Haftung des Auftraggebers für die Zahlung des Mindestlohnes durch den Auftragnehmer an dessen Arbeitnehmer

23.09.2014 1366 Mal gelesen Autor: Dr. Heinz Sonnauer
Das "Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (MiLoG)" ist am 16.8.2014 in Kraft getreten; ab dem 1.1.2015 gilt ein Mindestlohn von € 8,50 "pro Zeitstunde",§ 1 Abs. 2 MiLoG. Der Arbeitgeber hat diesen Mindestlohn zu den im Gesetz genannten Fällen an den Arbeitnehmer zu bezahlen, § 20 MiLoG

Haftung des Auftraggebers für die Zahlung des Mindestlohnes durch den Auftragnehmer an dessen Arbeitnehmer  

Das "Ge­setz zur Re­ge­lung ei­nes all­ge­mei­nen Min­dest­loh­nes (Min­dest­lohn­ge­setz-Mi­LoG)" ist am 16.8.2014 in Kraft ge­tre­ten; ab dem 1.1.2015 gilt ein Min­dest­lohn von € 8,50 "pro Zeitstun­de", § 1 Abs. 2 Mi­LoG. Der Ar­beit­ge­ber hat die­sen Min­dest­lohn zu de­n im Ge­setz ge­nann­ten Fäl­lig­kei­ten an den Ar­beit­neh­mer zu be­zah­len,§ 20 Mi­LoG.

1. § 13 des Mi­LoG ver­weist auf § 14 des AEntG (Ar­beit­neh­me­rsen­degesetz i.d.F. vom Ap­ril 2009) und schreibt wie die­ses vor, dass ein Un­ter­neh­mer, der ei­nen an­de­ren Un­ter­nehmer mit Werk- und Dienst­leis­tun­gen be­auf­tragt, des­sen Ar­beit­neh­mer für die recht­zei­ti­ge Zah­lung des ge­setz­li­chen Min­dest­loh­nes und/oder der Bei­trä­ge zu ei­ner ge­mein­samen Ein­rich­tung der Ta­rif­par­teien nach § 8 des Mi­LoG wie ei­n Bür­ge haf­tet, der auf die Vo­raus­kla­ge ver­zich­tet hat. Die Fra­ge der Ver­fas­sungs­ge­mäß­heit die­ser   nach wie vor un­ge­wöhn­li­chen - Haf­tungs­er­stre­ckung stellt sich nach der Ent­schei­dung des BVerfG vom 20.3.2007 zu § 1 AEntG nicht mehr; zwar schränk­e die­se Haf­tungs­re­ge­lung die Be­tä­ti­gungs­frei­heit der Un­ter­neh­mer ein, doch sei dies durch über­ra­gend wichti­ge Grün­de des Ge­mein­wohls ge­recht­fer­tigt und ent­spre­che dem Grund­satz der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit, so das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt. Da­mals war al­ler­dings die Haf­tung des auf­trag­ser­tei­len­den Un­ter­neh­men als Bür­ge auf die Bau­hauptunternehmer (Ge­ne­ral­un­ter­neh­mer) be­schränkt, die Sub­un­ter­neh­mer ein­ge­setzt hat­ten. Die­se Be­schrän­kung ist bei der Neu­fas­sung des AEntG weg­ge­fal­len. Im Min­dest­lohn­ge­setz fin­det sie sich auch nicht. Maß­ge­blich ist all­ein, dass ein Un­ter­neh­mer ei­nen an­de­ren Un­ter­neh­mer mit Wer­k- und Dienst­leistun­gen be­auf­tragt. Dies wird auch durch § 21 Abs. 2 Ziff. 1 und 2 Mi­LoG un­ter­strichen, der klar­stellt, dass nicht nur Auf­trags­ver­hält­nis­se zwi­schen Haupt­un­ter­neh­mer und Nach­un­ter­neh­mer ge­meint sind, son­dern ge­ne­rell Auf­trags­ver­hält­nis­se zwi­schen Un­ter­neh­mern. - "Un­ter­neh­mer" ist nach der Le­gal­de­fi­ni­ti­on des § 14 BGB je­de na­tür­liche oder ju­ris­ti­sche Per­son oder rechts­fä­hi­ge Per­so­nengesellschaften (oHG, KG, GmbH, BGB-Ge­sell­schaft), die bei Ab­schluss sol­cher Rechts­ge­schäf­te in Aus­übung ih­rer ge­werb­li­chen oder selbst­stän­di­gen Tä­tig­keit han­delt. In sei­ner jüngs­ten Ent­schei­dung hat der EuGH al­ler­dings ent­schie­den, dass die Ver­pflich­tun­gen aus dem Min­dest­lohn­ge­setz nur aus­län­di­sche Un­ter­neh­mer trifft, die in der Bun­des­re­pub­lik Deutsch­land Leis­tun­gen er­brin­gen; er­brin­gen aus­län­di­sche Un­ter­neh­mer im Aus­land Werk- oder Dienst­leis­tun­gen auf­trags ei­nes deut­schen Un­ter­neh­mers, so greif­en die Be­stim­mungen des Mi­LoG nicht.- 

