Rechtsanwalt Christian Solmecke: Wer eigenmächtig ein Handy entsperrt, macht sich strafbar!

Internet, IT und Telekommunikation
06.05.20112015 Mal gelesen
Ein aktuelles Urteil zur Sim-Lock –Problematik des Amtsgerichtes Göttingen soll Anlass geben, näher die Strafbarkeit beim eigenmächtigen Entsperren eines Handys zu betrachten. Darüber hinaus kommt Rechtsanwalt Christian Solmecke auch auf die zivilrechtlichen Folgen zu sprechen.

Am 04.05.2011 verurteilte das Amtsgericht Göttingen einen 35jährigen zu einer siebenmonatigen Bewährungsstrafe (Az. 62 DS 106/11). Der Täter betrieb eine Art "Shop", in welchem er den Kunden gegen Geld den Sim-Lock entfernte. Dieses betrieb er wohl hundertfach, letztlich abgeurteilt wurden wegen Beweisproblemen jedoch nur zehn Fälle.

Der Tatvorwurf lautete auf gewerbsmäßige Fälschung beweiserheblicher Daten sowie auf Datenveränderung (§§ 269, 303 a, 267 Abs. 3 StGB). Zu einem ähnlichen Ergebnis kam schon im letzten Jahr das Amtsgericht Nürtingen, wobei hier 614 (!) Fälle von Sim-Lock-Entsperrungen zur Anklage gebracht wurden (Az. 13 Ls 171 Js 13423/08).

In der Urteilsbegründung des AG Göttingen (liegt noch nicht im Volltext vor) heißt es, dass der Kunde mit dem Gerät noch nicht zugleich die Verfügungsgewalt über die Software erlange. Manipulationen seien daher strafbar.

Es wird davon ausgegangen, dass die Verteidigung gegen das Urteil des Amtsgerichtes ein Rechtsmittel einlegen wird. Da es hier ausschließlich um die Klärung einer Rechtsfrage geht, wird vermutlich direkt Revision beim Oberlandesgericht Braunschweig eingelegt werden. Weil noch kein komplettes Urteil vorliegt, können die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels und die Bedeutung des Urteils allgemein nur mit Vorsicht abgeschätzt werden.

 

Stellungnahme von Rechtsanwalt Christian Solmecke:

Meiner Ansicht nach scheint die Verurteilung wegen der Verfälschung beweiserheblicher Daten nach § 269 StGB bedenklich. Hier ist das AG Göttingen wohl über das Ziel hinausgeschossen.

Knackpunkt für die Verteidigung ist die Frage, ob Sim-Lock-Sperren "Daten" im Sinne des Strafgesetzbuches sind oder ob es sich hierbei lediglich um eine Nutzungssperre handelt.

Sollte das OLG Braunschweig der Auffassung sein, dass es um keine Daten in diesem Sinn handelt, so würde auch die Strafbarkeit wegen Datenveränderung nach § 303a StGB entfallen.

Nach meinem Dafürhalten liegt das Problem nicht darin, ob es sich bei der SIM-Lock-Sperre um Daten handelt. Vielmehr sollte der Frage nachgegangen werden, ob es sich bei der Nutzungssperre um eine Gedankenerklärung und nicht nur ein technisches Hindernis handelt. Eine Fälschung beweiserheblicher Daten kommt nämlich nur dann in Betracht, wenn eine Gedankenerklärung vorliegt. Dies ergibt sich daraus, dass hier nach dem Willen des Gesetzgebers eine Urkunde im Sinne des § 267 StGB vorliegen muss.

Diese Fragestellung wird mit Sicherheit problematisiert werden, umso mehr Gerichte sich damit beschäftigen.

 

Strafbarkeit wegen Computerbetruges

Auch wenn dieses eine kritische Einschätzung ist, heißt dieses nicht, dass der Täter straflos ausgeht. Der Verteidiger behauptet, das Entsperren sei eine Umgehung einer Nutzungssperre und nennt dieses selber eine Vertragsverletzung gegenüber dem Anbieter.

Damit gibt er quasi selbst die Richtung vor. Der Computerbetrug (§ 263 a StGB) regelt  in seiner Generalklausel ("sonstige unbefugte Einwirkung auf den Ablauf eines Programms") meiner Ansicht nach die Sim-Lock-Fälle. Es mag hier aber Schwierigkeiten geben einen Schaden auf der Seite des Netzbetreibers nachzuweisen. Dieser kann aber durchaus vorhanden sein, wenn dieser den Vertrag in der Annahme ausgestaltet, dass der Kunde ihn auch nutzt. Sobald man mit dem "fremden" - nun "frei" wählbaren -Netz telefoniert, hat man dann seinen ursprünglichen Vertragspartner geschädigt.

 

Strafbarkeit wegen normalen Betruges

Wenn man dem Täter nachweisen kann, dass er alles von Anfang an so geplant hat, kommt auch die Strafbarkeit wegen Betruges nach § 263 StGB in Betracht.

 

Strafbarkeit wegen Erschleichung von Leistungen

Es kommt, falls man das alles nicht beweisen kann, eine Erschleichung von Leistungen (§ 265a StGB) in Betracht. Diese steht aber unter deutlich geringerer Strafe als die oben genannten Vergehen.

 

Strafbarkeit von sogenanntem Jailbreak

Das Urteil ist auch richtungweisend für die Praxis des Jailbreakings. Unter einem Jailbreak ist das Entsperren des iPhones mittels einer speziellen Software zu verstehen. So kann man anschließend von Apple nicht freigegebene Programme verwenden.

Hierdurch wird nach oben Gesagten der Tatbestand der Datenveränderung erfüllt. Der Kunde hat zwar Eigentum an seinem iPhone aber nicht uneingeschränkt an der Software erworben. Hier wird ihm im Rahmen der Nutzungserlaubnis unter anderem die Praxis des Jailbreakings verboten. Es mögen sich noch so viele Nutzer beklagen, dass Apple hiermit wettbewerbsrechtlich nicht einwandfrei agiere. Die eigene Handlung wird dadurch ab nicht legaler.

Die Problematik beim Verfälschen von Daten ist auch ich hier vollkommen ungeklärt.

Was mit Sicherheit fest steht ist, dass man nach dem Jailbreak in die Illegalität abrutscht. Denn letztlich ist dieses eine Handlung, die ermöglicht, Raubkopien auf das iPhone zu laden und zu nutzen. Das verstößt eindeutig gegen § 106 UrhG.

Es ist zwar bislang in Fällen von Sim-Lock-Entsperrungen nur gewerbsmäßiges Vorgehen verfolgt worden. Dieses ist aber keine Garantie dafür, dass sich das nicht bald ändert. Und dann auch den Jailbreak mit einschließt. Sollte sich die Rechtsprechung verfestigen, werden die Staatsanwaltschaften sicher darauf reagieren.

 

Zivilrechtliche Konsequenzen von Jailbreak

Nicht nur strafrechtlich kann das Jailbreak Folgen für den Nutzer haben. Denn mit dem durchgeführten Jailbreak verstößt man ganz eindeutig gegen Apples Garantiebedingungen. Diese sehen vor, dass Apple schriftlich zustimmen muss, wenn man Veränderungen an der Software vornimmt. Da die Garantie eine freiwillige Leistung des Herstellers ist, steht es ihm auch frei, diese so zu beschränken, wie er es möchte.

Damit kann man von Apple keinerlei Reparaturen mehr verlangen, auch wenn diese nicht mit der Software in Verbindung stehen. So muss dann Apple auch keinen Sprung im Glas ersetzen, wenn man vorher die Software manipuliert hat.