Rechtswörterbuch

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Nachlasspflegschaft

 Normen 

§§ 1960, 1961 BGB

§ 24 GNotKG

§ 2012 BGB

§§ 345 ff. FamFG

VBVG

BT-Drs. 19/24445 (zu der am 01.01.2023 in Kraft getretenen Neufassung des VBVG)

 Information 

1. Bestellung eines Nachlasspflegers

Nachlasspflegschaft ist die Verwaltung des Erbes durch einen gerichtlich bestellten Nachlasspfleger:

Bis zur Annahme der Erbschaft durch einen Erben gilt Folgendes:

  1. a)

    Im Ermessen des Gerichts stehende Bestellung:

    Das Nachlassgericht hat gemäß § 1960 BGB grundsätzlich für die Sicherung des Nachlasses zu sorgen.

    Dabei kann es gemäß § 1960 Abs. 2 BGB einen Nachlasspfleger mit der Betreuung des Nachlasses beauftragen, insbesondere zur Vertretung des zukünftigen Erben, zur Anlegung von Siegeln sowie zur Hinterlegung von Geld, Wertpapieren und anderen Kostbarkeiten.

  2. b)

    Pflichtige Bestellung:

    Der Nachlasspfleger ist gemäß § 1961 BGB zu bestellen, wenn dies von einem Nachlassgläubiger zur gerichtlichen Durchsetzung eines Anspruchs verlangt wird. Der Antrag kann formlos gestellt werden.

Die Aufgaben des Nachlasspflegers bestimmen sich nach dem bei der Bestellung festgelegten Wirkungskreis.

2. Beendigung der Nachlasspflegschaft

Die Nachlasspflegschaft endet nicht automatisch durch die Annahme der Erbschaft o.Ä. Erforderlich ist eine gerichtliche Aufhebung.

3. Rechtsgrundlagen

Auf das Recht der Nachlasspflegschaft sind gemäß § 1915 BGB ergänzend die Vorschriften über die Vormundschaft anwendbar.

4. Verfahren

Nachlassgläubigern ist zudem gemäß § 2012 BGB jederzeit Auskunft über den Stand des Nachlasses zu geben. Die Befriedigung der Gläubiger gehört jedoch grundsätzlich nicht zu den Pflichten des Nachlasspflegers.

Einsicht in die Akten der Nachlasspflegschaft kann gemäß § 13 FamFG von jedermann mit einem berechtigten Interesse verlangt werden.

5. Vergütung

5.1 Allgemein

Rechtsgrundlage der Vergütung ist bei dem mittellosen Nachlass § 2 VBVG , in den anderen Fällen bestimmt sich die Vergütung nach § 1987 BGB.

Die Kosten der Nachlasspflegschaft sind gemäß § 24 GNotKG von dem zukünftigen Erben zu tragen.

5.2 Vergütung gemäß § 1987 BGB

Gemäß § 1987 BGB kann der Nachlassverwalter für seine Tätigkeit eine angemessene Vergütung verlangen. Die Kriterien für die Angemessenheit der Vergütung bestimmen sich nach § 1808 BGB, der gemäß § 1813 BGB auf die Nachlassverwaltung Anwendung findet, da es sich bei der Nachlassverwaltung um eine besondere Form der Pflegschaft handelt.

Bei der Angemessenheit zu berücksichtigen sind der Umfang und die Schwierigkeit der Nachlassverwaltung. Feste Stundensätze für die Tätigkeit des Nachlasspflegers sind weder dem Gesetz zu entnehmen noch haben sie sich grundsätzlich in der Rechtsprechung für bestimmte Aufgabenkonstellationen oder Berufsgruppen herausgebildet (Ausnahme s.u.). Vielfach wird in neueren obergerichtlichen Entscheidungen zwischen einfachen, mittleren und schwierigen Pflegschaften unterschieden. Bei der Beurteilung des Schwierigkeitsgrades einer Pflegschaft sind u.a. folgende Kriterien zu berücksichtigen:

  • die Struktur des Aktiv- und Passivnachlasses

  • das Auftauchen schwieriger Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Erbenermittlung oder Verwaltung

  • größere Haftungsgefahren bei großem, differenziert angelegtem Vermögen und die Frage, ob der Erblasser an Unternehmen oder Erbengemeinschaften beteiligt war

  • die Dauer der Pflegschaft und der Ausmaß der damit verbundenen Verantwortung

  • Hilfstätigkeiten von Mitarbeitern des Nachlasspflegers

Für anwaltliche Nachlasspfleger werden je nach Schwierigkeitsgrades der Verwaltung Stundensätze zugesprochen, wobei für Nachlässe mittleren Schwierigkeitsgrades Sätze von 43,00 EUR bis 110,00 EUR angesetzt werden. Bei einer Nachlasspflegschaft von allenfalls durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad, die dadurch gekennzeichnet ist, dass dem aus zwei Immobilien und Bankguthaben bestehenden Aktivvermögen nur geringe Verbindlichkeiten gegenüberstehen, erscheint ein Stundensatz von netto 90,00 EUR angemessen (OLG Karlsruhe 11.03.2015 - 11 Wx 11/15).

Bei einer berufsmäßigen Nachlasspflegschaft ist im Normalfall einer mittelschweren Pflegschaft ein Vergütungssatz von 100,00 EUR netto pro Stunde angemessen, sofern der Nachlasspfleger seinen Kanzleisitz im Ballungsraum Frankfurt/Rhein Main aufweist. Eine Gemeinde ist in der Regel zum Ballungsraum Frankfurt/Rhein Main zu zählen, sofern sie in einem der in § 2 MetropolG erfassten Landkreise liegt (OLG Frankfurt am Main 24.04.2015 - 21 W 45/15).

Ein als Nachlasspfleger bestellter Rechtsanwalt kann nur dann nach dem RVG abrechnen, wenn er im Rahmen seiner Tätigkeit eine Aufgabe wahrnimmt, die sich als eine für den Beruf des Rechtsanwalts spezifische Tätigkeit darstellt und die ein Laie üblicherweise bzw. vernünftigerweise auf einen Rechtsanwalt übertragen würde (OLG Schleswig 27.05.2013 - 3 Wx 11/13).

6. Haftung

Der Nachlasspfleger haftet den Erben gegenüber auf Vorsatz und Fahrlässigkeit, den Nachlassgläubigern gegenüber bei Verletzung der Auskunftspflicht und unerlaubter Handlung.

 Siehe auch 

Erbschein

Nachlassgericht

Nachlassverbindlichkeiten

Nachlassverwaltung

Frieser/Sarres/Stückemann/Tschichoflos: Handbuch des Fachanwalts Erbrecht; 7. Auflage 2019