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Betriebliches Eingliederungsmanagement

 Normen 

§ 74 SGB V

§ 167 Abs. 2 SGB IX

Richtlinien über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen

 Information 

1. Einführung

Der Arbeitgeber soll gemäß § 167 Abs. 2 SGB IX bei Arbeitnehmern, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen oder wiederholt arbeitsunfähig erkrankt sind, die Wiedereingliederung des Beschäftigten gemeinsam mit dem Betriebsrat u.A. sowie dem Beschäftigten planen. Dies wird als betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM / bEM) bezeichnet.

Die Verpflichtung, ein betriebliches Eingliederungsmanagement anzubieten, gilt auch im Beamtenrecht (BVerwG 05.06.2014 - 2 C 22/13).

Aber: Es besteht nach der gesetzlichen Regelung in § 167 Abs. 2 SGB IX kein Individualanspruch der Arbeitnehmer auf Einleitung und Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (BAG 07.09.2021 - 9 AZR 571/20).

Bei der Jahresfrist ist nicht von dem Kalenderjahr auszugehen, sondern von dem erstmaligen Beginn der Arbeitsunfähigkeit. Bei der wiederholten Arbeitsunfähigkeit muss ebenfalls innerhalb von zwölf Monaten der Zeitraum von sechs Wochen überschritten sein.

Ein BEM ist nicht nur bei lang andauernden Krankheiten geboten. Es ist auch bei häufigen Kurzerkrankungen des Arbeitnehmers nicht ausgeschlossen. Nach der gesetzlichen Regelung kommt es allein auf den Umfang, nicht auf die Ursache der Erkrankungen an. Auch aus Krankheiten, die auf unterschiedlichen Grundleiden beruhen, kann sich - zumal wenn sie auf eine generelle Krankheitsanfälligkeit des Arbeitnehmers hindeuten - eine Gefährdung des Arbeitsverhältnisses ergeben, der das BEM entgegenwirken soll (BAG 20.11.2014 - 2 AZR 755/13).

Das betriebliche Eingliederungsmanagement ist Teil der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Der Geltungsbereich erstreckt sich bei Vorliegen der Voraussetzungen auf alle Arbeitnehmer, und nicht nur, wie die Stellung der Vorschrift im Gesetzeskontext es vermuten lassen könnte, auf schwerbehinderte Arbeitnehmer und ihnen Gleichgestellte. Voraussetzung ist aber immer die Zustimmung des betroffenen Arbeitnehmers, die Maßnahme kann nicht gegen seinen Willen durchgesetzt werden.

2. Zweck

Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements sind:

  • Überwindung der Arbeitsunfähigkeit

  • Erhaltung des Arbeitsplatzes

  • Vorbeugung erneuter Arbeitsunfähigkeit

3. Durchführung

3.1 Allgemein

Sofern der Arbeitnehmer zustimmt, sollte zunächst ein informelles Erstgespräch geführt werden, dann später das Eingliederungsgespräch:

Wichtig ist eine verlaufs- und ergebnisoffene Besprechung aller Möglichkeiten zur individuellen Lösungssuche. Dies sollte ggf. den Teilnehmern kommuniziert werden und schriftlich fixiert werden. Ziel ist die Ermöglichung der Weiterbeschäftigung. Der Arbeitnehmer sollte informiert werden, dass er eigene Vorschläge unterbreiten kann.

Ansonsten besteht das Risiko, dass das BEM nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde.

3.2 Einleitung und Erstanschreiben

Das Verfahren ist grundsätzlich von dem Arbeitgeber einzuleiten. Dazu gehört, dass er den Arbeitnehmer auf die Ziele des bEM sowie die Art und den Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinweist (BAG 20.11.2014 - 2 AZR 755/13).

Hinweis:

Es ist nunmehr höchstrichterlich geklärt, dass der das BEM regelnde § 167 Abs. 2 Satz 1 SGB IX keinen Individualanspruch des betroffenen Arbeitnehmers auf Einleitung und Durchführung eines BEM begründet (BAG 07.09.2021 - 9 AZR 571/20).