Der beauf­tra­gen­de Un­ter­neh­mer haf­tet wie ein "Bür­ger", der auf die Vo­raus­kla­ge ver­zich­tet hat. Das heißt, auch im Ver­hält­nis zu ihm ist auf die Ver­trags­la­ge ab­zustel­len, wie sie zwi­schen dem be­auf­trag­ten Un­ter­neh­mer und des­sen Ar­beit­nehmer exis­tiert. 

Da § 13 Mi­LoG auf § 14 AEntG ver­weist, gilt, dass die Haf­tung des beauf­tra­gen­de­n Un­ter­neh­mers auf das Net­to­ent­gelt be­schränkt ist. Strit­tig war, ob pau­scha­le Zah­lun­gen des Auf­trag­neh­mers (zum Bei­spiel Ein­mal­zah­lung, ver­mö­gens­wirk­sa­me Leis­tun­gen) an sei­ne Ar­beit­neh­mer auf den Net­to­min­dest­lohn an­zu­rech­nen sind; dies hat der EuGH in der Rechts­sa­che C 522/12 für den Fall ver­neint, dass die­se Leis­tun­gen nicht Be­stand­teil des kon­kre­ten Min­dest­lohns sind

2. § 21 Abs. 2 Mi­LoG geht über die vor­ste­hend wie­der­ge­ge­be­ne Rechts­lage hi­naus und schafft zu Las­ten des Un­ter­neh­mers, der ei­nen Auf­trag er­teilt / er­tei­len will, ei­nen selbst­stän­di­gen Un­rechts­tat­bes­tand, der als Ord­nungs­wid­rig­keit mit ei­ner Geld­bu­ße von/bis zu € 500.000,00 ge­ahn­det wer­den kann: Die Be­auf­tra­gung ei­nes Un­ter­neh­mers oder Nach­un­ter­neh­mers mit Werk- oder Dienst­leis­tungen in in er­heb­li­chem Um­fang, von dem der Auf­trag­ge­ber "weiß oder fahr­läs­sig nicht weiß, dass die­ser bei Er­füllung des Auf­trags sei­nen Ar­beit­neh­mern den Min­dest­lohn nicht oder nicht recht­zei­tig zahlt". Das heißt, dass be­reits durch die Be­auf­tra­gung ei­nes sol­chen "un­zu­ver­läs­si­gen" Un­ter­neh­mers der Tat­be­stand des § 21 Abs. 2 Mi­LoG er­füllt wird. Ob Vo­raus­set­zung für die Ahn­dung nach die­ser Be­auf­tra­gung ist, dass der be­auf­trag­te Un­ter­neh­mer tat­säch­lich spä­ter den Min­dest­lohn nicht oder nicht rech­tzeitig ge­zahlt hat, folgt aus dem Ge­setz nicht; da­ mit die­ser Be­stim­mung der Pra­xis ent­ge­gen ge­wirkt wer­den soll, dass man zur Er­fül­lung ei­ge­ner Ver­pflich­tun­gen Drit­te ein­schal­tet, die an be­stim­me ge­setz­li­che Vor­ga­ben nicht ge­bun­den sind bzw. sich an die­se nicht hal­ten, spricht vie­les da­für, dass es auf die spä­te­re Nicht­ein­hal­tung der Zah­lungs­ver­pflich­tun­gen nicht an­kommen soll. Ich mei­ne aber, dass es mit zu den Tat­be­stands­vo­raus­set­zun­gen die­ser Be­stim­mung ge­hört, dass spä­ter ein Min­dest­lohn nicht bzw. nicht recht­zei­tig be­zahlt wur­de. Was un­ter "er­heb­li­chem Um­fang" zu ver­ste­hen ist, wird an­hand der Um­stän­de des Ein­zel­fal­les zu be­ant­wor­ten sein. Ei­ne Werk- oder Dienst­leis­tung, die sich ei­nem ein­ma­li­gen, kur­zen Tun er­schöpft, schei­det hier wohl aus, auch dann, wenn die Ver­gü­tung im Ein­zel­fall we­sent­lich ist.Auch der Auf­trag an ei­nen Un­ter­neh­mer,  ein be­stimm­tes Teil zu lie­fern, soll­te nicht un­ter die­se Be­stim­mung fal­len,selbst wenn das Ent­gelt subs­tan­tiell ist. Wer aber be­stimm­te Tä­tig­kei­ten z.B. in we­sent­li­chem Um­fang out­sourct, fällt un­ter die­se Be­stim­mung.

