Wer sich übriggebliebene Verpflegungsreste aneignet kann fristlos entlassen werden

Wer sich übriggebliebene Verpflegungsreste aneignet kann fristlos entlassen werden
21.06.20131431 Mal gelesen
Der Diebstahl von 6 Maultaschen aus übriggebliebener Bewohnerverpflegung durch eine Altenpflegerin ist, so das Arbeitsgerichts Lörrach, geeignet eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen, wenn ein der Arbeitnehmerin bekanntes Verbot hinsichtlich der Verwertung von Resten durch das Personal besteht.

Eine 58-jährige in einem Pflegeheim beschäftigte Altenpflegerin hatte am 21. April 2009 von 6:30 Uhr bis 13:00 Uhr Frühschicht. In der Zeit zwischen 11:30 Uhr und 12:30 Uhr war unsere Altenpflegerin auf der Station 2 des Pflegebereichs mit der Essensausgabe beschäftigt.  Es herrscht das sogenannte Schöpf-Prinzip, das heißt, das Essen kommt in Warmbehältern in die Stationsküchen und wird für die Bewohner auf Teller geschöpft und angerichtet. An diesem Tag gab es unter anderem Maultaschen, die in der Brühe schwimmend in einem Behälter warm gehalten wurden. Nach Erledigung der Essensausgabe und der Aufräumarbeiten schöpfte sich unsere Altenpflegerin einige Maultaschen aus dem Behälter und füllte sie in eine in der Stationsküche üblicherweise verwendete Porzellangemüseschale. Gegen 13:15 Uhr, steckte sie diese Schale mit den Maultaschen in eine Stofftasche und wurde dabei von ihrer Vorgesetzten erwischt.

Am 23. April 2009 fand ein Personalgespräch statt, an dem neben der Altenpflegerin die Personalratsvorsitzende Frau W, die Heimleiterin Frau B, die Personalsachbearbeiterin Frau K und Frau E teilnahmen. Die Altenpflegerin behauptete, die Maultaschen genommen zu haben um sie zu essen, da sie großen Hunger gehabt und am Nachmittag noch zu der Schulung gemusst habe. Sie räumte ein, dass eine Erstattung der Kosten von ihr nicht beabsichtigt war und machte geltend, dass sie sich nichts weiter dabei gedacht habe.

In der Pflegeeinrichtung gab es einen Aushang, auf dem stand:

"bei einem Gespräch mit den Heimleitungen haben wir unter anderem den Punkt "Resteessen", d. h. den Verzehr von Resten aus der Bewohnerverpflegung durch das Personal besprochen. Aus ganz grundsätzlichen Erwägungen heraus erinnere ich Sie daran, dass die Reste aus der Bewohnerverpflegung immer an die ausliefernde Küche zurückzugeben sind. Ein Verzehr durch die Mitarbeiterinnen kann nicht gestattet werden."

Auf die Anhörung des Personalrates bat dieser "trotz des Diebstahls, um den es sich handle", insbesondere um Wahrung der Verhältnismäßigkeit, mahnte den christlichen Gesichtspunkt der Vergebung an und verwies auf die Möglichkeit einer schriftlichen Abmahnung.

Mit Schreiben vom 30. April wurde unserer Altenpflegerin ein Schreiben mit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung übergeben. Das Kündigungsschreiben hatte der Leiter der Stiftungsverwaltung, Herr W unterzeichnet.  

Unsere Altenpflegerin wies das Kündigungsschreiben zurück, weil Herr W seine Vollmacht zum Ausspruch der Kündigung nicht nachweisen konnte oder wollte. Außerdem erhob sie Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht.

Das Arbeitsgericht wies ihre Kündigungsschutzklage zurück.

Der Vorlage einer Originalvollmacht durch den Leiter der Stiftungsverwaltung W bedurfte es nicht; die Altenpflegerin konnte daher die Kündigungserklärung nicht mangels Nachweises einer Vollmacht zurückweisen, wie das Gericht sodann noch breit ausführt.

Im Übrigen sei die außerordentliche fristlose Kündigung berechtigt.

Die fristlose Kündigung war berechtigt, denn der Pflegeeinrichtung stand ein wichtiger Grund beiseite, der es ihr unter Berücksichtigung alle Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar macht, das Arbeitsverhältnis bis zum vorgesehenen Ende fortzuführen.

Nach der Rechtsprechung rechtfertigen von Arbeitnehmern zu Lasten des Arbeitgebers begangene Vermögensdelikte in der Regel eine außerordentliche Kündigung. Ein Arbeitnehmer, der während seiner Arbeitszeit strafrechtlich relevante Handlungen begeht, die sich gegen das Vermögen seines Arbeitgebers richten, verletzt damit schwerwiegend seine arbeitsvertraglichen Pflichten und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen in erheblicher Weise.

Der Arbeitnehmer bricht durch eine Eigentumsverletzung unabhängig vom Wert des Schadens in erheblicher Weise das Vertrauen des Arbeitgebers. Das Eigentum des Arbeitgebers könne auch nicht zu einem Bruchteil zur Disposition der bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer stehen. Die Tatsache, dass Reste von Bewohnerverpflegung, die aus den Stationsküchen zurückkommen, als Abfall und aufgrund lebensmittelrechtlicher Vorschriften entsorgt werden müssen, vermag nichts daran zu ändern, dass auch diese zum Arbeitgebereigentum gehörenden Bestandteile der Disposition der Mitarbeiter entzogen sind.

Für verhaltensbedingte Kündigungen gilt das sogenannte Prognoseprinzip. Der Zweck der Kündigung ist nicht eine Sanktion für die Vertragspflichtverletzung, sondern dient der Vermeidung des Risikos zukünftiger Pflichtverletzungen. Dem entspricht im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung, dass eine Kündigung wegen Vertragspflichtverletzung grundsätzlich eine Abmahnung voraussetzt, die an sich das geeignete mildere Mittel darstellt, um künftige gleichartige Vertragsstörungen zu vermeiden.

Eine vorherige Abmahnung ist jedoch ausnahmsweise dann entbehrlich, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft trotz Abmahnung nicht erwartet werden kann oder es sich um eine schwere Pflichtverletzung handelt, deren Rechtswidrigkeit für den Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und deren Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist.

Letzteres sei hier der Fall, sodass der fristlosen Kündigung keine Abmahnung vorhergehen musste.

 

(Quelle: Arbeitsgericht Lörrach, Urteil vom 16.10.2009;  4 Ca 248/09

Hinweis:Vor dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg  haben sich die Parteien sodann verglichen)

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