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Rufbereitschaft

 Normen 

§ 7 f. TVöD

§ 7 f. TV-L

 Information 

1. Begriffsbestimmung Rufbereitschaft

Rufbereitschaft ist die Verpflichtung des Arbeitnehmers zum Aufenthalt an einem bestimmten Ort und zur Aufnahme der Arbeit im Bedarfsfall. In Tarifverträgen werden für die Rufbereitschaft teilweise andere Bezeichnungen verwandt.

Die Rufbereitschaft zählt arbeitsrechtlich zur Ruhezeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes. Sie ist gegeben, wenn der Arbeitnehmer verpflichtet ist, auf eine entsprechende Aufforderung des Arbeitgebers sich umgehend ("auf Abruf") an den Arbeitsort - sei es im Betrieb oder bei einem Kunden - zu begeben hat, um die Arbeit aufzunehmen. Der Aufenthaltsort kann grundsätzlich von dem Arbeitnehmer frei bestimmt werden, er darf aber nicht so weit von dem Arbeitsort entfernt sein, dass der Einsatz gefährdet wird.

Grundsätzlich unterscheiden sich Ruf- und Bereitschaftsdienst/Arbeitsbereitschaft daher durch die unterschiedliche Bestimmung des Aufenthaltsortes. Bei der Rufbereitschaft bestimmt der Arbeitnehmer, bei der Arbeitsbereitschaft der Arbeitgeber den Aufenthaltsort.

Die Anzeige des Aufenthaltsortes kann u.U. entfallen, wenn der Arbeitnehmer durch ein Mobiltelefon u.Ä. erreichbar ist und sein Aufenthaltsort nicht zu einer Verzögerung der Arbeitsaufnahme führt.

2. Bezeichnung der Arbeitsleistung nicht entscheidend

Unterliegt die Wahl des Aufenthaltsortes jedoch der Vorgabe des Arbeitgebers, dass der Arbeitnehmer nach der Information über den Einsatz innerhalb von 15 bis 20 Minuten seinen Dienst aufnehmen muss, wird durch den Faktor Zeit die Bestimmung des Aufenthaltsortes letztlich durch den Arbeitgeber streng reglementiert. In diesem Fall liegt trotz ggf. gegenteiliger Bezeichnung als Rufbereitschaft ein (höher zu vergütender) Bereitschaftsdienst/ eine Arbeitsbereitschaft vor (LAG Rheinland-Pfalz 20.09.2012 - 11 Sa 81/12).

Das Verwaltungsgericht Darmstadt hatte dem EuGH die Frage vorgelegt, ob die von einem Feuerwehrmann geleistete Rufbereitschaft als Arbeitszeit im Sinne des Art. 2 der RL 2003/88 angesehen werden kann.

Der EuGH (EuGH 09.03.2021 - C 580/19) hat entschieden, dass eine Rufbereitschaft, während der ein Arbeitnehmer in der Lage sein muss, innerhalb von 20 Minuten in Einsatzkleidung mit dem ihm von seinem Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Einsatzfahrzeug unter Inanspruchnahme der für dieses Fahrzeug geltenden Sonderrechte gegenüber der Straßenverkehrsordnung und Wegerechte die Stadtgrenze seiner Dienststelle zu erreichen, Arbeitszeit im Sinne der EU-Arbeitszeit-Richtlinie sein kann.

Dies ist der Fall, wenn

  • eine Gesamtbeurteilung aller Umstände des Einzelfalls, zu denen die Folgen einer solchen Zeitvorgabe und gegebenenfalls die durchschnittliche Häufigkeit von Einsätzen gehören, ergibt,

  • dass die dem Arbeitnehmer auferlegten Einschränkungen von solcher Art sind,

  • dass sie seine Möglichkeiten, dann die Zeit, in der seine beruflichen Leistungen nicht in Anspruch genommen werden, frei zu gestalten und sie seinen eigenen Interessen zu widmen,

  • objektiv gesehen ganz erheblich beeinträchtigen.