Die Fra­ge ist dann aber, wo­her sich der Auf­trag­ge­ber die nö­ti­gen Kennt­nis­se über sei­nen po­ten­ti­el­len Auf­trag­neh­mer ver­schaf­fen kann. Das Ein­fachs­te wä­re re­gel­mä­ßig wohl ei­ne Über­prü­fung der Kal­ku­la­ti­ons­grund­la­gen des po­ten­ti­el­len Auftragnehmers; die­se werden aber im All­ge­mei­nen nicht zu er­lan­gen sein. An­de­rer­seits darf man un­ter­stel­len, dass ein Un­ter­neh­mer, der ei­nen Auf­trag für Werk- und Dienst­leis­tun­gen ver­gibt, Kennt­nis über die Markt­ge­ge­benheiten hat und an­hand die­ser Markt­ge­ge­ben­hei­ten be­ur­tei­len kann, ob das An­ge­bot aus dem Rah­men fällt oder nicht. Ein knapp kal­ku­lier­tes An­ge­bot muss aber nicht für ei­ne Un­ter­schrei­tung des Min­dest­lohns sprechen. Das Ge­setz nor­miert  die Ver­pflich­tung ei­nes Un­ter­neh­mers nicht, sei­nem po­ten­ti­el­len Auf­trag­ge­ber die­ zur Be­ur­tei­lung sei­ner Zu­ver­läs­sig­keit im Sin­ne der Be­stim­mung des § 10 Abs.2 MiLoG ge­eig­ne­ten Kennt­nisse zu ver­schaf­fen. Da­mit kommt der Fra­ge, wie sich der Auf­trag­ge­ber ab­si­chert, er­heb­li­che Be­deu­tung zu. Ich mei­ne, dass die Sorg­falt, zu der er im Hin­blick auf die­ses Min­dest­lohn­ge­setz dann ver­pflich­tet ist,wenn er hin­sicht­lich der Pra­xis sei­nes mög­li­chen Auf­trag­neh­mers kei­ne ge­nau­en Kennt­nis­se hat,  for­dert, dass

