Aufhebungs- und Abwicklungsverträge- Die Risiken für den Arbeitnehmer

24.03.2009 4008 Mal gelesen Autor: Sonja Reiff
Die Risiken bei dem Abschluss eines Aufhebungs-bzw. Abwicklungsvertrages, insbesondere im Hinblick auf eine von der Arbeitsagentur verhängten Sperrfrist, die zum Ruhen des Arbeitslosengeldbezuges führt.

Entschließt sich der Arbeitgeber zur Kündigung eines Arbeitnehmers, so bietet er diesem zur Verhinderung eines Arbeitsgerichtsprozesses häufig den Abschluss eines Abwicklungsvertrages an.

Unter diesem versteht man die nach Ausspruch einer Kündigung des Arbeitgebers getroffene vertragliche Vereinbarung, in der sich der Arbeitnehmer verpflichtet, die Kündigung unter Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage zu akzeptieren. Im Gegenzug bietet der Arbeitgeber in vielen Fällen für den Verlust des Arbeitsplatzes die Zahlung einer Abfindung an.
Vereinbaren die Parteien jedoch vertragliche eine Beendigung, ohne dass eine Kündigung vorausgegangen ist, handelt es sich um einen Aufhebungsvertrag.

Der Abschluss eines Aufhebungs- und Abwicklungsvertrages hat jedoch oft schwerwiegende Konsequenzen für den Arbeitnehmer und sollte daher gut überlegt sein.

Nach der mittlerweile überholten Rechtssprechung des Bundessozialgerichts aus dem Jahr 2003 (Urteil vom 18.12.2003, Az. B 11 AL 35/03 R) hat eine derartige Beendigung des Arbeitsverhältnisses regelmäßig eine Sperrzeit von 12 Wochen bei der Auszahlung des Arbeitslosengeldes ausgelöst.

Die neuere Rechtssprechung (Urteil des Bundessozialgerichts vom 12.07.2006, Az. B 11 a AL 47/05R) geht zwar weiterhin davon aus, dass der Arbeitnehmer auch beim Abschluss einer Abwicklungsvereinbarung aktiv das Beschäftigungsverhältnis löst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeiführt. In diesem Fall sind die Voraussetzungen des § 144 I SGB III erfüllt und die Sperrfrist für die Auszahlung des Arbeitslosengeldes tritt ein.
Wird eine Sperrfrist angeordnet, führt diese nicht nur zum Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld für 12 Wochen; sie führt vielmehr ebenfalls zu einer Verkürzung des Arbeitslosengeldanspruchs um mindestens ein Viertel der Anspruchsdauer.

Das Bundessozialgericht hat jedoch in der Entscheidung vom 12.07.2006 ebenfalls dargelegt, dass eine Sperrzeit und somit das Ruhen des Arbeitslosengeldes nicht eintritt, wenn der Arbeitnehmer für die Aufgabe des Arbeitsplatzes einen wichtigen Grund hat.
Einen solchen hat das Bundessozialgericht angenommen, wenn dem Arbeitnehmer obendrein eine sozial gerechtfertigte, betriebsbedingte Kündigung gegenüber ausgesprochen worden wäre, gegen die er sich arbeitsrechtlich nicht hätte wehren können.

Das Bundessozialgericht hat in seiner Entscheidung ebenfalls angedeutet, dass für Sachverhalte nach dem 01.01.2004 eine Sperrzeit auch ohne Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Kündigung eventuell dann nicht anfallen könnte, wenn die Abfindungshöhe des zu diesem Zeitpunkt neu eingeführten § 1 a II Kündigungsschutzgesetz nicht überschritten wird (0,5 Monatsverdienste x Beschäftigungsdauer). Abschließend wurde diese Frage von dem obersten Sozialgericht jedoch noch nicht entschieden.

Allerdings hat die Bundesagentur für Arbeit aufgrund dieses Urteils im Dezember 2007 ihre Durchführungsanweisung an die einzelnen Arbeitsagenturen geändert.
Nach der aktuellen Durchführungsanweisung überprüft die Arbeitsagentur, ob ein wichtiger Grund für den Abschluss des Abwicklungsvertrages vorliegt. Ein solcher ist gegeben, wenn eine Abfindung von 0,25 bis zu 0,5 des Monatsentgelts pro Beschäftigungsjahr gezahlt wird, der Arbeitsgeber betriebsbedingt unter Einhaltung der Kündigungsfrist zum selben Zeitpunkt gekündigt hätte, die Kündigungsfrist eingehalten worden wäre und der Arbeitnehmer nicht unkündbar war.

Liegen diese Voraussetzung vor, so überprüft die Arbeitsagentur nicht weiter die Rechtmäßigkeit der hypothetischen Kündigung und ordnet auch keine Sperrzeit an.

