BGH bestätigt strenge Anforderungen an Werbeanrufe - Double-Opt-In-Verfahren sind unzureichend (Urteil des BGH vom 10. Februar 2011 - I ZR 164/09)

Internet, IT und Telekommunikation
27.04.2011933 Mal gelesen
BGH bestätigt strenge Anforderungen an Werbeanrufe - Double-Opt-In-Verfahren sind unzureichend (Urteil des BGH vom 10. Februar 2011 - I ZR 164/09) - Telefonwerbung

Mit der Novelle des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb wurde die EG-Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken zwischen Unternehmen und Verbrauchern zum 1. Mai 2005 umgesetzt, die seit 30. Dezember 2008 in Kraft ist. Die Möglichkeit des Telefonmarketings gegenüber Verbrauchern ist hierdurch erheblich eingeschränkt worden. Denn nach § 7 II 2 UWG ist eine Telefonwerbung gegenüber Verbrauchern ohne deren Einwilligung unzulässig, bei "sonstigen Marktteilnehmern" muss zumindest eine mutmaßliche Einwilligung vorliegen. Das Gesetz sieht Sanktionen wie Bußgelder bis zu € 50.000,00 ebenso vor, wie die Ahndungsmöglichkeit durch die Bundesnetzagentur.

In der Vergangenheit wurde wiederholt versucht, mit den sogenannten Double-Opt-In-Verfahren die Einwilligung der Verbraucher zu erlangen. Dies ist häufig in der Weise erfolgt, dass im Rahmen von anderen Maßnahmen, wie z.B. Gewinnspielen, der Verbraucher aufgefordert wurde, im Internet seine Telefonnummer zu hinterlegen. Durch Markieren eines weiteren Feldes, welches der Verbraucher anklicken musste, hat dieser dann sein Einverständnis mit der generellen Telefonwerbung erklärt. Daraufhin wurde an den Teilnehmer eine E-Mail mit dem Hinweis auf die Registrierung für das Gewinnspiel an die betreffende E-Mailadresse übersandt, die dann wiederum von dem Empfänger mit Anklicken eines Links bestätigt werden musste.

Der Bundesgerichtshof hatte über die Klage der Verbraucherzentrale Sachsen gegen die AOK Plus, die Allgemeine Ortskrankenkasse für Sachsen und Thüringen, zu entscheiden. Diese hatte sich im Jahr 2003 gegenüber der Verbraucherzentrale verpflichtet, es zu unterlassen, Verbraucher ohne deren Einwilligung zu Werbezwecken anzurufen, wie dies die seit Ende 2008 geltende gesetzliche Vorschrift nunmehr ebenfalls vorsieht. Gegen diese Verpflichtung ist im September 2008 verstoßen worden, da zwei Verbraucher Werbeanrufe von einem Callcenter erhalten haben, das von der AOK Plus beauftragt worden ist. Mit der Klage hat die Verbraucherzentrale die AOK auf Zahlung der von der AOK seinerzeit zugesagten Vertragsstrafe für den Fall eines weiteren Verstoßes in Anspruch genommen.

Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes sei das dargestellte elektronisch durchgeführte Double-Opt-In-Verfahren von vornherein ungeeignet, um das gesetzlich geforderte Einverständnis von Verbrauchern mit Werbeanrufen zu belegen. Zwar könne bei Vorlage der dabei angeforderten elektronischen Bestätigung angenommen werden, dass der Teilnahmeantrag für das Online-Gewinnspiel tatsächlich von der angegebenen e-Mailadresse stamme. Hierdurch sei aber keineswegs sichergestellt, dass es sich bei der dort angegebenen Telefonnummer dann auch tatsächlich um den Anschluss des Verbrauchers handelt, der seinerzeit die Bestätigungs-E-Mail versandt habe. Nach Auffassung des Gerichtes komme eine Vielzahl von anderen Gründen für eine versehentliche oder vorsätzliche Eintragung einer unrichtigen Telefonnummer in Betracht. Nach der gesetzlichen Vorschrift werde aber zwingend verlangt, dass der konkret angerufene Teilnehmer vor dem Werbeanruf ausdrücklich sein Einverständnis erklärt habe.

Nach Auffassung der Vorinstanzen, die vom Bundesgerichtshof bestätigt worden sind, sei es ohne Weiteres zuzumuten, die entsprechende E-Mail auch zu speichern. Dieser Nachweis konnte nicht von der AOK Plus geführt werden, die sich nur allgemein auf die Einhaltung des Double-Opt-In-Verfahrens berufen hat.

Mit seiner Entscheidung hat der 1. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes darüber hinaus noch einmal bestätigt, dass die strengen Anforderungen, die das deutsche Recht an die Zulässigkeit von Werbeanrufen von Verbrauchern stellt, mit dem Recht der europäischen Union vereinbar sei.

Ausblick

Trotz der sehr strengen gesetzlichen Anforderungen an das Telefonmarketing, insbesondere gegenüber Verbrauchern, hat dies in der Praxis nicht zu einem Rückgang der Cold Calls geführt. Vielmehr haben in einigen Branchen die unbefugten Telefonanrufe sogar noch erheblich zugenommen.

Um sich gesetzeskonform zu verhalten, muss bei Telefonanrufen von Verbrauchern daher konkret die vorherige Einwilligung gerade für den betreffenden Telefonanruf nachgewiesen werden, dies dürfte realistisch wohl kaum in der Praxis gelingen.

Auch an das Vorliegen einer mutmaßlichen Einwilligung bei geschäftlichen Cold Calls werden nach der Rechtsprechung aber hohe Anforderungen gestellt. Hierfür reicht noch nicht einmal ein allgemeiner Sachbezug aus. Vielmehr wird letztendlich nur bei einer laufenden Geschäftsbeziehung und bei Werbung, welche die bisherige Geschäftsbeziehung konkret tangiert, von einem mutmaßlichen Einverständnis auszugehen sein.

Unkritisch ist nach wie vor die klassische Werbung per Post, welcher daher jeglicher Art von Telefonwerbung künftig der Vorzug gegeben werden sollte.

  

Viola Rust-Sorge

Rechtsanwältin

Fachanwältin für Gewerblichen Rechtsschutz