Im System der betrieblichen Altersversorgung ist ein Eingriff in die von der Dienstzeit abhängige Steigerungsrate nicht zulässig

18.06.2013 259 Mal gelesen Autor: Ralph Sauer
Der Arbeitgeber hat nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg nachvollziehbar zu belegen, dass eine Betriebsvereinbarung, die in die Betriebliche Altersversorgung eingreift, durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist.

Seit November 1984 arbeitet ein Mitarbeiter bei einer Elektrizitätsversorgungs-AG. Dort bestand zur Betrieblichen Altersversorgung eine Betriebsvereinbarung, die BV 1997. Mit Schreiben vom 14.01.1994 wurde dem Mitarbeiter die Unverfallbarkeit der Betriebsrentenansprüche nach der BV 1997 bescheinigt.

Durch eine Ausgliederung im Jahr 2002  ging das Arbeitsverhältnis des Mitarbeiters auf die N. Kraftwerke AG & Co KG über und im Jahre 2003 durch eine weitere Umstrukturierungen des Konzerns auf seinen jetzigen Arbeitgeber. Hier kam es im Jahre 2004 zu einer neuen Betriebsvereinbarung über die betriebliche Altersversorgung, die BV 2004.

Im Jahr 2004 wurde unserem Mitarbeiter von seinem Arbeitgeber mitgeteilt, dass sich sein Betriebsrentenanspruch ab 1. Januar 2005 aus der BV 2004 ergebe. Mit weiterem Schreiben vom 19. April 2011 teilte der Arbeitgeber dem Mitarbeiter auf Grundlage der BV 2004 den Stand seiner betrieblichen Altersversorgung und die voraussichtliche Höhe der monatlichen Betriebsrentenzahlung mit.

Die nach der BV 2004 vorgenommene Berechnung der zukünftigen Altersversorgung bewirkt, dass der bis zum 31.12.2004 erwirtschaftete Teilwert erhalten bleibt und durch die daraus resultierende Bestimmung des individuellen Versorgungsprozentsatzes unmittelbar in die Höhe des späteren Ruhegeldes einfließt. Die mit der BV 2004 vorgenommene Abkoppelung der Betriebsrentenansprüche von der Entwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung stelle einen Eingriff in eine zeitanteilig erdiente dienstzeitunabhängige Dynamik dar. Ein solcher Eingriff sei nur aus hier nicht vorliegenden triftigen Gründen möglich.

Er beantragt daher vor Gericht, dass sein Arbeitgeber bei der Berechnung seiner künftigen Altersversorgung die BV 1997  zugrunde legen möge.

Der Arbeitgeber meint, die Anpassung der betrieblichen Regelungen zur Altersversorgung zu Recht vorgenommen zu haben. Es handle sich hierbei um eine zulässige Abkoppelung der betrieblichen Altersversorgung von der Entwicklung der gesetzlichen Sozialversicherung unter Aufrechterhaltung des individuell erdienten Besitzstandes und Gewährleistung der in der Altersversorgung angelegten Dynamik. Der dynamische Mindestbesitzstand werde ja hierdurch nicht angetastet.

Die BV 2004 greife nicht in eine erdiente dienstzeitunabhängige Dynamik, sondern nur in die noch nicht erdiente Zuwachsrate in Form der dienstzeitabhängigen Steigerungsrate ein. Der Eingriff in die noch nicht erdiente Zuwachsrate sei jedoch sachlich gerechtfertigt.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht sahen dies nicht so und gaben unserem Mitarbeiter Recht.

Betriebspartner können eine Angelegenheit, die sie durch eine Betriebsvereinbarung geregelt haben, mit Wirkung für die Zukunft in einer neuen Betriebsvereinbarung regeln. Diese trete dann an die Stelle der bisherigen, auch wenn sie für die Arbeitnehmer ungünstiger sei. Ein Eingriff in die auf der Grundlage der früheren Betriebsvereinbarung bereits begründeten Ansprüche sei jedoch nur gemessen an den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes gerechtfertigt.

Die Neuregelung der BV 2004 nehme im Vergleich zur zeitlich vorangehenden BV 1997 einen Eingriff in noch nicht erdiente Zuwachsraten in Form der dienstzeitabhängigen Steigerungsbeträge vor, denn aufgrund der Regelung in der BV 2004 werden Dienstzeiten nach dem 31. Dezember 2004 nicht mehr, wie noch in der BV 1997 vorgesehen, berücksichtigt.

Der Eingriff in die dienstzeitabhängige Steigerungsrate durch die Betriebsvereinbarung 2004 sei jedoch nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Ein Absinken des Rentenniveaus vermindere die Anrechnungsfälle und wirke sich als Verteuerung der betrieblichen Altersversorgung aus. daraus folge jedoch nicht, dass dies durch Leistungskürzungen ausgeglichen werden dürfe.

Der Arbeitgeber habe alle Umstände darzulegen, die belegen, dass ein unzulässiger Eingriff in das System der betrieblichen Altersversorgung nicht erfolgt ist. Anhand des Sachvortrags des Arbeitgebers muss für das überprüfende Gericht nachvollziehbar sein, inwieweit der konkrete Anlass es rechtfertigt, die konkret vorgenommene Maßnahme im System der bertrieblichen Altersversorgung durchzuführen und inwiefern sich diese Maßnahme - in einem angemessenen Verhältnis - in ein auf die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage ausgerichtetes Gesamtkonzept einpasst.

Dies hat der Arbeitgeber vorliegende nicht getan. Die Neureglung in der Betriebsvereinbarung 2004 ist somit unzulässig.

 

(Quelle:  Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 27.02.2013; 20 Sa 81/11

Vorinstanz: Arbeitsgericht Stuttgart, Urteil vom 06.10.2011; 17 Ca 6588/11)

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