Der Betriebsrat bzw. die Schwerbehindertenvertretung ist gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG jedoch berechtigt, auf die Einleitung des Verfahrens hinzuweisen. Zudem kann er seine Unterrichtungs- und Beteiligungsrechte im Rahmen des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens durchsetzen. Gemäß § 167 Abs. 2 S. 6 SGB IX hat die Interessenvertretung darüber zu wachen, dass der Arbeitgeber seine Pflichten erfüllt.

Das Erstanschreiben an den Arbeitnehmer muss folgenden Inhalt haben:

  • Information über die Ziele und das Verfahren

  • Information über Teilnehmer

  • Hinweisen zum Datenschutz:

    • Information dass auch Gesundheitsdaten erhoben und verwendet werden

    • aber Hinweis, dass diese gesondert aufbewahrt werden

    • Hinweis dass Arbeitnehmer seine Krankheit nicht offenlegen muss, sondern Gegenstand der Gespräche nur die vom Krankheitsbild losgelöste Beschreibung der verbliebenen Leistungsfähigkeit ist.

      Bei der Organisation des Datenschutzes sind folgende Leitlinien einzuhalten:

      "Der Arbeitgeber - und in Anlehnung an den Rechtsgedanken des § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB I jede andere Person, die Personalentscheidungen treffen kann - darf ohne ausdrückliche Zustimmung des Betroffenen Zugang nur zu solchen Daten haben, die für den Nachweis der Erfüllung der Pflicht zum bEM erforderlich sind oder ohne die er seine Zustimmung zu geplanten Maßnahmen etc. nicht erteilen kann. Diagnosen und ähnlich sensible Daten dürfen dem Arbeitgeber nur mit ausdrückliche schriftliche Zustimmung des Betroffenen zugänglich sein. Dann muss dem Arbeitnehmer aber im besonderen Maße deutlich gemacht werden, dass dieser Teil der Einwilligung nur freiwillig ist, weil sie für die Zwecke der Durchführung des bEM nicht erforderlich ist" (LAG Baden-Württemberg, 20.10.2021 - 4 Sa 70/20).

  • Hinweis auf Freiwilligkeit der Durchführung

  • Aufforderung zur Teilnahmen, Ziele etc. sowie Dokumentation des Schreiben zu Beweiszwecken

Wenn es zu einer Ablehnung kommt, sollte der Arbeitnehmer in absehbarer Zeit noch einmal angeschrieben werden.

3.3 Beteiligte

An dem Verfahren können neben den Arbeitsvertragsparteien und der Interessenvertretung u.a. folgende Personen / Institutionen beteiligt werden:

Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf die Teilnahme seines Rechtsanwalts bei einem bEM-Gespräch (LAG Rheinland-Pfalz 18.12.2015 - 5 Sa 518/14). Jedoch kann die Teilnahme zugelassen werden und dies wird auch zumeist so gemacht.

3.4 Art und Weise der Durchführung

"Das Gesetz regelt das bEM nur rahmenmäßig als einen verlaufs- und ergebnisoffenen Suchprozess, der individuell angepasste Lösungen zur Vermeidung zukünftiger Arbeitsunfähigkeit ermitteln soll (BAG 18.11.2021 - 2 AZR 138/21; BAG 20.05.2020 - 7 AZR 100/19; BAG 20.11.2014 - 2 AZR 755/13). Zu den aus dem Gesetz ableitbaren Mindeststandards gehört, die gesetzlich dafür vorgesehenen Stellen, Ämter und Personen zu beteiligen und zusammen mit ihnen eine an den gesetzlichen Zielen des bEM orientierte Klärung ernsthaft zu versuchen. Ziel des BEM ist es, festzustellen, aufgrund welcher gesundheitlichen Einschränkungen es zu den bisherigen Ausfallzeiten gekommen ist und ob Möglichkeiten bestehen, sie durch bestimmte Veränderungen künftig zu verringern, um so eine Kündigung zu vermeiden. Danach entspricht jedes Verfahren den gesetzlichen Anforderungen, das die zu beteiligenden Stellen, Ämter und Personen einbezieht, das keine vernünftigerweise in Betracht zu ziehende Anpassungs- und Änderungsmöglichkeit ausschließt und in dem die von den Teilnehmenden eingebrachten Vorschläge sachlich erörtert werden" (LAG Düsseldorf 17.05.2022 - 14 Sa 825/21).