  • er zun­ächst ein­mal das kon­kre­te An­ge­bot auf sei­ne Markt­ü­blich­keit hin über­prüft, ge­ge­be­nen­falls mit an­de­ren An­ge­bo­ten ver­gleicht,
  • er,wenn sich hier kei­ne Auf­fäl­lig­kei­ten er­ge­ben, dem Auf­trag­neh­mer die Ver­pflich­tung auf­er­legt, den frag­li­chen Auf­trag mit ei­ge­nen Leu­ten selbst zu er­le­di­gen und " ei­ge­ne Leu­te" da­hin­ge­hend de­fi­niert, dass es sich um dau­er­haft beim Auf­trag­neh­mer be­schäf­tig­te Per­so­nen han­deln muss,nicht sol­che, die auf der Grund­la­ge von Werk­ver­trä­gen tä­tig wer­den,
  • dem Auf­trag­neh­mer des wei­te­ren die Ver­pflich­tung auf­er­legt wird, bei der Er­füllung der ihm über­tra­gen­den Werk- oder Dienst­leis­tung die ein­schlä­gi­gen ge­setz­li­chen Bes­tim­mung, auch sol­che hin­sicht­lich des Min­dest­lohns zu be­ach­ten,
  • von dem Auf­trag­neh­mer ver­langt wird, dass er ei­ne Be­schei­ni­gung sei­nes Steu­er­be­ra­ters vor­legt, in der be­stä­tigt wird, dass der Auf­trag­neh­mer in der Ver­gan­gen­heit sei­ner Ver­pflich­tung der pünkt­li­chen Zah­lung des Min­dest­lohns nach­ge­kommen ist,
  • der Auf­trag­neh­mer sich das Recht vor­be­hält, ge­ge­be­nen­falls durch ei­nen zur Ver­schwie­gen­heit ver­pflich­te­ten Steu­er­be­ra­ter oder Wirt­schafts­prü­fer die Per­so­nal- und Ge­halts­un­ter­la­gen des Auf­trag­neh­mers im Hin­blick auf die Ein­hal­tung des Min­dest­lohn­ge­bo­tes zu über­prü­fen (mit der Fol­ge, dass dort, wo ei­ne Ver­let­zung fest­ge­stellt wird, die Kos­ten der Über­prü­fung zu Las­ten des Auf­trag­neh­mers ge­hen),
  • schließ­lich die Bo­ni­tät des in Aus­sicht ge­nom­me­nen Un­ter­ne­hmer-Auf­trag­neh­mer über­prüft wird und man auf­grund der Er­geb­nis­se un­ter­stel­len darf,  dass er auch in Zu­kunft sei­ne Zah­lungs­ver­pflich­tungen ord­nungs­ge­mäß er­fül­len wird.

Auch wird man sich für den Fall, dass man von der Ver­wal­tung oder dem Ar­beit­neh­mer ei­nes Auf­trag­neh­mers in An­spruch ge­nom­men wird, ei­nen An­spruch auf Vor­la­ge der Ver­trags­un­ter­la­gen die­ses Ar­beit­neh­mers vor­be­hal­ten müs­sen.

Da­mit bleibt aber im­mer noch die Ge­fahr, dass der auf­trag­ge­ben­de Un­ter­neh­mer für Ver­pflich­tun­gen sei­nes Auf­trag­neh­mers haf­tet; hier­ge­gen kann er sich nur in üb­licher Wei­se ab­si­chern; z.B. da­durch, dass sich der be­auf­trag­te Un­ter­neh­mer, des­sen Geschäfts­füh­rer oder Vor­stän­de  per­sön­lich ver­pflich­ten, den Auf­trag­ge­ber von et­wai­gen An­sprü­chen aus dem Min­dest­lohn­ge­setz frei­zu­stel­len und hier­für so­gar ei­ne Si­cher­heit be­ge­ben. Mir scheint, dass der Ge­setz­ge­ber die­se Prob­le­ma­tik über­haupt nicht be­dacht hat; je­den­falls bleibt ab­zuwarten, wie sich die Wirt­schaft auf die­se Prob­le­ma­tik ein­stel­len wird.

Dem Vor­ste­hen­den bleibt noch nach­zu­tra­gen, dass na­tür­lich die Re­ge­lun­gen des Min­dest­lohn­ge­set­zes auch für aus­län­di­sche Un­ter­neh­mer gel­ten, die in der Bun­des­re­pub­lik Deutsch­land Werk- und Dienst­leis­tun­gen für drit­te, in Deutsch­land an­säs­si­ge Un­ter­neh­mer er­brin­gen oder er­brin­gen las­sen.