Kündigung durch den Insolvenzverwalter

Kündigung durch den Insolvenzverwalter
29.12.20111412 Mal gelesen
Es ist damit zu rechnen, dass die anhaltende Finanzmarktkrise im nächsten Jahr dazu führen wird, dass die Zahl der Unternehmenspleiten dramatisch steigen wird. Von daher müssen sich viele Arbeitnehmer notgedrungen mit folgender Frage beschäftigen: Macht es überhaupt Sinn, gegen eine Kündigung des Insolvenzverwalters rechtlich vorzugehen?

Dazu ist Folgendes wissenswert: Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens übernimmt der Insolvenzverwalter kraft Gesetzes die Arbeitgeberfunktion. Die Rechte des Insolvenzverwalters werden durch die Verfahrenseröffnung grundsätzlich nicht erweitert. Beabsichtigt der Insolvenzverwalter, ein bestehendes Arbeitsverhältnis zu beenden, muss er eine betriebs-, personen- oder verhaltensbedingte Kündigung aussprechen. Hinsichtlich der Rechtfertigung der Kündigung bleibt der Insolvenzverwalter dabei an das Kündigungsschutzgesetz gebunden. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens selbst stellt hiernach keinen Kündigungsgrund dar.

An einem "dringenden betrieblichen Erfordernis" im Sinne des § 1 Absatz 2 Satz 1 KSchG fehlt es bei einer Kündigung der gesamten Belegschaft, wenn der Insolvenzverwalter eine Weiterveräußerung des Betriebes plant oder sogar darüber verhandelt. Dies hat zuletzt das Landesarbeitsgericht Köln in einer sehr lesenswerten Entscheidung festgestellt (Urteil vom 28.01.2010 - 7 Sa 801/09). In den Entscheidungsgründen des Urteils heißt es wörtlich:

