Gastronomie im Visier des Zolls

23.11.2017158 Mal gelesen
Innerhalb weniger Monate fanden in bundesweit abgestimmten Maßnahmen Razzien des Zolls in verschiedenen Wirtschaftszweigen statt. Nach dem Sicherheitsgewerbe und der Logistikbranche traf es nun die Gastronomie. Die Vorbereitung auf eine solche Maßnahme wird immer wichtiger.

Das Hauptzollamt Hannover ist laut Medienberichten erneut im Rahmen bundesweiter Kontrollen gegen Schwarzarbeit tätig geworden. Aktuell hat es die Gastronomie getroffen. Allein bei diesen Kontrollen wurden rd. 50 Betriebe und darin rd. 200 Mitarbeiter überprüft. Dabei wurden insbesondere Verstöße gegen den Mindestlohn, illegale Ausländerbeschäftigung und Leistungsmissbrauch festgestellt. Die Vorbereitung auf eine solche Maßnahme wird für Unternehmen immer wichtiger, stellen doch gerade die Mitarbeiter in diesen Verfahren eine entscheidende Erkenntnisquelle dar und werden regelmäßig unmittelbar von den Behörden befragt. Der Arbeitgeber steht jedoch regelmäßig vor der Frage, ob die Mitarbeiter ohne Weiteres vernommen werden dürfen.

Neuregelung zum 1. Juli 2017 - Aussagepflicht auch vor dem HZA

Erscheint das HZA zur verdachtslosen Prüfung nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz, besteht seit jeher eine Auskunftspflicht nicht nur des Arbeitgebers sondern auch des angetroffenen Arbeitnehmers. Die Grenze liegt dann (nur) in dem Recht auf Freiheit vor einer Selbstbelastung.

Zum 1. Juli 2017 wurde aber auch die Strafprozessordnung dahin geändert, dass ein Zeuge in einem Strafverfahren vor der Polizei, d.h. auch vor dem HZA, auf Ladung erscheinen und aussagen muss. Zuvor galt dies - in der Bevölkerung weitestgehend unbekannt - nur bei einer Ladung durch die Staatsanwaltschaft.

In der Gesetzesbegründung wird zwar ausgeführt, die Staatsanwaltschaften sollten mit Blick auf ihre begrenzten Ressourcen davor geschützt werden, Vernehmungen durchführen zu müssen, ohne zu wissen, warum der Zeuge bei der Polizei keine Aussage gemacht habe und die Aussage überhaupt maßgeblich werden könne. Aus Sicht der Verteidigerschaft verfolgte der Gesetzgeber aber wohl eher den Zweck, entsprechende rechtsanwaltliche Beratung einzuschränken. Denn die Ressourcen der Polizei und der Staatsanwaltschaften sind wohl ähnlich limitiert. Gerade im Rahmen einer nicht durch die Staatsanwaltschaft begleiteten Durchsuchung ärgerten sich die eingesetzten Beamten häufig darüber, wenn sie auf entsprechenden anwaltlichen Hinweis ergebnislos abziehen mussten.

Verhinderung des Anwalts contra Aussagepflicht?

Vor dem Hintergrund der neuen Rechtslage wird der Wunsch auf anwaltliche Unterstützung zukünftig entscheidende Bedeutung erlangen:

Gerade im Rahmen der Durchsuchung von Unternehmen treffen die Beamten auf eine Vielzahl von potentiellen Zeugen in Form der Mitarbeiter. Die Erfahrung zeigt, dass allein die Anwesenheit eines Anwalts einen disziplinierenden Effekt auf die Beamten hat. Eine unbegleitete Aussage ist daher seit jeher Ziel entsprechender Compliance-Maßnahmen.

Seit 2009 steht jedem Zeugen ausdrücklich und ohne Einschränkungen das Recht zu, einen anwaltlichen Beistand hinzu zu ziehen. Dazu gehört auch ein umfassendes Beratungsgespräch vor der Vernehmung. Da aber ein Zeuge eher selten ständig von seinem Anwalt umgeben sein wird oder Letzterer auch bei Verständigung verhindert sein kann, stellt sich die Frage, ob dies den Zeugen von seinen Pflichten entbindet. Das Gesetz sieht bei fehlender Entschuldigung die Auferlegung der Kosten, ein Ordnungsgeld von regelmäßig 150,00 ?, die zwangsweise Vorführung oder sogar Beugehaft vor.