Bezüglich der Art und Weise der Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements bestehen daher keine inhaltlichen Vorgaben. In Betracht kommen u.a. folgende Möglichkeiten:

  • stufenweise, d.h. stundenweise Wiedereingliederung gemäß § 74 SGB V / § 28 SGB IX

  • Veränderungen des Arbeitsplatzes bzw. der Arbeitsumgebung (Einsatz von Hilfsmitteln, anderer Arbeitsplatz etc.)

  • Qualifizierungen des Arbeitnehmers

  • Durchführung eines Arbeitsversuches

3.5 Beendigung des BEM

Das (begonnene) BEM kann in jeder Phase von den Parteien einvernehmlich beendet werden. Nach der Ansicht des LAG Düsseldorf ist aber Voraussetzung, "ob der Arbeitnehmer die notwendigen Kenntnisse über das BEM-Verfahren besaß, um beurteilen zu können, ob es beendet oder fortgesetzt werden sollte" (LAG Düsseldorf 17.05.2022 - 14 Sa 825/21).

Das Gericht hat in dem obigen Urteil auch ausgeführt, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit vom Vorliegen der notwendigen Kenntnisse ausgegangen werden kann: Danach muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf die Ziele des bEM sowie Art und Umfang der dabei erhobenen Daten hingewiesen haben. Daneben ist ein Hinweis zur Datenerhebung und Datenverwendung erforderlich, der klarstellt, dass nur solche Daten erhoben werden, deren Kenntnis erforderlich ist, um ein zielführendes, der Gesundung und Gesunderhaltung des Betroffenen dienendes BEM durchführen zu können. 

4. Nichtdurchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements

Das Bundesarbeitsgericht hat zu den Folgen der Nichtdurchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements wie folgt Stellung genommen:

  1. a)

    Die Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung für eine personenbedingte Kündigung aus krankheitsbedingten Gründen (BAG 12.07.2007 - 2 AZR 716/06).

  2. b)

    Die gesetzliche Regelung ist aber Ausprägung des das Kündigungsrecht beherrschenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.

    Dabei ist das betriebliche Eingliederungsmanagement zwar kein milderes Mittel. Durch die Maßnahme können aber mildere Mittel, z.B. die Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder eine Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen auf einem anderen - ggf. durch Umsetzungen "freizumachenden" - Arbeitsplatz erkannt und entwickelt werden (BAG 10.12.2009 - 2 AZR 198/09).

  3. c)

    Führt der Arbeitgeber kein betriebliches Eingliederungsmanagement durch, kann dies Folgen für die Darlegungs- und Beweislast im Rahmen der Prüfung der betrieblichen Auswirkungen von erheblichen Fehlzeiten haben. Der Arbeitgeber kann sich dann nicht pauschal darauf berufen, ihm seien keine alternativen, der Erkrankung angemessenen Einsatzmöglichkeiten bekannt (BAG 10.12.2009 - 2 AZR 400/08).

    Hat der Arbeitgeber die Durchführung eines bEM unterlassen, muss er deshalb umfassend darlegen und beweisen, warum es in keinem Fall dazu hätte beitragen können, neuerlichen Krankheitszeiten vorzubeugen und das Arbeitsverhältnis zu erhalten. Dabei obliegt es ihm nicht nur, die objektive Nutzlosigkeit arbeitsplatzbezogener Maßnahmen aufzuzeigen. Vielmehr hat er schon auf im Kündigungszeitpunkt bestehende außerbetriebliche Therapiemöglichkeiten Bedacht zu nehmen (BAG 20.11.2014 - 2 AZR 755/13).

