Absehen von der Verhängung eines Fahrverbotes

Strafrecht und Justizvollzug
04.06.2012428 Mal gelesen
Darstellung der Voraussetzungen, damit die Entscheidung später nicht durch das Rechtsbeschwerdegericht aufgehoben wird.

Typische Folgen und Unannehmlichkeiten eines im Bußgeldverfahren verhängten Fahrverbotes, wie der Zwang zur Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, sind nach Ansicht der Rechtsprechung als selbstverschuldet hinzunehmen.

Beruflich-wirtschaftliche Folgen können aber eine unangemessene Härte darstellen, und somit die Pflicht zum Absehen von der Verhängung des Fahrverbotes begründen, wenn das Fahrverbot zu einer nicht auf zumutbare Weise anders abwendbaren Existensgefährdung führt und nicht aus anderen Gründen gleichwohl notwendig ist.

Bei Arbeitnehmern ist hierfür eine konkret drohende Kündigung des Arbeitsplatzes erforderlich, welche nicht durch Verbüßung des Fahrverbots im Urlaub oder andere zumutbare Maßnahmen abgewendet werden kann.

Bei Selbständigen und Freiberuflern ist eine konkrete Existenzbedrohung zu verlangen, welche nicht durch Vollstreckung von Urlaub oder Einstellung eines Fahrers zumutbar abzuwenden ist (BayObLG, NZV 2002, 143; OLG Frankfurt a.M., NStZ-RR 2000, 312; OLG Hamm, VRR 2006, 393; OLG Karlsruhe, NZV 2006, 326; AG Lüdinghausen, NZV 2009, 251.).

Das Absehen vom Fahrverbot ist im gerichtlichen Verfahren durch das Amtsgericht zu begründen. In manchen Fällen kommt es nämlich zu einer Rechtsbeschwerde gegen das Absehen von der Verhängung eines Fahrverbotes seitens der Staatsanwaltschaft.

So in einer Entscheidung durch das OLG Hamm vom 21.12.2011, III-3 RBs 326/11. Darin hat das OLG ausgeführt:

"Der vom Amtsgericht festgestellte Sachverhalt vermag ein Absehen von der Verhängung eines Fahrverbotes nicht zu rechtfertigen.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts ist der Betroffene verheiratet sowie Vater einer Tochter und verfügt über ein geregeltes Einkommen. Er ist als angestellter Oberarzt in einem Krankenhaus in S tätig. Dort ist er als einer von zwei Oberärzten für seine Abteilung verantwortlich. Im Rahmen seiner Beschäftigung hat er an jedem zweiten Wochenende sowie zwei- bis dreimal in jeder Woche Rufbereitschaft. Im Rahmen dieser Rufbereitschaft hat er sich auch außerhalb der normalen Arbeitszeit in der Nähe des Krankenhauses aufzuhalten, um im Falle außerplanmäßiger Notfälle zeitnah an seinem Arbeitsplatz eintreffen zu können.

Zur Begründung seiner Entscheidung, von der Verhängung eines Fahrverbotes abzusehen, hat das Amtsgericht ausgeführt, der Betroffene sei zum Tatzeitpunkt auf der Rückfahrt vom Krankenhaus zu seiner Wohnung in C gewesen. Während der Fahrt sei er im Rahmen seiner Rufbereitschaft aufgrund eines Notfalles zurück in die Klinik gerufen worden. Noch bevor er die Fahrtrichtung habe ändern können, sei es zu dem festgestellten Verstoß gekommen. Der Betroffene sei aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit auf seine Fahrerlaubnis angewiesen. Aufgrund der Rufbereitschaft müsse er in der Lage sein, sich in kurzer Zeit - auch zur Nachtzeit - in das Krankenhaus begeben zu können. Da auf seiner Station, ihn eingerechnet, nur zwei

Oberärzte beschäftigt seien, sei es ihm nicht möglich, für die Dauer eines Monates Urlaub zu nehmen."

Das Vorliegen einer groben Pflichtverletzung im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG ist bei einer Ordnungswidrigkeit grds. gegeben, wenn gemäß Bußgeldkatalogs-Verordnung ein Fahrverbot zu verhängen ist. Im vorliegenden Fall war die Vermutungswirkung durch die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil nicht widerlegt.

