Gewichtung der Einzelmerkmale in dienstlichen Beurteilungen

Beamtenrecht
19.08.202322 Mal gelesen
Beamtenbeurteilungen müssen nachvollziehbar sein. Je höher die Zahl der darin bewerteten Einzelmerkmale, desto notwendiger ist eine Gewichtung.

Beurteilungen bestehen aus mehreren Einzelmerkmalen (z.B. Arbeitsmenge, Arbeitsqualität, Soziale Kompetenzen etc.), die durch textliche Erläuterungen oder durch Ankreuzen einer Notenstufe bewertet werden können. Abschließend ist ein Gesamturteil zu treffen. Dieses Gesamturteil muss mit den Einzelbewertungen vereinbar sein und darf zu ihnen nicht in einem unlösbaren Widerspruch stehen. Die abschließende Begründung kann in Textform erfolgen, in Ankreuzbeurteilungen ist es aber grundsätzlich auch zulässig, das Gesamturteil ohne weitere textliche Begründung rechnerisch aus den Punktzahlen der Einzelbewertungen zu ermitteln.

Gewichtung der Einzelmerkmale

Dazu muss der Dienstherr jedoch vorgeben, wie die Einzelmerkmale zu gewichten sind. Denn dienstliche Beurteilungen bilden die zentrale Grundlage des Leistungsvergleichs im Auswahlverfahren zur Ämterbesetzung. Sie müssen sich deshalb vor allem an den Kriterien "Eignung, Befähigung und fachliche Leistung" (Leistungsgrundsatz) orientieren. Zulässig ist sowohl eine gleiche Gewichtung aller Einzelmerkmale als auch eine Abstufung je nach unterschiedlicher Bedeutung der Merkmale. Welches Gewicht der Dienstherr den einzelnen Merkmalen jeweils zuordnet, liegt in seinem Ermessen.

Grenzen des Ermessens

Dieses Ermessen und die rechnerische Ermittlung des Gesamturteils haben allerdings Grenzen. Denn nicht alle Merkmale oder Einzelaspekte, die der Dienstherr beurteilt wissen möchte, haben unter Leistungsgesichtspunkten zwangsläufig die gleiche Aussagekraft. Je höher die Gesamtzahl der Einzelmerkmale, desto näher liegt die Annahme, dass auch Merkmale bewertet werden, die aus Sicht des Dienstherrn zwar wichtig sein mögen, unter dem Blickwinkel des Leistungsprinzips dagegen nachrangig sind. So dürften z.B. "Fachwissen" oder "Arbeitsqualität" deutlich wichtiger sein, als "Fortbildungsbereitschaft" oder "Offenheit für Innovationsprozesse." In diesem Fall wäre die Gleichgewichtung aller Merkmale unzulässig mit der Folge, dass das Gesamturteil der Beurteilung gesondert begründet werden muss. Fehlt die Begründung, ist die Beurteilung rechtswidrig. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner jüngeren Rechtsprechung dazu einige Klarstellungen vorgenommen

Bundesverwaltungsgericht - 01.03.2018 - 2 A 10.17

Anforderungen des Statusamtes

Hinzukommt, dass die Gewichtung der Einzelmerkmale bei der Begründung des Gesamturteils einer dienstlichen Beurteilung auf die Anforderungen des Statusamts bezogen sein muss (BVerwG a.a.O., 2. Leitsatz). Die Bedeutung der einzelnen Merkmale darf nicht auf den konkreten Dienstposten bezogen sein. Eine unzureichende Begründung des Gesamturteils kann im Gerichtsverfahren auch nicht mehr nachgeholt werden.

Alte Beurteilungssysteme

Insbesondere im kommunalen Bereich finden sich noch Beurteilungssysteme, die über längere Zeiträume nicht den Anforderungen der Rechtsprechung angepasst wurden und den vorgenannten Kriterien nicht entsprechen. Dies kann Auswirkungen auf Beförderungsentscheidungen haben. Rechtswidrige Beurteilungen können nicht Grundlage einer Auswahlentscheidung sein. So hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht aktuell in einem Beschluss vom 26.04.2023 eine Besetzungsentscheidung für Dienstposten einer städtischen Berufsfeuerwehr beanstandet. Die Beurteilungen sahen 18 Einzelmerkmale vor, wie u.a. Fachkenntnisse, Arbeitsweise, Erscheinungsbild, Aus- und Fortbildung, Dienstsport, Gesprächsführung u.ä., die sämtlich gleich gewichtet waren. Die Summe aller Einzelbewertungen war das Gesamturteil. Das Gericht stellte hierzu fest, dass der Dienstherr seine "Gewichtungsbefugnis" überschritten hatte.  Die vorgesehenen Besetzungsentscheidungen wurden vorläufig untersagt.

Nds. OVG - B.v. 28.04.2023 - 5 ME 20/23

 

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