Nach dem Urteil LAG Berlin 27.10.2005 - 10 Sa 783/05 ist die Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements zwar keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung einer krankheitsbedingten Kündigung, aber es wird das dem Kündigungsrecht innewohnende ultima-ratio-Prinzip verstärkend konkretisiert.

Ist die Wiedereingliederung ärztlich empfohlen, so steht dem Arbeitgeber nach der Entscheidung LAG Hamm 04.07.2011 - 8 Sa 726/11 in arbeitsrechtlicher Hinsicht die Entscheidung nicht frei, sich auf die Wiedereingliederung einzulassen oder nicht. Unterlässt der Arbeitgeber die Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements, so zieht dies eine Verpflichtung zum Schadensersatz nach sich.

Weiteres bEM bei neuer Arbeitsunfähigkeit:

Der Arbeitgeber hat grundsätzlich ein neuerliches bEM durchzuführen, wenn der Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres nach Abschluss eines bEM erneut länger als sechs Wochen durchgängig oder wiederholt arbeitsunfähig erkrankt war (BAG 18.11.2021 - 2 AZR 138/21).

Krankheitsbedingte Kündigung:

"Die Zustimmung des Integrationsamts zu einer krankheitsbedingten Kündigung begründet nicht die Vermutung, dass ein (unterbliebenes) betriebliches Eingliederungsmanagement die Kündigung nicht hätte verhindern können" (BAG 15.12.2022 - 2 AZR 162/22).

Unterbliebenes BEM begründet keinen Verstoß gegen das AGG:

Unterlässt der Arbeitgeber die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements, ist dies kein Umstand, der die Vermutung einer Benachteiligung wegen der (Schwer)Behinderung iSv. § 22 AGG begründen könnte (BAG 02.06.2022 - 8 AZR 191/21).

5. Nicht ordnungsgemäße Durchführung

Der Nichtdurchführung des BEM steht die nicht ordnungsgemäße Durchführung bzw. das nicht ordnungsgemäße Angebot an den Arbeitnehmer gleich.

Ein vor Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung unterbreitetes Angebot auf Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagement ist dann nicht ordnungsgemäß, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nicht mitteilt, welche Krankheitsdaten - als sensible Daten im Sinne von § 46 Nr. 13, 14 BDSG (seit dem 25.05.2018) - erhoben und gespeichert und inwieweit und für welche Zwecke sie dem Arbeitgeber zugänglich gemacht werden (BAG 20.11.2014 - 2 AZR 755/13).

Fehlt es an einem ordnungsgemäßen Angebot des BEM, ist der Arbeitgeber zur umfassenden Darlegung verpflichtet, warum die Durchführung eines BEM nicht erfolgversprechend gewesen wäre (LAG Schleswig-Holstein 22.09.2015 - 1 Sa 48 a/15 ).

6. Keine Pflicht zur Teilnahme an einem Wiedereingliederungsgespräch während bestehende Arbeitsunfähigkeit

Der Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet, während bestehender Arbeitsunfähigkeit an einem Personalgespräch zur Klärung seiner weiteren Beschäftigungsmöglichkeit teilzunehmen. Aber: Während der Dauer der Arbeitsunfähigkeit ist es dem Arbeitgeber allerdings nicht schlechthin untersagt, mit dem erkrankten Arbeitnehmer in einem zeitlich angemessenen Umfang in Kontakt zu treten, um mit ihm im Rahmen der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen die Möglichkeiten der weiteren Beschäftigung nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit zu erörtern. Voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber hierfür ein berechtigtes Interesse aufzeigt. Der arbeitsunfähige Arbeitnehmer ist jedoch nicht verpflichtet, hierzu auf Anweisung des Arbeitgeber im Betrieb zu erscheinen, es sei denn, dies ist ausnahmsweise aus betrieblichen Gründen unverzichtbar und der Arbeitnehmer ist dazu gesundheitlich in der Lage (BAG 2.11.2016 - 10 AZR 596/15).