Insbesondere lagen keine Anhaltspunkte für ein Augenblicksversagen des Betroffenen vor.

Eine grobe Pflichtverletzung kann auch nicht deswegen verneint werden, weil sich der Betroffene aufgrund einer Benachrichtigung durch das Krankenhaus auf der Rückfahrt dorthin zu einem Patienten befand. Unabhängig von der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine etwaige Absicht des Betroffenen, einem leidenden Patienten zu helfen, überhaupt geeignet ist, den Handlungsunwert des vorliegenden Fahrlässigkeitsdeliktes zu mindern, lässt sich dem angefochtenen Urteil schon nicht entnehmen, um welche Art von Notfall es sich handelte. Es ist darüber hinaus kaum anzunehmen, dass die Nichtbefolgung des roten Wechsellichtzeichens angesichts der nicht unerheblichen Entfernung zwischen dem Tatort und dem Krankenhaus, in dem der Betroffene arbeitet, überhaupt zu einem messbaren Zeitgewinn für den Betroffenen geführt hat und damit ein geeignetes Mittel zur Abwehr von Gefahren für den Patienten war (vgl. hierzu OLG Düsseldorf, NZV 1996, 122). Schließlich kommt dem Umstand Bedeutung zu, dass der Nichtbefolgung des roten Wechsellichtzeichens ein - zumindest abstraktes, wenn nicht im vorliegenden Einzelfall sogar konkretes - erhebliches Gefahrenpotential innewohnte, das gegen die möglichen nachteiligen Folgen, die ein späteres Eintreffen des Betroffenen im Krankenhaus für den Patienten gehabt hätte, abzuwägen ist.

Auch auf der Rechtsfolgenseite konnten die Ausführungen des Amtsgerichts ein Absehen von der Verhängung eines Fahrverbotes nicht rechtfertigen.

Zwar unterliegt die Entscheidung, ob trotz Vorliegens eines Regelfalls der konkrete Sachverhalt Ausnahmecharakter hat und demgemäß von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen werden kann, in erster Linie der Beurteilung durch den Tatrichter (vgl. BGH, NZV 1992, 286). Dem Tatrichter ist jedoch insoweit kein rechtlich ungebundenes, freies Ermessen eingeräumt, das nur auf Vorliegen von Ermessensfehlern hin vom Rechtsbeschwerdegericht überprüfbar ist, sondern der dem Tatrichter verbleibende Entscheidungsspielraum ist durch in Rechtsnormen niedergelegte oder von der Rechtsprechung herausgearbeitete Zumessungskriterien eingeengt und unterliegt insoweit hinsichtlich der Angemessenheit der verhängten Rechtsfolge in gewissen Grenzen der Kontrolle durch das Rechtsbeschwerdegericht, und zwar insbesondere hinsichtlich der Annahme der Voraussetzungen eines Durchschnittsfalls oder Regelfalls, zu der auch die Frage der Verhängung bzw. des Absehens von der Verhängung des Regelfahrverbots nach der Bußgeldkatalog-Verordnung zu zählen ist (OLG Hamm, Beschluss vom 12. Oktober 2007 - 3 Ss OWi 560/07).

Daraus ist zu folgern:

1. der Betroffene in einem Bußgeldverfahren darf es nicht allein dem Gericht überlassen, die Begründung zum Absehen vom Fahrverbot zu liefern;

2. dem Gericht müssen mit einer Antragsschrift und dazugehörigen Belegen die Angaben vorgelegt werden, die ein Absehen vom Fahrverbot auf der Tatbestands- und Rechtsfolgenseite ermöglichen;

3. die Antragsschrift muss zusammen mit einem versierten Verteidiger ausgearbeitet werden;

4. die Belege müssen umfangreich sein, weil nur so die o.g. Zumessungskriterien für das Gericht, die Staatsanwaltschaft und das Rechtsbeschwerdegericht dermaßen "eng" gemacht werden, dass ein negative Rechtsbeschwerdeentscheidung nahezu nicht mehr denkbar ist;

5. die Antragsschrift muss in der Regel von Reue getragen sein.

 

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