Bereits im November desselben Jahres hatte der EuGH eine Gelegenheit, einen Anwendungsfall dieser Kriterien aufzuweisen (EuGH 11.11.2021 - C 214/20):

" ... (die Arbeitszeit-Richtlinie) ist dahin auszulegen, dass Bereitschaftszeit, die ein Reserve-Feuerwehrmann in Form von Rufbereitschaft leistet und während deren dieser Arbeitnehmer mit Genehmigung seines Arbeitgebers eine selbständige berufliche Tätigkeit ausübt, aber im Fall eines Notrufs innerhalb einer maximalen Frist von zehn Minuten seine Dienstwache erreichen muss, keine "Arbeitszeit" im Sinne dieser Bestimmung darstellt, wenn eine Gesamtbeurteilung aller Umstände des Einzelfalls - insbesondere des Umfangs und der Modalitäten dieser Möglichkeit, eine andere berufliche Tätigkeit auszuüben, sowie des Umstands, dass er nicht verpflichtet ist, an allen von seiner Dienstwache aus durchgeführten Einsätzen teilzunehmen - ergibt, dass die dem Arbeitnehmer während der Bereitschaftszeit auferlegten Einschränkungen nicht von solcher Art sind, dass sie seine Möglichkeit, während der Bereitschaftszeit die Zeit, in der seine beruflichen Leistungen als Feuerwehrmann nicht in Anspruch genommen werden, frei zu gestalten, objektiv ganz erheblich beeinträchtigen."

3. Verpflichtung zur Leistung von Rufbereitschaft

Die Anordnung von Bereitschaftszeiten in Form von Rufbereitschaft ist grundsätzlich vom Direktionsrecht des Arbeitgebers umfasst (BAG 27.07.2021 - 9 AZR 448/20).

Nach § 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 SGB IX haben schwerbehinderte Menschen und diesen Gleichgestellte u.a. Anspruch auf eine behinderungsgerechte Gestaltung der Arbeitsorganisation und der Arbeitszeit. Dies schließt die Gestaltung von Sonderformen der Arbeit wie z.B. Bereitschaftsdienst oder Rufbereitschaft ein. Die Vorschrift begründet einen einklagbaren Anspruch des schwerbehinderten Arbeitnehmers oder eines diesem Gleichgestellten, nicht (mehr) zu Rufbereitschaftsdiensten eingeteilt zu werden, wenn er diese wegen seiner Behinderung nicht ausüben kann oder es sich um Mehrarbeit handelt (BAG 27.07.2021 - 9 AZR 448/20).

 Siehe auch 

Arbeitsbereitschaft

Arbeitszeit

Bereitschaftsdienst

BAG 10.04.2013 - 5 AZR 97/12 (Berücksichtigung des Entgelts für Zeiten der Rufbereitschaft bei der Berechnung des Referenzentgelts)

BAG 05.02.2009 - 6 AZR 114/08 (Vergütung für zwei Rufbereitschaften an einem Tag oder binnen 24h)

BAG 22.01.2004 - 6 AZR 544/02 (Rufbereitschaft im Sinne des Zulagentarifvertrages DB AG)

BAG 09.10.2003 - 6 AZR 447/02 (Vergütung der Rufbereitschaft)

BAG 29.06.2000 - 6 AZR 900/98 (Mitführen von Handy als Rufbereitschaft)

Debong: Chefarzt und Rufbereitschaft. Teilnahmeverpflichtung, Arbeitsaufnahme, Vergütung; Arztrecht - ArztR 2013, 285

Schliemann: Arbeitszeitgesetz mit Nebengesetzen, Kommentar; 4. Auflage 2020

Zetl: Die Rufbereitschaft. Arbeitszeitmodelle in Altenheimen, Heimen der Jugendhilfe und Kliniken; Die Mitarbeitervertretung - ZMV 2011, 300