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§ 44 PolG
Polizeigesetz (PolG)
Landesrecht Baden-Württemberg

ZWEITER ABSCHNITT – Maßnahmen der Polizei → DRITTER UNTERABSCHNITT – Einzelmaßnahmen

Titel: Polizeigesetz (PolG)
Normgeber: Baden-Württemberg
Amtliche Abkürzung: PolG
Gliederungs-Nr.: 2050
Normtyp: Gesetz

§ 44 PolG – Offener Einsatz technischer Mittel zur Bild- und Tonaufzeichnung

(1) Der Polizeivollzugsdienst kann bei oder im Zusammenhang mit öffentlichen Veranstaltungen und Ansammlungen, die ein besonderes Gefährdungsrisiko aufweisen, Bild- und Tonaufzeichnungen von Personen zur Erkennung und Abwehr von Gefahren anfertigen. Veranstaltungen und Ansammlungen weisen ein besonderes Gefährdungsrisiko auf, wenn

  1. 1.

    aufgrund einer aktuellen Gefährdungsanalyse anzunehmen ist, dass Veranstaltungen und Ansammlungen vergleichbarer Art und Größe von terroristischen Anschlägen bedroht sind, oder

  2. 2.

    aufgrund der Art und Größe der Veranstaltungen und Ansammlungen erfahrungsgemäß erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit entstehen können.

(2) Der Polizeivollzugsdienst kann in den in § 27 Absatz 1 Nummer 4 genannten Objekten oder in deren unmittelbarer Nähe Bild- und Tonaufzeichnungen von Personen anfertigen, soweit Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass an oder in Objekten dieser Art Straftaten begangen werden sollen, durch die Personen, diese Objekte oder darin befindliche Sachen gefährdet sind.

(3) Der Polizeivollzugsdienst oder die Ortspolizeibehörden können an öffentlich zugänglichen Orten Bild- und Tonaufzeichnungen von Personen anfertigen, wenn sich die Kriminalitätsbelastung dort von der des übrigen Gemeindegebiets deutlich abhebt und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dort auch künftig mit der Begehung von Straftaten zu rechnen ist.

(4) Der Polizeivollzugsdienst kann die nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 sowie Absatz 2 und 3 angefertigten Bildaufzeichnungen auch automatisch auswerten. Die automatische Auswertung darf nur auf das Erkennen solcher Verhaltensmuster ausgerichtet sein, die auf die Begehung einer Straftat hindeuten.

(5) Der Polizeivollzugsdienst kann bei der Durchführung von Maßnahmen zur Gefahrenabwehr oder zur Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten zur Abwehr einer Gefahr Daten durch Anfertigen von Bild- und Tonaufzeichnungen mittels körpernah getragener Aufnahmegeräte erheben. In Wohnungen ist eine Maßnahme nach Satz 1 nur zur Abwehr einer dringenden Gefahr für Leib oder Leben einer Person zulässig. Satz 2 gilt nicht für Arbeits-, Betriebs- oder Geschäftsräume. Die Erhebung personenbezogener Daten kann auch dann erfolgen, wenn Dritte unvermeidbar betroffen sind.

(6) Die weitere Verarbeitung einer Aufzeichnung nach Absatz 5 Satz 2 sowie Absatz 8 Satz 2 bedarf der richterlichen Zustimmung. Dies gilt nicht für Aufzeichnungen in Arbeits- Betriebs- oder Geschäftsräumen.

(7) Eine Aufzeichnung personenbezogener Daten nach Absatz 5 Satz 2, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, ist unzulässig. Die Aufzeichnung ist unverzüglich zu unterbrechen, soweit sich während der Maßnahme tatsächliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Inhalte, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, erfasst werden. Aufzeichnungen hierüber sind unverzüglich zu löschen. Die Aufzeichnung darf nur fortgesetzt werden, wenn sie nicht nach Satz 1 unzulässig ist. Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung dürfen nicht verwertet werden.

(8) Die Speicherung der nach Absatz 5 Satz 1 erlangten Daten für eine Dauer von mehr als 60 Sekunden ist nur zulässig, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dies zum Schutz von Polizeibeamten oder anderen Personen gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist. Gleiches gilt für die Speicherung der nach Absatz 5 Satz 2 erlangten Daten, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dies zum Schutz von Polizeibeamten oder anderen Personen gegen eine dringende Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist. Satz 2 gilt nicht für Arbeits-, Betriebs- oder Geschäftsräume. Die Datenerhebung nach den Absätzen 1 bis 4 und 9 bleibt unberührt.

(9) Der Polizeivollzugsdienst kann in Gewahrsam genommene Personen offen mittels Bildübertragung beobachten, soweit dies zu ihrem oder zum Schutz des zur Durchführung des Gewahrsams eingesetzten Personals oder zur Verhütung von Straftaten in polizeilich genutzten Räumen erforderlich ist.

(10) Auf die Beobachtung mittels Bildübertragung und die Bild- und Tonaufzeichnung sowie die automatisierte Auswertung ist, sofern diese nicht offenkundig ist, in geeigneter Weise hinzuweisen. Bild- und Tonaufzeichnungen sind unverzüglich, spätestens jedoch nach vier Wochen zu löschen, soweit sie im Einzelfall nicht zur Verfolgung von Straftaten oder von Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung, zur Geltendmachung von öffentlich-rechtlichen Ansprüchen oder nach Maßgabe des § 2 Absatz 2 zum Schutz privater Rechte, insbesondere zur Behebung einer bestehenden Beweisnot, erforderlich sind. Die weitere Verarbeitung darf auch erfolgen, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden. Die Bedeutung einer Ordnungswidrigkeit ist erheblich, wenn nach den Umständen des Einzelfalls ein Schaden für ein wichtiges Rechtsgut oder für andere Rechtsgüter in erheblichem Umfang droht oder wenn die betreffende Vorschrift ein sonstiges wichtiges Interesse der Allgemeinheit schützt.

(11) Für die erhobenen Daten nach Absatz 5 gilt Absatz 10 mit der Maßgabe, dass diese spätestens nach 60 Sekunden automatisch zu löschen sind und jede über das Erheben hinausgehende Verarbeitung ausgeschlossen ist, sofern nicht zuvor die Voraussetzungen des Absatzes 8 vorliegen.