7. Vergütung

Während der betrieblichen Wiedereingliederung erhält der Arbeitnehmer Leistungen des jeweiligen Rehabilitationsträgers. Ohne ausdrückliche Vereinbarung mit dem Arbeitgeber besteht kein Vergütungsanspruch (BAG 29.01.1992 - 5 AZR 37/91).

8. Urlaubsanspruch

Der Zeitraum der betrieblichen Eingliederung gilt - trotz der stundenweisen Tätigkeit des Arbeitnehmers - als Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit. Die Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien aus dem Arbeitsverhältnis ruhen.

Der Zeitraum ist jedoch bei der Berechnung der Höhe des Urlaubsanspruchs einzubeziehen, da es gemäß § 4 BUrlG ohne eine anderslautende Regelung nur auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses ankommt.

Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob ein entstandener Urlaubsanspruch erfüllt werden muss. Nach der Entscheidung BAG 19.04.1994 - 9 AZR 462/92 ist der Urlaubsanspruch während des Wiedereingliederungsverhältnisses nicht erfüllbar, da der Arbeitgeber wegen des Ruhens der Hauptleistungspflichten den Arbeitnehmer nicht von der (nicht bestehenden) Arbeitspflicht befreien kann.

9. Mitbestimmung des Betriebsrats

Eine Betriebsvereinbarung kann nicht vorgeben, dass ein betriebliches Eingliederungsmanagement nur dann stattfindet, wenn der Betriebsrat beteiligt wird. Denn das BEM ist auch dann durchzuführen, wenn der Beschäftigte eine Beteiligung des Betriebsrats nicht wünscht. Die Durchführung von im BEM-Verfahren beschlossenen Maßnahmen obliegt dem Arbeitgeber; sie unterfällt ebenso wenig der Mitbestimmung des Betriebsrats wie die Überprüfung dieser Maßnahmen auf Wirksamkeit und Qualität. Auch steht dem Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht zu, mit dem er die Übertragung der Aufgaben des bEM auf ein festes, auf Dauer gebildetes Gremium erzwingen kann.

Diese obigen Grundsätze sind von dem LAG Hamburg erlassen (LAG Hamburg 20.02.2014 - 1 TaBV 4/13) und von dem BAG bestätigt worden (BAG 22.03.2016 - 1 ABR 14/14).

Daneben ist u.a. folgende Rechtsprechung ergangen:

 Siehe auch 

Integrationsamt

Integrationsfachdienst

Krankengeld

Personenbedingte Kündigung

BGH 11.03.2015 - IV ZR 54/14 (kein Anspruch auf Krankentagegeld während der Wiedereingliederung)

LAG Köln 13.04.2012 - 5 Sa 551/11 (Nichtdurchführung des Eingliederungsmanagement und Kündigung)

LAG Niedersachsen 29.03.2005 - 1 Sa 1429/04 (Anspruch auf Umgestaltung des Arbeitsplatzes)

Kleinebrink: Die stufenweise Wiedereingliederung arbeitsunfähiger Arbeitnehmer. Rechtsverhältnis zwischen Freiwilligkeit und Zwang; Der Arbeits-Rechts-Berater - ArbRB 2010, 250

Knittel: SGB IX. Kommentar; 12. Auflage 2023

Lachwitz/Schellhorn/Welti: Handkommentar zum Sozialgesetzbuch IX; 5. Auflage 2017

Lunk: Grundlagen des betrieblichen Eingliederungsmanagements; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2019, 2349

Nassibi: Die Durchsetzung der Ansprüche auf Schaffung behinderungsgerechter Arbeitsbedingungen. Betriebliches Eingliederungsmanagement und Beteiligung der Interessenvertretung; Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht - NZA 2012, 720

Oxenknecht-Witzsch: Betriebliches Eingliederungsmanagement; Die Mitarbeitervertretung - ZMV 2014, 194