Betriebsrat und Kündigung - nicht zu früh und nicht zu spät!

Arbeitsrecht Kündigung
28.04.202422 Mal gelesen
Bevor ein Arbeitgeber kündigt, muss er den Betriebsrat anhören. Er muss die Anhörungsfrist einhalten, darf mit der Kündigung aber auch nicht zu lange warten.

Wenn ein Betriebsrat besteht, muss der Arbeitgeber ihn anhören, "vor jeder Kündigung" (§ 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG).

Er muss dem Betriebsrat die Gründe für die Kündigung mitteilen und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme geben.

Will sich der Betriebsrat zur beabsichtigten Kündigung äußern, muss er das schriftlich tun. Der Arbeitgeber ist freier, er kann den Betriebsrat mündlich anhören, auch telefonisch, oder per Brief oder E-Mail. Er sollte aber bedenken, dass er später vielleicht verpflichtet ist, die Anhörung als solche sowie den Wortlaut seiner Mitteilung zu beweisen.

Er sollte sich nicht darauf verlassen, dass der Betriebsrat im Kündigungsschutzprozess bestätigen wird, rechtzeitig und vollständig angehört worden zu sein. Deshalb sollte die Anhörung zumindest auch schriftlich erfolgen, und es sollte dokumentiert sein, wann der Betriebsrat das Schreiben erhalten hat.

Muss der Arbeitgeber immer so lange warten, bis sich der Betriebsrat geäußert hat?

Nein, es kann sein, dass sich der Betriebsrat zur geplanten Kündigung nicht äußern will, sie also schweigend zur Kenntnis nimmt.

Das darf er frei entscheiden. Das Gesetz regelt nur, was zu beachten ist, wenn er sich äußern will:

"Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen." (§ 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG).

Äußert er sich nicht innerhalb einer Woche, gilt seine Zustimmung als erteilt.

Diese Fiktion ist aus Sicht des Arbeitgebers aber nicht das Entscheidende, er benötigt kein Einverständnis, er kann selbst dann kündigen, wenn der Betriebsrat ausdrücklich widersprochen hat. Entscheidend ist das Formale: Der Ablauf der Wochenfrist markiert das Ende des Anhörungsverfahrens - jetzt darf der Arbeitgeber kündigen.

Da das Betriebsverfassungsgesetz für die Fristberechnung keine Sonderregelung trifft, gilt § 188 Abs. 2 BGB: die Frist endet "mit dem Ablauf desjenigen Tages" der nächsten Woche, der durch seine Benennung dem Tag entspricht, an dem der Betriebsrat das Anhörungsschreiben des Arbeitgebers erhalten hat.

Beispiel: Das Schreiben des Arbeitgebers, in dem er die Gründe für die beabsichtigte Kündigung darlegt, ist beim Betriebsrat am Mittwoch, 10.4., während der Arbeitszeit eingegangen. Eine Woche später, am Mittwoch, 17.4., 24:00 Uhr, läuft die Wochenfrist ab, am Donnerstag, 18.4., darf gekündigt werden.

Ist der letzte Tag der Frist ein Samstag, Sonntag oder ein gesetzlicher Feiertag, so endet die Frist erst mit Ablauf des nächsten Werktags (§ 193 BGB); auf der anderen Seite führen ein Wochenende oder ein Feiertag, die innerhalb der Wochenfrist liegen, nicht zu einer Fristverlängerung.

Die Wochenfrist gilt für eine beabsichtigte ordentliche, das heißt fristgerechte Kündigung. Bei einer außerordentlichen fristlosen Kündigung ist die Frist kürzer, hier muss der Betriebsrat seine Bedenken innerhalb von drei Tagen schriftlich mitteilen (§ 102 Abs. 2 Satz 2 BetrVG).

Gibt ein Arbeitgeber das Kündigungsschreiben vor Ablauf der Anhörungsfrist zur Post, kann die Anhörung unwirksam sein, selbst wenn der Betriebsrat nicht die Absicht hatte, sich innerhalb der Frist zu äußern. Eine ordnungsgemäße Anhörung liegt nur dann vor, wenn dem Betriebsrat die volle Anhörungsfrist zur Verfügung stand.