"... Die gegenüber der Klägerin ausgesprochene betriebsbedingte Kündigung des Beklagten vom 21.10.2008 ist nicht etwa deshalb sozial gerechtfertigt im Sinne von § 1 KSchG, weil der Arbeitsplatz der Klägerin im B Betrieb der Gemeinschuldnerin aufgrund einer Betriebsschließung in Wegfall geraten wäre. Der B Betrieb der Gemeinschuldnerin war weder im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung am 21.10.2008 geschlossen, noch ist er zum 31.01.2009 oder zu irgendeinem anderen früheren oder späteren Zeitpunkt geschlossen worden. Er wird vielmehr heute noch weiter betrieben. Der Beklagte kann die streitige betriebsbedingte Kündigung vom 21.10.2008 auch nicht damit rechtfertigen, dass im Zeitpunkt ihres Ausspruchs eine unternehmerische Entscheidung bestanden habe, den B Betrieb der Gemeinschuldnerin zu schließen, wodurch dann der Arbeitsplatz der Klägerin in Wegfall geraten wäre. Richtig ist, dass ein Unternehmer arbeitsrechtlich nicht dazu gezwungen werden kann, weiter unternehmerisch tätig zu sein. Es steht ihm daher grundsätzlich frei, die Entscheidung zu treffen, seine unternehmerische Tätigkeit ganz oder teilweise einzustellen und dabei einen bestimmten Betrieb zu schließen mit der Folge, dass das Bedürfnis zur Weiterbeschäftigung der darin tätigen Arbeitnehmer in Wegfall gerät. Eine solche unternehmerische Entscheidung führt jedoch nur dann zu einer arbeitsrechtlich anzuerkennenden Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung, wenn der Entschluss zur Betriebsstilllegung in dem für die Beurteilung der Rechtswirksamkeit einer Kündigung maßgeblichen Zeitpunkt ihres Ausspruchs als ernsthaft und endgültig anzusehen ist (BAG vom 29.09.2005, NZA 2006, 720 ff.; BAG vom 21.06.2001, AP § 15 KSchG Nr. 50). Das Berufungsgericht hat erhebliche Zweifel, ob hinsichtlich der im vorliegenden Kündigungsschutzverfahren allein interessierenden Filiale B der Gemeinschuldnerin jemals eine unternehmerische Entscheidung zur Stilllegung getroffen worden ist, die in dem eben genannten Sinne als ,ernsthaft und endgültig' bezeichnet werden könnte. Jedenfalls ergibt sich aber bereits aus dem unstreitigen Ablauf der Ereignisse, dass am 21.10.2008, also in dem zur Beurteilung der Rechtswirksamkeit der vorliegend streitigen Kündigung maßgeblichen Zeitpunkt ihres Ausspruchs, ein solcher als ernsthaft und endgültig zu bezeichnender Stilllegungsbeschluss nicht (mehr) bestand. ... Zwar steht es der Endgültigkeit und Ernsthaftigkeit eines Stilllegungsbeschlusses nicht entgegen, wenn sich der Unternehmer oder insbesondere ein an dessen Stelle getretener Insolvenzverwalter den Vorbehalt offen lässt, eine sich wider Erwarten doch noch bietende Möglichkeit zur Fortführung des Betriebes oder Unternehmens zu ergreifen, nachdem alle bisherigen Bemühungen in diese Richtung zum gegenwärtigen Zeitpunkt als endgültig gescheitert eingestuft werden. Hingegen fehlt es aber an einem als endgültig zu wertenden Entschluss zur Betriebsstilllegung, solange der Arbeitgeber/Insolvenzverwalter im Zeitpunkt der Kündigung noch in Verhandlungen über eine Veräußerung des Betriebs steht und gleichwohl wegen Betriebsstilllegung kündigt (BAG vom 29.09.2005, NZA 2006, 720 ff.; BAG vom 10.10.1996, AP § 1 KSchG betriebsbedingte Kündigung Nr. 81). So liegt der Fall auch hier. Für das Berufungsgericht besteht schon aufgrund des unstreitigen Sachverhalts kein Zweifel daran, dass sich der Beklagte jedenfalls im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung am 21.10.2008 weiterhin in - aussichtsreichen - Verhandlungen mit einem oder mehreren Investoren bzw. Übernahmeinteressenten befand. Darüber hinaus spricht vieles dafür, dass dies auch bereits im Zeitpunkt der "unternehmerischen Entscheidung" vom 17.09.2008 der Fall war. Gegen die Ernsthaftigkeit des Stilllegungsbeschlusses vom 17.09.2008 spricht indiziell bereits der Umstand, dass es in der Folgezeit zu einer Stilllegung der Filiale Bonn tatsächlich nie gekommen ist (vgl. BAG vom 02.06.2005, AP § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 75; BAG vom 27.11.2003, AP § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 64; Erfurter Kommentar/Oetker, § 1 KSchG Rdnr. 243). ..."

