"Kleine" Aktiengesellschaften unter dem Drittelbeteiligungsgesetz - Auf das Eintragungsdatum kommt es an!

"Kleine" Aktiengesellschaften unter dem Drittelbeteiligungsgesetz - Auf das Eintragungsdatum kommt es an!
24.06.2014367 Mal gelesen
Wann fallen auch Aktiengesellschaften, die in der Regel nicht mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigen unter das Drittelbeteiligungsgesetz?

Die Anwendbarkeit des DrittelbG auf eine Aktiengesellschaft setzt im Grundsatz voraus, dass diese in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigt. Wird diese Mitarbeiterzahl nicht erreicht, so kann sich eine Pflicht zur Bildung eines nach dem DrittelbG mitbestimmten Aufsichtsrats allerdings auch aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 DrittelbG ergeben. Danach besteht ein Mitbestimmungsrecht im Aufsichtsrat auch dann, wenn die Aktiengesellschaft vor dem 10. August 1994 in das Handelsregister eingetragen worden ist und keine Familiengesellschaft ist. Das Eintragungsdatum kann also für das Bestehen einer Mitbestimmungspflicht entscheidend sein.

Die Regelung wurde 2004 unverändert von § 76 Abs. 1 und Abs. 6 BetrVG 1952 in das DrittelbG übernommen. Der genannte Stichtag 10. August 1994 ist auf eine entscheidende Gesetzesänderung zurückzuführen. Vor diesem Stichtag galt eine drittelparitätische Mitbestimmungspflicht für alle Aktiengesellschaften, sofern diese überhaupt Arbeitnehmer beschäftigten. Eine Ausnahme bestand nur für Aktiengesellschaften, die Familiengesellschaften waren und in der Regel weniger als 500 Mitarbeiter beschäftigten. Diese Aktiengesellschaften blieben mitbestimmungsfrei. Mit Wirkung zum 10. August 1994 hat der Gesetzgeber kleine Aktiengesellschaft insofern besser gestellt als nunmehr alle Aktiengesellschaften, die den Schwellenwert von 500 Arbeitnehmern nicht erreichten, aus dem Anwendungsbereich des DrittelbG herausfielen. Ziel war es, die Rechtsform der Aktiengesellschaft auch für kleine und mittelständische Unternehmen attraktiver zu machen.

Die neue Regelung gilt allerdings nur für sog. Neu-Aktiengesellschaften, die ab dem 10. August 1994 in das Handelsregister eingetragen wurden. Für die sog. Alt-Aktiengesellschaften, d.h. solche Aktiengesellschaften, die bereits vorher im Handelsregister eingetragen waren, verbleibt es bei der alten Rechtslage. Hierdurch wollte der Gesetzgeber zu Gunsten der Arbeitnehmer einen Bestandsschutz implementieren, so dass eine vorher bestehende Mitbestimmungspflicht durch die Neuregelung nicht tangiert wurde, sondern fortbesteht. Zur Begründung für die Differenzierung zwischen Alt- und Neu-Aktiengesellschaften wurde vom Rechtsausschuss des Bundestages angeführt, die Alt-Aktiengesellschaften hätten es gelernt, mit der Mitbestimmung im Aufsichtsrat umzugehen. Das BVerfG hat jüngst mit Nichtannahmebeschluss vom 09.01.2014 (Az. 1 BvR 2344/11) die Differenzierung auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten gebilligt.

Umgekehrt kann die Regelung aber auch zur Konsequenz haben, dass eine Alt-Aktiengesellschaft nach der vor dem 10. August 1994 geltenden Rechtslage als Familiengesellschaft mitbestimmungsfrei gewesen ist, sie nunmehr allerdings den Status als Familiengesellschaft verloren hat. In diesem Fall besteht - unabhängig von der Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmer - eine dauerhafte Mitbestimmungspflicht nach dem DrittelbG. Teilweise wird hier vertreten, dass ein solches Herauswachsen aus dem Status als Familiengesellschaft in verfassungskonformer Auslegung von § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 DrittelbG nicht zur Anwendung des DrittelbG führen dürfe. Diese Argumentation dürfte allerdings nach der genannten Entscheidung des BVerfG nur noch schwer haltbar sein.

Für die Einordnung einer Gesellschaft als Alt- oder Neu-Aktiengesellschaft kommt es auf den Zeitpunkt ihrer Eintragung ins Handelsregister an. Ist die Aktiengesellschaft durch Rechtsformwechsel entstanden, so ist sie auch dann eine Neu-Aktiengesellschaft, wenn der vorherige Rechtsträger vor dem 10. August 1994 bereits eingetragen war, der Rechtsformwechsel in eine Aktiengesellschaft aber erst nach diesem Stichtag erfolgte. Aus Rechtsmissbrauchsgesichtspunkten gilt dies allerdings dann nicht, wenn sich eine mitbestimmungspflichtige Aktiengesellschaft zunächst in einen mitbestimmungsfreien Rechtsträger umwandelt und anschließend wiederum ein Formwechsel in eine Aktiengesellschaft erfolgt. Ansonsten könnte die Regelung des § 1 Abs. 1 Nr. S. 2 DrittelbG umgangen werden.

Rechtsanwalt Dr. Christian Velten, Gießen