Der Fehler lässt sich nicht reparieren, selbst eine vom Betriebsrat nachträglich erteilte ausdrückliche Zustimmung hilft dem Arbeitgeber nicht.

Deshalb beauftragen einige Arbeitgeber statt der Deutschen Post einen Kurierdienst, der anbietet, die Zustellung des Kündigungsschreibens bis zur letzten Minute zu stoppen. So etwas empfiehlt sich zum Beispiel bei einer fristlosen Kündigung, die innerhalb von zwei Wochen ausgesprochen werden muss (§ 626 Abs. 2 BGB), hier kann jeder Tag zählen.

Wer als Arbeitgeber dem Betriebsrat hinreichend Zeit gelassen hat, kann trotzdem eine böse Überraschung erleben:

Eine einmal durchgeführte Anhörung bleibt nicht ewig wirksam, wenn im Anschluss keine Kündigung ausgesprochen wird. Wer es sich als Arbeitgeber plötzlich anders überlegt, etwa weil er den Arbeitnehmer noch eine Weile benötigt, gerät in Verdacht, den Betriebsrat auf "Vorrat" angehört zu haben. Anders ausgedrückt: den eigenen Kündigungsentschluss nur vorgeschoben zu haben, um zu einem späteren Zeitpunkt ohne erneute Betriebsratsanhörung schneller und einfacher kündigen zu können.

Aus Sicht des Bundesarbeitsgerichts muss immer zweierlei zusammenkommen: ein ordnungsgemäßes Anhörungsverfahren und eine im Anschluss ausgesprochene Kündigung; fehlt eines der beiden Elemente, ist auch das andere wertlos. Wurde eine Kündigung zunächst verfrüht ausgesprochen, also vor Abschluss des für sie eingeleiteten Anhörungsverfahrens, kann eine spätere zweite Kündigung nicht darauf gestützt werden, dass das Anhörungsverfahren zumindest jetzt abgeschlossen sei.

Umgekehrt kann das Gleiche passieren: liegt zwischen dem Abschluss des Anhörungsverfahrens und dem Zugang des Kündigungsschreibens ein längerer Zeitraum, spricht viel für die Vermutung, dass der Sachverhalt, auf den sich der Arbeitgeber in der Anhörung gestützt hat, so nicht mehr existiert. Etwa weil sich bei einer betriebsbedingten Kündigung die Geschäftszahlen inzwischen verbessert haben, oder bei einer krankheitsbedingten Kündigung die Gesundheitsprognose des Arbeitnehmers.

Eine Ausnahme wird nur für den Fall gemacht, dass das Kündigungsschreiben, das der Arbeitgeber nach Abschluss des Anhörungsverfahrens an den Arbeitnehmer verschickt hat, an diesen bisher nicht zugestellt werden konnte. Das Bundesarbeitsgericht hatte in dieser schon etwas älteren Entscheidung allerdings noch zwei weitere Bedingungen genannt: die erneute Kündigung müsse sich auf denselben Sachverhalt stützen und "in engem zeitlichen Zusammenhang" erfolgen (BAG, 11.10.1989, 2 AZR 88/89).

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf war 2019 großzügiger: Sofern eine erst später erfolgte Zustellung weiterhin "die erstmalige Ausübung des unveränderten Kündigungswillens" sei, sich der Sachverhalt "nicht wesentlich verändert" habe, und der Zeitverzug nicht dem Arbeitgeber zuzurechnen sei, könnten selbst zwei Monate rechtzeitig sein. Die Anhörung des Betriebsrats, die für sich betrachtet einwandfrei war, sei im dortigen Fall "nicht verbraucht" gewesen (LAG Düsseldorf, 07.05.2019, 3 Sa 740/18, Seite 64 f.).

Daraus lässt sich zweierlei ableiten: Lässt ein Arbeitgeber seinen Kündigungsentschluss nach Abschluss des Anhörungsverfahrens zunächst fallen, oder ändert sich der Sachverhalt, sollte er den Betriebsrat sicherheitshalber erneut anhören, und erst dann die Kündigung an den Arbeitnehmer zustellen.

Rechtsanwalt Lars Finke, LL.M. Fachanwalt für Arbeitsrecht - anwaltfinke.de