Die Praxis zeigt leider, dass Insolvenzverwahlter kurz nach Eröffnung des Verfahrens sehr oft sog. Vorratskündigungen aussprechen, nämlich für den Fall, dass in dem Insolvenzverfahren keine Rettung des zahlungsunfähigen und / oder überschuldeten Unternehmens erreicht werden kann. In solchen Fällen liegt - um es mit den Worten des Landesarbeitsgerichts Köln zu sagen - überhaupt kein ernsthafter und endgültiger Stilllegungsbeschluss des Insolvenzverwalters vor. Hierauf können sich allerdings bei Bekanntwerden entsprechender Indizien nur solche Arbeitnehmer berufen, die gegen die Kündigung des Insolvenzverwalters rechtzeitig eine Kündigungsschutzklage erhoben haben! Hierzu muß man wissen, dass eine Kündigung gemäß § 7 KSchG als von Anfang rechtswirksam gilt, wenn der betroffene Arbeitnehmer nicht innerhalb einer Frist von drei Wochen (§ 4 Satz 1 KSchG) beim Arbeitsgericht eine Klage auf Feststellung erhebt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist Kündigungsschutzklage). Die Vermutung vieler Arbeitnehmer, dass ihnen nach jeder Kündigung automatisch ein Rechtsanspruch auf eine Abfindung zusteht, ist aus diesem Grund unzutreffend. Nur diejenigen Arbeitnehmer, die nach Erhalt einer Kündigung fristgerecht eine Kündungsschutzklage erheben, haben in der Regel die Aussicht auf einen finanziellen Ausgleich für den Verlust Ihres Arbeitsplatzes. Eine Kündigung ist also sofort, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Erhalt der Kündigung, beim Arbeitsgericht mit einer Kündigungsschutzklage anzugreifen! Diese Frist ist auch bei einer Kündigung durch den Insolvenzverwalter unter allen Umständen zu beachten! Eine Kündigung kann nur vom Arbeitsgericht als unwirksam erklärt werden, denn das Gesetz sieht insoweit als einzigen und ausschließlichen Rechtsbehelf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage vor. Es bringt demnach nichts, der Kündigung zu widersprechen oder sich vom Insolvenzverwalter nach Erhalt einer Kündigung vertrösten zu lassen, dass man eine "andere Lösung" finden wird. Es ist in aller Regel auch naiv darauf zu hoffen, dass sich der Insolvenzverwalter die Sache anders überlegt. Entsprechende Absichtserklärungen des Insolvenzverwalters dienen meistens nur dazu, den gekündigten Arbeitnehmer von der fristgerechten Erhebung einer Kündigungsschutzklage abzuhalten. Lassen Sie sich gar nicht erst auf solche Spielchen ein!

Zusammenfassend lässt sich damit sagen, dass auch denjenigen Arbeitnehmern, die eine Kündigung vom Insolvenzverwalter erhalten haben, nur dringend geraten werden kann, fristwahrend eine Kündigungsschutzklage zu erheben. Eine solche Kündigung sollte nicht als unabwendbares Schicksal hingenommen werden. Es lohnt sich fast immer, um den Arbeitsplatz zu kämpfen. Wer diesem Kampf aus dem Wege geht, verliert ganz sicher seine Anstellung und in der Regel auch jeden Anspruch auf Zahlung einer Abfindung. Eine Kündigung ist auch für den Insolvenzverwalter zuweilen schwer zu begründen und durchzusetzen. Es gibt deshalb keinen Grund, nach dem Erhalt einer vom Insolvenzverwalter ausgesprochenen Kündigung mutlos zu kapitulieren. Nur wer kämpft, kann gewinnen!

Der Entschluss, keine Kündigungsschutzklage zu erheben, wird gelegentlich mit der Angst vor hohen Anwaltskosten begründet. Wenn eine Rechtsschutzversicherung besteht, die auch die Verfolgung und Abwehr von Ansprüchen aus Arbeitsverhältnissen sowie öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen mit einschließt, ist diese Angst völlig unbegründet. Entsprechend versicherte Arbeitnehmer können dann unbesorgt einen geeigneten Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung Ihrer Interessen beauftragen. Die damit verbundenen Kosten werden auf jeden Fall von der Rechtsschutzversicherung übernommen. Auch wenn keine Rechtsschutzversicherung besteht, sollte dies niemanden von der Erhebung einer Kündigungsschutzklage abhalten. Die Betroffenen übersehen oft die Möglichkeit, einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zu stellen. Ist ein Arbeitnehmer nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Prozesskosten aufzubringen, kann er beim Arbeitsgericht einen Prozesskostenhilfeantrag stellen. Im Falle der Bewilligung erhält der Rechtsanwalt seine Vergütung unmittelbar aus der Staatskasse.

www.rechtsanwaelte-ls.de 

www.arbeitsrecht-mk.de

www.arbeitsrecht-lexikon.de