Großgläubiger kann bei Interessenkollision das Stimmrecht in Gläubigerversammlung entzogen werden

27.08.2013 820 Mal gelesen Veröffentlicht von anwalt24
Ist ein Gläubiger wegen Interessenkollision befangen, kommt, so das Amtsgericht Göttingen, ein Stimmrechtsausschluss wegen Befangenheit in Betracht. Eine Befangenheit liegt vor, wenn ein Gläubiger den Insolvenzverwalter ein für die Masse günstiges Erwerbsgeschäft zurück abwickeln lassen will.

Am 22. November 2007 beantragte ein Sozialversicherungsträger die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Schuldners wegen rückständiger Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von mehr als 12.000 €.

Am 10. Dezember 2007 wurde ein vorläufiger "schwacher" Insolvenzverwalter bestellt.

Am 18. September 2008 beantragte das Finanzamt Göttingen gleichfalls die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen rückständiger Abgabenforderungen in Höhe von 181.000 €.

Das Insolvenzgericht Göttingen eröffnete sodann am 6. Mai 2009, beide Verfahren verbindend, das Insolvenzverfahren.

Zuvor hatte der Schuldner ein Grundstück durch Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts Hannoversch Münden vom 24. Februar 2009 ersteigert. Dieses selbige Grundstück hat der Schuldner an eine Vermögensverwaltungsgesellschaft verkauft, an der er beteiligt ist. Mit Beschluss des Insolvenzgerichtes vom 13. Mai 2009 ist hinsichtlich dieses Grundstücks ein Insolvenzvermerk eingetragen worden, gleichzeitig zahlte der Insolvenzverwalter für den Schuldner die Grunderwerbssteuer. Mit dieser Zahlung beabsichtigte der Insolvenzverwalter, den Vermögensgegenstand für die Gläubigergemeinschaft zu sichern, denn das Grundstück war für 5.000 € ersteigert worden, der Verkehrswert bemisst sich auf 43.000 €.

In einer Gläubigerversammlung vom 22. Juli 2009 wurde beschlossen, den im Zwangsversteigerungsverfahren vor dem Amtsgericht Hannoversch Münden ergangenen Zuschlagsbeschluss rückgängig zu machen und durch Rechtsmittel eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu erlangen.

Dieser Beschluss wurde mit dem Stimmrecht des Finanzamtes Göttingen in Höhe von 242.408,99 € gegen einen weiteren Gläubiger mit Stimmrecht in Höhe von 498,46 € gefasst.

Diese Stimmrechte hatte die Rechtspflegerin festgesetzt und einen Ausschluss des Stimmrechts des Finanzamtes Göttingen abgelehnt.

Gegen diese Stimmrechtsentscheidung haben sowohl der Insolvenzverwalter als auch der Schuldner Rechtsmittel eingelegt.

Die Rechtspflegerin hat daraufhin festgestellt, dass sich die Stimmrechtsfestsetzung auf das Ergebnis der zuvor genannten Abstimmung auswirkt, allerdings den Rechtsmitteln nicht abgeholfen.

Der Insolvenzrichter ordnete an, dass die Abstimmung zu wiederholen sei und das Finanzamt hierzu nicht stimmberechtigt sei.

Grundsätzlich bestehe gegen die Stimmrechtsentscheidung mangels gesetzlicher Regelung keine ausdrückliche Beschwerdemöglichkeit, jedoch können sowohl der Insolvenzverwalter als auch anwesende, stimmberechtigte Gläubiger beantragen, dass das Gericht seine Entscheidung ändert. Hat der Rechtspfleger die Stimmrechtsentscheidung getroffen und hat sich diese Entscheidung auf das Ergebnis der Abstimmung ausgewirkt, besteht die Möglichkeit einer Überprüfung durch den Insolvenzrichter. Voraussetzung hierfür ist zunächst ein Antrag eines Gläubigers oder des Insolvenzverwalters bis zum Ende der Gläubigerversammlung.

Das vom Insolvenzverwalter in diesem Sinne eingelegte Rechtsmittel ist zulässig und hat auch Erfolg, denn hier liegen entgegen der Ansicht der Rechtspflegerin die Voraussetzungen für einen Stimmrechtsentzug wegen Befangenheit der Mehrheitsgläubigerin vor.

Generell wird ein Gläubiger auszuschließen sein, wenn eine Interessenkollision erkennbar ist. Hierunter fallen auch Fälle, in denen ansonsten teilnahmeberechtigte Gläubiger nicht mit stimmen dürfen, weil die Gefahr besteht, dass sie aufgrund des Abstimmungsergebnisses einen Sondervorteil erhalten. So liege der Fall hier.

Der auf Antrag der Mehrheitsgläubigerin gefasste Beschluss, den Zuschlag im Versteigerungstermin rückabzuwickeln, widerspricht den Gläubigerinteressen, denn der Insolvenzverwalter hat festgestellt, dass das vom Schuldner ersteigerte Grundstück unter Verkehrswert ersteigert worden ist, so dass die Zahlung der Grundsteuer durch den Insolvenzverwalter zur Erfüllung dieses Übertragungsvorgangs sinnvoll und zum Wohle der Gläubigergemeinschaft geboten erscheint. Die Gläubigergemeinschaft gewinne dadurch als Insolvenzmasse eine über den gezahlten Betrag von 5.000 € hinausgehende Masse, die der Durchführung des Insolvenzverfahrens und der Befriedigung der Gläubiger dient.

Wenn das Finanzamt als Großgläubiger diesen Massegegenstand wieder rückabwickeln lassen will, verfolge es insolvenzfremde Interessen, die damit erklärt werden können, dass offenkundig aus der gewünschten Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand hinsichtlich des Zwangsversteigerungsverfahrens vor dem Amtsgericht Hannoversch Münden dem Finanzamt als dortigem Gläubiger Vorteile erwachsen sollen.

Damit sei im vorliegenden Fall eine Interessenkollision zwischen den Interessen des Finanzamtes, und der Gläubigergemeinschaft erkennbar, so dass das Finanzamt bei der Stimmrechtsfeststellung für die Frage der Beschlussfassung auszuschließen war.

(Quelle: Amtsgericht Göttingen, Beschluss vom 28.07.2009; 71 IN 151/07)

 

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