Rechtswörterbuch

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Schwerbehinderte Arbeitnehmer

 Normen 

SGB IX

SchwbAV (Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung)

SchwbAwV (Schwerbehinderten-Ausweisverordnung)

UnBefG (Unentgeltliche Beförderung-Gesetz)

SchwbNV (Schwerbehinderten-Nahverkehrszügeverordnung)

SchwbVWO (Schwerbehindertenvertretung-Wahlordnung)

 Information 

1. Allgemein

Schwerbehinderte Arbeitnehmer sind Arbeitnehmer, deren Grad der Behinderung mindestens 50 % beträgt.

Schwerbehinderte Arbeitnehmer werden durch das Sozialgesetzbuch IX geschützt. In den Schutzbereich des Gesetzes fallen auch die den schwerbehinderten Arbeitnehmern Gleichgestellten.

Die Integrationsämter vertreten als staatliche Einrichtung die beruflichen Interessen der Schwerbehinderten und der Gleichgestellten im Berufsleben und sind zuständig für sämtliche schwerbehinderte Arbeitnehmer betreffende arbeitsrechtliche Fragen und Entscheidungen. Sie werden bei ihrer Arbeit durch die Integrationsfachdienste unterstützt.

Die Feststellung des Grades der Behinderung erfolgt durch die Versorgungsämter oder - bei der Zuständigkeit der gesetzlichen Unfallversicherung - durch die Berufsgenossenschaften.

2. Besonderheiten im Berufsleben

Im Arbeitsleben bestehen für schwerbehinderte Arbeitnehmer u.a. folgende Besonderheiten:

Der Arbeitgeber kann das Arbeitsverhältnis mit dem schwerbehinderten Arbeitnehmer durch einen Aufhebungsvertrag beenden. Der besondere Kündigungsschutz ist auf den Aufhebungsvertrag nicht anwendbar. Der Vertrag ist aber nur wirksam, wenn dem schwerbehinderten Arbeitnehmer seine besonderen Kündigungsschutzrechte bekannt waren. Diese anderweitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder eine Einstellung auf Probe sind dem Integrationsamt innerhalb von vier Tagen anzuzeigen.

Staatliche Förderung: Arbeitgeber können unter bestimmten Voraussetzungen staatliche Zuschüsse für die behindertengerechte Einrichtung eines Arbeitsplatzes oder für die Zahlung des Arbeitsentgeltes erhalten. Die Anträge sind an die Integrationsämter bzw. Integrationsfachdienste zu stellen.

3. Behindertengerechter Arbeitsplatz

Gemäß § 164 Abs. 4 Nr. 4 u. 5 SGB IX haben schwerbehinderte Arbeitnehmer gegenüber ihrem Arbeitgeber Anspruch auf die behindertengerechte Einrichtung und Unterhaltung der Arbeitsstätte sowie die Ausstattung des Arbeitsplatzes mit den erforderlichen technischen Arbeitshilfen.

Die Unmöglichkeit des schwerbehinderten Arbeitnehmers, seine arbeitsvertraglich geschuldete Leistung zu erbringen, führt nach dem Urteil BAG 04.10.2005 - 9 AZR 632/04 nicht zu einem Annahmeverzug des Arbeitgebers. In diesem Fall könnte der schwerbehinderte Arbeitnehmer ggf. Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung der Pflicht zur Einrichtung eines behindertengerechten Arbeitsplatzes haben, die auf Ersatz der entgangenen Vergütung gerichtet sind.

Nach dem Urteil BAG 03.12.2002 - 9 AZR 462/01 kann sich aus der in § 164 Abs. 4 Nr. 4 SGB IX normierten Pflicht des Arbeitgebers zur behindertengerechten Gestaltung der Arbeitszeit die Pflicht ergeben, den schwerbehinderten Arbeitnehmer nicht zur Nachtarbeit einzuteilen.

4. Teilzeitarbeit

Schwerbehinderte Arbeitnehmer haben gemäß § 164 Abs. 5 S. 2 SGB IX einen Anspruch auf Teilzeitarbeit wenn die kürzere Arbeitszeit wegen Art und Schwere der Behinderung notwendig ist. Keine Voraussetzung ist, dass 15 Arbeitnehmer im Betrieb beschäftigt sind sowie das Arbeitsverhältnis sechs Monate besteht (BAG 14.10.2003 - 9 AZR 100/03).

Ein Anspruch besteht nicht, soweit seine Erfüllung für den Arbeitgeber nicht zumutbar oder mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden wäre oder soweit die staatlichen oder berufsgenossenschaftlichen Arbeitsschutzvorschriften oder beamtenrechtliche Vorschriften entgegenstehen.

5. Werkstatt für behinderte Menschen

Die Werkstatt für behinderte Menschen ist gemäß § 219 SGB IX eine Einrichtung zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben und zur Eingliederung in das Arbeitsleben. Sie fördert den Übergang geeigneter Personen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt durch geeignete Maßnahmen.

