Jedes Jahr werden in Deutschland etwa 400 Milliarden Euro vererbt – dennoch sind viele Regelungen rund um das Erbe lückenhaft, fehlerbehaftet oder gar nicht vorhanden. Rechtsanwalt István Cocron von der Kanzlei Rechtsanwalt Cocron GmbH & Co. KG mit Standorten in Berlin und München kennt aus dem Kanzleialltag die typischen Missverständnisse rund um das Thema Nachlass. Hier erfahren Sie, welche Denkfehler besonders häufig vorkommen – und wie man sie vermeidet.
1. „Der Ehepartner bekommt automatisch alles“
Ein häufiges Missverständnis. Stirbt ein Ehegatte ohne Testament, erhält der überlebende Partner nicht das gesamte Vermögen. Leben noch Eltern, Geschwister oder Großeltern, gehören auch sie zur Erbengemeinschaft. Die Folge: Konfliktpotenzial. Selbst Paare ohne Kinder sind betroffen – Geschwister des Verstorbenen können Ansprüche auf das Haus geltend machen.
Tipp vom Anwalt: Ein gemeinsames Testament bietet rechtliche Sicherheit. Nur so lässt sich verhindern, dass Außenstehende mitentscheiden – sei es bei Geldfragen oder beim Wohneigentum.
2. „Ein Berliner Testament lässt sich jederzeit ändern“
Nicht korrekt: Nach dem Tod eines Ehegatten ist eine Änderung meist ausgeschlossen. Das Berliner Testament bindet den überlebenden Ehepartner – spätere Änderungen sind in der Regel unzulässig, selbst wenn sich familiäre Umstände gewandelt haben.
Wichtig: Bereits beim Erstellen sollten sogenannte Änderungsvorbehalte berücksichtigt werden, um Flexibilität zu bewahren.
3. „Kinder kann man nach Belieben enterben“
Man kann Kinder im Testament zwar ausschließen, dennoch bleibt ihr Pflichtteilsrecht bestehen. Selbst bei zerrüttetem Verhältnis haben sie Anspruch auf die Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils – in bar.
Eine komplette Enterbung gelingt nur in Extremfällen, etwa wenn Kinder schwere Straftaten gegen die Eltern verübt haben.
4. „Pflegekräfte dürfen nicht bedacht werden“
Das stimmt nicht. Wer seiner Pflegeperson oder langjährigen Haushaltshilfe etwas hinterlassen möchte, kann dies im Testament wirksam festhalten – auch in größerem Umfang.
Nur Beschäftigte in Pflegeheimen dürfen laut Heimrecht nicht als Erben eingesetzt werden.
5. „Ein Computerausdruck reicht als Testament“
Ein gefährlicher Trugschluss. Ein Testament muss vollständig handschriftlich verfasst und eigenhändig unterschrieben sein. Getippte Dokumente sind juristisch nicht gültig – auch wenn sie gut formuliert sind.
Hinweis von RA Cocron: Auch angehängte Listen oder gedruckte Zusätze können problematisch sein. Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte juristischen Rat einholen.
6. „Das Finanzamt kassiert sowieso alles“
Nicht unbedingt. Für enge Verwandte gelten großzügige Freibeträge:
- Ehepartner: 500.000 €
- Kinder: je Elternteil 400.000 €
- Enkelkinder: 200.000 €
Anders ist es bei entfernteren Angehörigen oder Freunden – hier liegt der Freibetrag nur bei 20.000 €, sodass schnell Erbschaftssteuer anfällt. Ohne clevere Planung kann das teuer werden.
7. „Ich nehme nur das Vermögen, nicht die Schulden“
Ein folgenschwerer Irrtum. Wer ein Erbe annimmt, übernimmt automatisch auch alle Schulden. Eine selektive Übernahme ist gesetzlich nicht möglich.
Deshalb: Im Zweifelsfall sollte man sich innerhalb von sechs Wochen nach Kenntnis des Erbfalls entscheiden. Wer nicht rechtzeitig ausschlägt, kann auf Schulden sitzen bleiben.
8. Bei einem Vermächtnis über das Bankguthaben hat der Begünstige einen direkten Anspruch gegen die Bank auf Auszahlung des Guthabens
Nein: Wer in einem Testament mit einem Vermächtnis bedacht ist, das einem das Bankguthaben des Erblassers "überträgt", so hat man dadurch noch keinen direkten Anspruch gegen die Bank auf Übertragung des Kontos, oder Auszahlung der dort befindlichen Guthaben. Der Vermächtnisnehmer muss sich in zunächst an den Erben wenden, damit ihm dieser das Bankguthaben entsprechend dem Willen des Erbalssers überträgt. Ein direkter Anspruch des Vermächtnisnehmers gegenüber der Bank auf Auszahlung des Guthabens betseht insoweit nicht.
Fazit: Besser vorbeugen als später kämpfen
Das Erbrecht ist komplex und voller rechtlicher Fallstricke. Wer sicherstellen will, dass sein Wille respektiert wird, sollte rechtzeitig juristische Unterstützung suchen. Auch Erben profitieren davon, ihre Rechte und Möglichkeiten zu kennen.
📍 Rechtsanwalt István Cocron und das Team der Kanzlei Cocron GmbH & Co. KG beraten und vertreten Sie kompetent in Berlin und München.