Eine jüngste Entscheidung des BVerfG v. 23.06.2015 - 2 BvR 161/15 - zeigt, dass es auch lohnt, nicht nur zwei Tatsacheninstanzen auszuschöpfen, sondern auch die Verfassungsgerichte anzurufen, wenn die Überzeugung besteht, dass die letzte Tatsacheninstanz bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Auswahlentscheidung den Gehalt des Bewerbungsverfahrensanspruchs verkennt. In dieser Entscheidung fasst das BVerfG die nach Art. 33 Abs. 2 GG vorzunehmende Prüfung von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung unter Rn. 28 sehr instruktiv - für alle Verfahren - wie folgt zusammen:
"Gemäß Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Danach sind öffentliche Ämter nach Maßgabe des Bestenauslesegrundsatzes zu besetzen. Die Geltung dieses Grundsatzes wird nach Art. 33 Abs. 2 GG unbeschränkt und vorbehaltlos gewährleistet. Die Vorschrift dient zum einen dem öffentlichen Interesse der bestmöglichen Besetzung des öffentlichen Dienstes. Zum anderen trägt Art. 33 Abs. 2 GG dem berechtigten Interesse der Beamten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen dadurch Rechnung, dass er grundrechtsgleiche Rechte auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl begründet. Die von Art. 33 Abs. 2 GG erfassten Auswahlentscheidungen können grundsätzlich nur auf Gesichtspunkte gestützt werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen (vgl. BVerfGK 12, 184 186>; 12, 284 287>; 18, 423 427>; 20, 77 80 f.>; BVerfG, Beschlüsse der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 26. November 2010 - 2 BvR 2435/10 -, NVwZ 2011, S. 746 747>; vom 7. März 2013 - 2 BvR 2582/12 -, NVwZ 2013, S. 1603 1604>). Dabei zielt die Befähigung auf allgemein der Tätigkeit zugutekommende Fähigkeiten wie Begabung, Allgemeinwissen, Lebenserfahrung und allgemeine Ausbildung. Fachliche Leistung bedeutet Fachwissen, Fachkönnen und Bewährung im Fach. Eignung im engeren Sinne erfasst insbesondere Persönlichkeit und charakterliche Eigenschaften, die für ein bestimmtes Amt von Bedeutung sind (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12 u.a. -, juris, Rn. 59; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Mai 2013 - 2 BvR 462/13 -, juris, Rn. 14)."
Innerhalb von nur fünf Monaten hebt das BVerfG eine Entscheidung des OVG MW mit der Begründung auf, das OVG habe die Anforderungen an die Eignung für das streitige Amt überspannt.
Mit einer einstweiligen Anordnung v. 12.01.2014 - 1 BvR 3606/13 - untersagt das BVerfG der FU Berlin für die Dauer von sechs Monaten, längstens bis zu einer Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde der Antragstellerin eine Universitätsprofessur zu besetzen.Die Verfassungsbeschwerde hierzu selber war dann erfolgreich, soweit diese gerügt hat, das OVG habe den Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes im Zusammenhang mit Art. 33 Abs. 2 GG verkannt (BVerfG v. 03.03.2014 - 1 BvR 3606/12).
Grundsätzlich kann der Dienstherr zwar ein Auswahlverfahren abbrechen. Die Rechtsprechung fordert hierfür allerdings einen sachlichen Grund und die schriftliche Dokumentation für den Abbruch. Wörtlich heißt es hierzu einer Entscheidung des BVerfG v. 28.11.2011 - 2 BvR 1181/11 - unter Rn. 22:
"Wird der Abbruch eines Auswahlverfahrens dieser Anforderung nicht gerecht, so darf von Verfassungs wegen keine Neuausschreibung erfolgen. Durch eine Auswahlentscheidung in einem neuen Auswahlverfahren werden die Bewerber des ursprünglichen Auswahlverfahrens in ihrem Bewerbungsverfahrensanspruch verletzt."
In einer neueren Entscheidung v. 24.09.2015 - 2 BvR 1686/15 - bestätigt und bekräftigt das BVerfG diese Auffassung (Rn. 14).
Im Ergebnis bedeutet dies, dass sich der unterlegene Bewerber auch im Rahmen des Eilrechtsschutzes um die Fortsetzung des ursprünglichen Auswahlverfahrens bemühen muss. Hierzu hat das BVerwG am 03.12.2014 - 2 A 3.13 - festgestellt:
" Effektiver Rechtsschutz für das auf Fortführung eines abgebrochenen Auswahlverfahrens gerichtete Begehren ist allein der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Mit ihm kann das Fehlen eines sachlichen Grundes geltend gemacht werden. Der Antrag ist innerhalb eines Monats zu stellen. Die Frist wird mit Zugang der Mitteilung über den Abbruchgrund in Lauf gesetzt."
Wenn festgestellt wird, dass ein der Grund für den Abbruch des Verfahrens nicht vorliegt, besteht auch ein Anspruch auf Fortsetzung und Beendigung des ursprünglichen Auswahlverfahrens, der im Eilverfahren durchgesetzt werden kann (hierzu OVG Sachsen v. 18.06.2013 - 1 M 55/13).
Zu berücksichtigen ist schlussendlich folgendes: wird der Bewerber zu frühzeitig aus dem Bewerberkreis ausgeschlossen, kann und muss der Bewerber die Wiedereinbeziehung in das Bewerberverfahren ebenfalls im Wege des Eilrechtsschutzes geltend machen. Unstreitig besteht ein einklagbarer Anspruch auf chancengleiche Teilnahme am Bewerbungsverfahren (so etwa BAG v. 19.05.2015 - 9 AZR 837/13 Rn. 16). Dieser Anspruch ist auch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes einzufordern (so etwa OVG Niedersachsen v. 18.12.2007 - 5 ME 351/07).
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