Wird aber beispielsweise eine Abfindung von dem Arbeitsgeber gezahlt, die außerhalb von 0,25 bis 0,5 Bruttomonatsgehälter pro Beschäftigungsjahr liegt, dann sind nach der Durchführungsanweisung die Arbeitsagenturen weiterhin gehalten, die Rechtmäßigkeit der hypothetischen Kündigung zu überprüfen.

Kommt in diesem Fall die Arbeitsagentur zu dem Ergebnis, dass die hypothetische, betriebsbedingte Kündigung nicht rechtmäßig wäre, so wird die Agentur das Ruhen des Arbeitslosengeldes I und somit eine Sperrzeit anordnen.

Der Arbeitnehmer sollte vor Abschluss eines Abwicklungsvertrages daher immer überprüfen, ob die Voraussetzungen der Durchführungsanweisung der Arbeitsagentur erfüllt sind und damit ein wichtiger Grund zur Aufgabe des Arbeitsverhältnisses vorliegt. In Zweifelsfällen sollte lieber anwaltliche Hilfe hinzugezogen werden.

Droht tatsächlich eine Sperrzeit, so hat der Arbeitnehmer lediglich die Möglichkeit, die drohenden finanziellen Nachteile in die Verhandlung mit dem Arbeitgeber über die Höhe seiner Abfindung einzubeziehen.
Da mittlerweile die Abfindung ohne Freibeträge vollständig versteuert werden muss und die Sperrzeit auch zu einer Verkürzung der Anspruchsdauer führt, müsste der Arbeitgeber die Abfindung allerdings erheblich anheben, um den finanziellen Nachteil durch die Sperrzeitanordnung aufzufangen.
In den meisten Fällen wird daher der Arbeitgeber nicht zur Zahlung einer entsprechend höheren Abfindung bereit sein.

Eine sichere Lösung ist allerdings bisher noch, die Kündigung abzuwarten und diese mit anwaltlicher Hilfe im Wege einer Kündigungsschutzklage anzugreifen.

Zwar hat das Bundessozialgericht am 17.10.2007, Az. B 11a AL 51/06 R entschieden, dass eine Sperrfrist auch durch einen gerichtlichen Vergleich ausgelöst werden kann, wenn es sich um eine offensichtlich rechtswidrige Kündigung handelt oder wenn ein einvernehmlicher Vergleich über eine vom Arbeitnehmer initiierte Kündigung durch den Arbeitgeber zur Umgehung der Sperrfrist geschlossen wird.

Allerdings ist in den Durchführungsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit immer noch geregelt, dass bei dem Abschluss eines Abwicklungsvertrages in Form eines gerichtlichen Vergleiches vor dem Arbeitsgericht eine Sperrfrist nicht anfällt.

Eine weitere mögliche Fehlerquelle bei dem Abschluss von Abwicklungsverträgen sind darin enthaltene Freistellungsvereinbarungen.

Ist nämlich davon auszugehen, dass die Agentur für Arbeit eine 12-wöchige Sperrfrist nach § 144 III SGB III verhängen wird, sollte der Arbeitnehmer bei einer Freistellungsvereinbarung darauf achten, dass eine unwiderrufliche Freistellung vereinbart wird.

Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 25.04.2002, Az. B 11 AL 100/01 R beginnt die Sperrfrist nämlich bereits mit dem tatsächlichen Ende der Beschäftigungszeit zu laufen. Bei einer unwiderruflichen Freistellung endet jedoch auch das Beschäftigungsverhältnis mit Freistellungsbeginn, so dass ab diesem Zeitpunkt auch die Sperrfrist zu laufen beginnt. Hat der Arbeitnehmer somit eine längere Kündigungsfrist und wird zudem länger als 12 Wochen unwiderruflich freigestellt, so ist die Sperrfrist bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits abgelaufen. Der Arbeitnehmer hätte in diesem Fall direkt im Anschluss an den im Abwicklungsvertrag vereinbarten Beendigungszeitpunkt Anspruch auf Arbeitslosengeld. Allerdings bleibt die Verkürzung des Arbeitslosengeldbezuges um ein Viertel der Anspruchsdauer bestehen.

Vorsicht ist jedoch geboten bei einseitigen Freistellungen durch den Arbeitgeber nach Abschluss eines Abwicklungs- oder Aufhebungsvertrages. Nach der Durchführungsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit beginnt in diesem Fall die Sperrfrist gerade nicht mit dem Beginn der Freistellung (anderer Ansicht ist das Landessozialgericht Hessen, Urteil vom 21.05.2010, Az. L 7 AL 108/09).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Abschluss eines Abwicklungsvertrages viele Risiken für den Arbeitnehmer birgt. Es ist daher immer empfehlenswert, sich  vor Abschluss einer Beendigungsvereinbarung mit dem Arbeitgeber juristisch beraten zu lassen.