Die Werkstatt für behinderte Menschen hat denjenigen behinderten Menschen, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden können, eine angemessene berufliche Bildung und eine Beschäftigung zu einem ihrer Leistung angemessenen Arbeitsentgelt aus dem Arbeitsergebnis anzubieten und zu ermöglichen, ihre Leistungs- oder Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu entwickeln, zu erhöhen oder wiederzugewinnen und dabei ihre Persönlichkeit weiterzuentwickeln. Anerkannte Werkstätten nehmen diejenigen behinderten Menschen aus ihrem Einzugsgebiet auf, die die Aufnahmevoraussetzungen gemäß § 219 SGB IX erfüllen, wenn Leistungen durch die Rehabilitationsträger gewährleistet sind.

Behinderte Menschen im Arbeitsbereich anerkannter Werkstätten stehen, wenn sie nicht Arbeitnehmer sind, zu den Werkstätten in einem arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis, soweit sich aus dem zugrunde liegenden Sozialleistungsverhältnis nichts anderes ergibt. Der Inhalt des arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnisses wird unter Berücksichtigung des zwischen den behinderten Menschen und dem Rehabilitationsträger bestehenden Sozialleistungsverhältnisses durch Werkstattverträge zwischen den behinderten Menschen und dem Träger der Werkstatt näher geregelt.

War der volljährige behinderte Mensch bei Abschluss eines Werkstattvertrages geschäftsunfähig, so kann gemäß § 138 SGB IX der Träger einer Werkstatt das Werkstattverhältnis nur unter den Voraussetzungen für gelöst erklären, unter denen ein wirksamer Vertrag seitens des Trägers einer Werkstatt gekündigt werden kann. Die Lösungserklärung durch den Träger einer Werkstatt bedarf der schriftlichen Form und ist zu begründen.

Gemäß § 221 Abs. 7 SGB IX bedarf die Lösungserklärung durch den Träger einer Werkstatt der schriftlichen Form und ist zu begründen. Dieses Formerfordernis gilt nicht nur für den Fall, dass der Träger der Werkstatt sich von einem Werkstattvertrag lösen will, der von einem geschäftsunfähigen behinderten Menschen selbst (unwirksam) geschlossen wurde, sondern auch für die Lösung von einem wirksam zustande gekommenen Werkstattvertrag mittels Kündigungserklärung. Die "Lösungserklärung" in § 221 Abs. 7 SGB IX beinhaltet damit auch die Kündigung eines wirksam geschlossenen Werkstattvertrags. Das Schriftformerfordernis gilt dabei nicht nur für die Beendigungserklärung. Auch die Gründe der Kündigung sind dem Erklärungsempfänger schriftlich mitzuteilen (BAG 17.03.2015 - 9 AZR 994/13).

6. Probearbeitsverhältnis

Arbeitgebern können gemäß § 46 SGB III die Kosten für ein befristetes Probearbeitsverhältnis behinderter, schwerbehinderter und ihnen gleichgestellter Menschen bis zu einer Dauer von drei Monaten erstattet werden, wenn dadurch die Möglichkeit einer Teilhabe am Arbeitsleben verbessert wird oder eine vollständige und dauerhafte Teilhabe am Arbeitsleben zu erreichen ist.

 Siehe auch 

Allgemeine Gleichbehandlung

Behindertengleichstellung

Betriebliches Eingliederungsmanagement

Gleichgestellte

Integrationsamt

Integrationsfachdienst

Kündigungsfrist - Arbeitsrecht

Schwerbehinderte Arbeitnehmer - Beschäftigungspflicht

Schwerbehinderte Arbeitnehmer - Benachteiligungsverbot

Schwerbehinderte Arbeitnehmer - Kündigung

Schwerbehinderte Arbeitnehmer - Vorstellungsgespräch

Unterstützte Beschäftigung

BAG 16.09.2008 - 9 AZR 791/07 (Pflicht eines Arbeitgebers zur vollständigen Kenntnisnahme des Bewerbungsschreibens)

BAG 01.08.1985 - 2 AZR 101/83

BVerfG 10.11.2004 - 1 BvR 1785/01 (Begriff des Arbeitgebers nach dem SGB IX)

Braun: Pflicht des öffentlichen Arbeitgebers zur Einladung schwerbehinderter Bewerber; Recht im Amt - RiA 2004, 261

Cramer: Die Neuerungen im Schwerbehindertenrecht des SGB IX; Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht - NZA 2004, 698

Düwel: SGB IX: Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen am Leben in der Gesellschaft; Fachanwalt Arbeitsrecht - FAr 2001, 105

Knittel: SGB IX. Kommentar; 10. Auflage 2017

Stähler: Inklusion behinderter Arbeitnehmer; 1. Auflage 2013