Schwarzarbeit – Jetzt auch fahrlässig!

07.04.2020246 Mal gelesen
Seit dem 18.7.2019 ahndet der Gesetzgeber die Beauftragung von Scheinselbständigen auch bei Fahrlässigkeit. Gelungen ist das Gesetz leider nicht.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz "drückte auf die Tube" und setzte sein angekündigtes Gesetz zur intensiveren Bekämpfung der Schwarzarbeit in Deutschland in Rekordzeit um. Am 18. Juli 2019  trat das Gesetz gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch nach einer nur 5-monatigen Beratungszeit in Kraft und den zukünftig davon betroffenen Unternehmen stehen schwere Zeiten bevor. Dabei strotzt das Gesetz nur so von handwerklichen Fehlern - wie so oft bei solchen gesetzgeberischen "Schnellschüssen".

 

Hohe Bußgelder bei Fahrlässigkeit

Bislang musste die Staatsanwaltschaft den Unternehmen bzw. deren Verantwortlichen nachweisen, dass diese vorsätzlich Scheinselbständige beschäftigt hatten, d.h. die erforderlichen Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt hatten. Auch wenn es dafür ausreicht, dass die Tat "billigend" in Kauf genommen wird, standen die deutschen Strafverfolger häufig vor dem Problem, dass die Abgrenzung zwischen einer selbständigen und einer scheinselbständigen Tätigkeit anhand einer Vielzahl von Kriterien zu erfolgen hat, die zwar im Nachhinein ermittelt werden, aber der Geschäftsführung völlig unbekannt gewesen sein können. Damit ist jetzt Schluss. Von nun an wird auch derjenige verfolgt, der Scheinselbständige fahrlässig beauftragt. Der Gesetzgeber konnte sich noch dazu durchringen, eine erhöhte Form der Fahrlässigkeit zu fordern, die sog. "Leichtfertigkeit", d.h. der Unternehmensführung muss eine grobe Missachtung der sozialversicherungsrechtlichen Regeln vorzuwerfen sein, der Verstoß muss sich förmlich aufgedrängt haben. Zudem verwirklicht der Verstoß keine Straftat sondern eine Ordnungswidrigkeit. Aufatmen ist dadurch aber nicht angezeigt. Denn die Verantwortlichen müssen sich auf deutlich höhere Bußgelder einstellen, die viel eher in den Bereich der Existenzgefährdung münden werden. Wird bei einer vorsätzlichen Begehung über mehrere Monate hinweg letztendlich eine Gesamt(geld)strafe gebildet, lässt das Bußgeldrecht eine Gesamtgeldbuße nicht zu. Vielmehr kann jede einzelne Tat mit einer Geldbuße bis zu 50.000 ? geahndet werden und die Einzelgeldbußen werden dann schlicht addiert.

 

