BGH, Urt. v. 15.4.2015 - VIII ZR 281/13
Der dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt kommt im Mietrecht häufig vor: Dringend notwendige Instandsetzungsarbeiten (hier: Hausschwamm am Dachstuhl) erfordern einen Zutritt zu einer vermieteten Wohnung. Doch auch nach mehrfacher Ankündigung der Arbeiten weigert sich der Mieter, Handwerker in seiner Wohnung zu dulden, und verhindert so zunächst die Arbeiten. Der Vermieter erzwingt den Zutritt zur Wohnung durch einstweilige Verfügung und kündigt den Mietvertrag fristlos.
Landgericht Berlin entschied rechtsfehlerhaft zugunsten des Mieters
Amts- und Landgericht wiesen die Räumungsklage des Vermieters ab. Die Vorinstanzen vertraten die weit verbreitete Meinung, dass ein Mietvertrag nicht ohne weiteres kündbar ist, wenn der Mieter den Zutritt zur Wohnung verweigert. Zunächst müsse das Betretensrecht bzw. die Duldung des Mieters auf dem Gerichtswege durchgesetzt werden. Diese Ansicht des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg und der 65. Kammer des Landgerichts Berlin überzeugt in keiner Weise. Denn der Vermieter darf fristlos kündigen, wenn ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses - auch vor dem Hintergrund des Verschuldens des Mieters - unzumutbar ist. Verletzt der Mieter seine mietvertragliche Pflichten erheblich, muss sich der Vermieter vom Vertrag lösen können. Ein rechtskräftiger gerichtlicher Titel über eine Vorfrage (hier: muss der Mieter das Betreten der Wohnung dulden?) ist dazu nach den gesetzlichen Vorschriften nicht erforderlich. Ob der Mieter zur Duldung verpflichtet war, kann auch im Räumungsprozess geklärt werden.
Bundesgerichtshof: keine schematische Betrachtung!
Der Bundesgerichtshof gab jetzt dem Vermieter Recht. Der BGH lehnt die "schematische Betrachtung" der Vorinstanzen ab. Die Ansicht, eine fristlose Kündigung sei erst gerechtfertigt, wenn der Mieter einen gerichtlichen Duldungstitel missachte oder sich querulatorisch verhalte, lasse die Interessen des Vermieters außer Acht. Modernisierungs- und Instandsetzungsarbeiten könnten für die Erhaltung des Mietobjekts von wesentlicher Bedeutung sein, so dass der Vermieter ein erhebliches wirtschaftliches Interesse an der schnellen Durchführung der Arbeiten haben kann. Eine "schematische Betrachtung" stehe auch im Widerspruch zu § 543 Abs. 1 BGB, der eine Abwägung der beiderseitigen Interessen und die Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und des Verschuldens der Parteien verlangt.
Vermieter muss bei dringenden Reparaturen schnell handeln können
Der Entscheidung des BGH ist zuzustimmen. Gerade bei dringenden Reparaturarbeiten wie hier am Dachstuhl, der durch den Hausschwamm zu einer Gefahr für die Bewohner werden kann, muss der Vermieter schnell handeln können. Ihn dann auf einen Duldungsrechtsstreit zu verweisen, wird der Sache nicht gerecht und steht, wie der BGH zu Recht ausführt, nicht im Einklang mit § 543 Abs. 1 BGB. Das Landgericht wird nun zu prüfen haben, wie dringend die Arbeiten am Dachstuhl waren und ob dem Vermieter die Fortsetzung des Mietvertrages oder wenigstens das Abwarten der gesetzlichen Kündigungsfrist zumutbar war.
Rechtsanwalt Mathias Münch
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Fachanwalt für Miet- und WEG-Recht
Lehrbeauftragter an der Beuth Hochschule für Technik
BRL BOEGE ROHDE LUEBBEHUESEN
www.BRL.de
Mathias.Muench@BRL.de
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