG Karlsruhe 22.03.2002 - 14 U 46/01 (Abberufung kein Kündigungsgrund für das Dienstverhältnis)

BGH 27.10.1986 - II ZR 240/85

Bross: Vertragshandbuch GmbH-Geschäftsführer; 1. Auflage 2013

Heckschen/Heidinger: Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis; 3. Auflage 2014

Schnurbein/Frhr. v. Neufeld: Die fristlose Abberufung und Kündigung eines Geschäftsführers mit Minderheitsbeteiligung; Betriebs-Berater - BB 2011, 585

Stadler/Bremer: Die gerichtliche Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern im dreiköpfigen Aufsichtsrat - ein bisher ungelöstes Problem; Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht - NZG 2003, 49