Schreiberfälle

Zudem wollte der Gesetzgeber das Phänomen sog. "Schreiber" bekämpfen, d.h. Firmen, die nur auf dem Papier ohne tatsächliche Leistungserbringung zwischengeschaltet sind, um eine weitere (zweite, dritte oder vierte) unternehmerische Ebene vorzutäuschen und um die Ermittlung der eigentlichen Verhältnisse zu erschweren. Das Gesetz ist an dieser Stelle völlig aus dem Ruder gelaufen. Erforderlich ist lediglich, dass ein Beleg über Dienst- oder Werkleistungen erstellt oder verwendet wird, der inhaltlich unrichtig ist und Scheinselbständigkeit ermöglicht. Damit erfasst der Text zwar die sog. "Schreiber", aber auch jeden (normalen) Fall einer Fehleinschätzung über das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit und zusätzlich bei sämtlichen Beteiligten. Denn dass die bei Scheinselbständigkeit jeweils vom Auftragnehmer gestellte Rechnung falsch ist, weil er kein Unternehmer ist und er diese selbst bzw. der Auftragnehmer durch buchhalterische Verarbeitung/ Weiterleitung an den Steuerberater/ Vorlage im Rahmen der Betriebsprüfung (Hauptzollamt, Finanzamt, Deutsche Rentenversicherung) in den Verkehr gebracht haben, versteht sich von selbst. Dabei nimmt das Gesetz keine Unterscheidung mehr dahin vor, wer die Rechnung erstellt oder in den Verkehr gebracht hat. Betraf die Frage der Scheinselbständigkeit bislang insbesondere die Geschäftsführung, weil dort die persönliche Pflicht zur Abführung der Sozialversicherungsbeträge lag, stellt das Gesetz nur noch auf das Erstellen bzw. Inverkehrbringen an sich ab. Leichtfertigkeit wird auch nicht gefordert, sondern es genügt bereits einfachste Fahrlässigkeit. Und das alles bei einer - im Vergleich zur leichtfertigen Scheinselbständigkeit - dann noch erhöhten Geldbußenandrohung von jeweils bis zu 100.000 ? je Tat, d.h. je erstellter oder in den Verkehr gebrachter Rechnung sowie (weil addiert) neben jeder wegen etwaiger leichtfertig begangener Scheinselbständigkeit zu verhängender Geldbuße.

 

"Besonders schwerer Fall" im Bußgeldrecht

Darüber hiinaus entwickelte der Gesetzgeber - ohne weitere Begründung - den bislang dem Bußgeldrecht systemfremden Fall eines "besonders schweren Falls" einer Ordnungswidrigkeit. Danach soll die missachtete Rechnungserstellung als Teil einer Bande (ab 3 Personen) oder aus grobem Eigennutz mit einer Geldbuße von jeweils bis zu 500.000 ? verfolgt werden können. Dabei griff der Gesetzgeber offensichtlich auf die Regeln bei der Steuerhinterziehung zurück. Dumm nur, dass die dabei als Vorlage verwendete Gesetzesfassung offensichtlich schon etwas veraltet war. Denn gerade weil die Strafgerichte das rein subjektive Merkmal des "groben Eigennutzes", also einem über das normale Maß hinausgehende Streben nach einem eigenen Vorteil, bei der Steuerhinterziehung so gut wie nie feststellen konnten, strich der Gesetzgeber schon Ende 2007 ganz bewusst diese Formulierung. Man kann daher nur den Kopf darüber schütteln, warum der Gesetzgeber meint, dass die Gerichte nunmehr dazu in der Lage sind.

 

Hauptzollämter werden Staatsanwaltschaften

Zuletzt musste in der Praxis der Verteidigung festgestellt werden, dass die Staatsanwaltschaften regelmäßig - bedingt durch Überlastung oder fehlendes Fachwissen - mehr oder weniger ungeprüft die Feststellungen der Hauptzollämter übernahmen, verbunden mit allen Nachteilen, die mit einer solchen unkontrollierten Übernahme der oft einseitig erscheinenden Ermittlungen der Hauptzollämter durch die eigentliche "Herrin des Vorverfahrens" verbunden waren. Entsprechender Kritik werden sich die Staatsanwaltschaften künftig entziehen. Denn die Hauptzollämter führen nun in Verfahren der Scheinselbständigkeit diese grundsätzlich eigenständig, d.h. sie nehmen nach Abgabe durch die Staatsanwaltschaft deren Rolle ein und können z.B. direkt beim Richter den Erlass eines Strafbefehls oder auch Durchsuchungsbeschlüsse beantragen. Vorlage war offensichtlich die spezielle Zuständigkeitsverteilung in Steuerstrafverfahren (Steuerfahndung als ermittelnde Behörde; Bußgeld- und Strafsachenstelle als Staatsanwaltschaft). Dass die Abgabe von der Staatsanwaltschaft an die Hauptzollämter durch die enorme personelle Aufstockung derselben gesetzgeberisch gewollt und praktisch durch die Staatsanwaltschaften zur eigenen Entlastung zukünftig der Regelfall sein wird, ist nicht schwer zu erraten.