In der Praxis kamen die Staatsanwaltschaften dem Wunsch eines Zeugen nach anwaltlicher Begleitung und Absprache eines Termins regelmäßig nach, wenn die Bereitschaft zur Erfüllung der Zeugenpflicht bestätigt wurde und kein Hinweis bestand, dass die Zeugenaussage verhindert werden sollte. Es mag aber zumindest angezweifelt werden, ob die Kriminalbeamten in der Praxis ähnliches Verhalten zeigen werden. Gerade bei Durchsuchungen ist es ein nachvollziehbares Interesse der Beamten, aus der damit verbundenen Drucksituation schnellstmöglich Aussagen zu erlangen.

Die Beamten können sich aktuell noch auf die vor 2009 ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs berufen, wonach eine Verhinderung des Rechtsanwalts den Zeugen nicht genügend entschuldigt und daher auch kein Anspruch besteht, die Vernehmung auf einen mit dem Anwalt abgestimmten Termin zu verlegen.

Lösungsansatz

Wie soll sich nun also ein Zeuge in einem Strafverfahren bei unangekündigtem Erscheinen verhalten, wie der Arbeitgeber seine Mitarbeiter auf eine solche Situation vorbereiten? Teilweise empfiehlt selbst die Anwaltschaft, notfalls ohne Anwalt auszusagen. Dieser Empfehlung ist nicht zu folgen!

Zunächst verleiht das neue Recht den Beamten ihre Befugnisse erst dann, wenn ein entsprechender Auftrag der Staatsanwaltschaft vorliegt. Damit wollte der Gesetzgeber die Stellung der Staatsanwaltschaft als "Herrin des Vorverfahrens" nochmals klarstellen. Verlangt wird nach der Gesetzesbegründung ausdrücklich eine vorherige Entscheidung der Staatsanwaltschaft. Die erste Frage eines Zeugen oder Arbeitgebers muss daher künftig lauten, ob der Beamte über einen entsprechenden Auftrag verfügt. Dessen sollte sich der Betroffene durch Verlangen eines schriftlichen Nachweises oder notfalls telefonisch übermittelte Bestätigung des zuständigen Staatsanwalts versichern.  

Es ist damit zu rechnen, dass die Beamten nach ersten praktischen Erfahrungen und insbesondere bei vorbereiteten Maßnahmen (z.B. Durchsuchung) ein solches Schriftstück mitführen werden. In diesem Fall muss der Betroffene - wie in der Vergangenheit auch - darauf verweisen, dass er zwar grundsätzlich aussagebereit ist, dies aber nur im Beisein eines Anwalts. Dann wird sich der Zeuge zunehmend den vorstehend skizzierten Androhungen gegenübersehen (Kosten, Ordnungsgeld, zwangsweise Vorführung, Beugehaft). Dem Beamten ist dann zu entgegnen, dass diese Maßnahmen von einem Staatsanwalt oder Richter schriftlich angeordnet werden müssen, in dem Wissen, dass eine Beugehaft nur in absoluten Ausnahmefällen verhängt wird. Ein Vorführungsbefehl setzt zudem voraus, dass der Zeuge eine Vorladung nicht befolgt. Mit dem Hinweis, dass eine Begleitung der Beamten durchaus in Betracht kommt, nur die Aussage unter anwaltlichem Beistand erfolgen soll, wird diese Maßnahme ausscheiden. Maßgeblich ist außerdem, dass es bei dem Wunsch des Zeugen auf anwaltlichen Beistand nicht darum geht, die Aussage zu verhindern, sondern diese unter Wahrung der eigenen Rechte vorzunehmen. Dass die  Staatsanwaltschaft unter diesen Umständen eine Beugehaft beantragt, ist so gut wie ausgeschlossen. Sowohl aus Gründen der Verhältnismäßigkeit als auch vor dem Hintergrund der Begründung des 2009 eingeführten Rechts auf jederzeitige anwaltliche Begleitung dürfte dies sogar unzulässig sein. Denn der Gesetzgeber hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass "die Behörden im Interesse einer fairen und ausgewogenen Verfahrensführung gehalten sind, Zeugenvernehmungen so zu terminieren, dass der Zeuge in Begleitung seines Beistands erscheinen kann." Übrig bleibt somit die Möglichkeit, dass dem Zeugen wegen fehlender Bereitschaft, ohne seinen Anwalt auszusagen, die Kosten und ein Ordnungsgeld auferlegt werden. Sichert speziell der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern die Übernahmen dieser  Kosten zu, sollten ausreichende Schutzmaßnahmen gegen eine unbegleitete Aussage getroffen sein.  Unerlässlich wird aber eine deutlich intensivere Vorbereitung auf die ungeliebten Besuche der Behörden sein, um ein sachgerechtes Verhalten aller Betroffenen sicher zu stellen.