Ein Diebstahl eines zur Entsorgung bestimmten Gegenstands rechtfertigt nicht in jedem Fall den Ausspruch einer fristlosen Kündigung

Ein Diebstahl eines zur Entsorgung bestimmten Gegenstands rechtfertigt nicht in jedem Fall den Ausspruch einer fristlosen Kündigung
13.06.20131101 Mal gelesen
Ein Arbeitnehmer, der, wenn er seine Vorgesetzten gefragt hätte, ob er einen zur Entsorgung bestimmten Gegenstand nehmen dürfe, dies bewilligt bekommen hätte, kann, so das Arbeitsgericht Mannheim, nicht mit der fristlosen Kündigung bedacht werden, wenn er den Gegenstand stattdessen einfach stiehlt.

Beim Arbeitgeber handelt es sich um ein Entsorgungsunternehmen, welches sich  mit Abfalltransporten sowie mit der Sortierung von Abfällen befasst. Zu den Auftraggebern gehören private Unternehmen und unter auch die Stadt Mannheim. Inhalt der Tätigkeit des Arbeitnehmers ist es, Altpapier zu sortieren, Stapler zu fahren und sonstige Hilfsarbeiten auszuführen.

Am 5. Dezember 2008 gegen 13:40 Uhr entnahm der Arbeitnehmer einem Altpapiercontainer, welcher zum Verarbeiten am Zuführband zur Altpapierpresse abgeladen worden war, ein in einem Karton befindliches Kinderreisebett. Gemeinsam mit einem Leiharbeitnehmer baute er das Bett zusammen und überprüfte dessen Funktionsfähigkeit. Anschließend baute er das Kinderreisebett wieder auseinander, transportierte es zu seinem PKW, welcher sich auf dem Mitarbeiterparkplatz befand, und legte das Kinderreisebett in sein Fahrzeug. Der Vorgang wurde von einer Videokamera aufgezeichnet. Unserem Arbeitnehmer war, wie allen Mitarbeitern bekannt, dass der komplette Bereich ständiger Videoüberwachung unterliegt.

Am 8. Dezember 2008 hörte der Arbeitgeber den Betriebsrat schriftlich zur beabsichtigten fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Arbeitnehmers an. Dieser teilte mit, dass er dies zur Kenntnis nehme.

Das "Vorleben" unseres Arbeitnehmers ist streitig, er soll einmal im Jahre 2007 sich zwei PET-Pfandflachen aus einem "Gelben Sack" angeeignet haben, und ein anderes Mal ein paar Blätter Toilettenpapier gestohlen haben und dafür jeweils abgemahnt worden sein. Sowohl die Frage der Tat, als auch die der Abmahnung sind indes nicht geklärt.

Im Betrieb  herrscht der Grundsatz, dass die Mitnahme von möglicherweise noch brauchbaren Gegenständen den Mitarbeitern nicht grundsätzlich untersagt sei. Vielmehr können die Mitarbeiter bei einem besonderen Interesse bei der Geschäftsführung nachfragen, ob sie den betreffenden Gegenstand mitnehmen dürfen. Wenn nichts dagegen spricht, erteilt die Geschäftsführung die Erlaubnis.

Der Arbeitgeber spricht unserem Arbeitnehmer die fristlose Kündigung und hilfsweise die ordentliche Kündigung aus.

Der Arbeitnehmer hält die Kündigung für unwirksam. Ihm sei im Zeitpunkt der Mitnahme des Kinderbetts nicht bewusst gewesen, dass es sich um ein für ihn fremdes Objekt gehandelt habe. Nach seiner Vorstellung als Laie habe es sich bei dem Kinderbett um Abfall gehandelt, welcher ohnehin direkt entsorgt worden wäre.

Das Gericht gab der von ihm eingelegten Kündigungsschutzklage statt.

Dadurch, dass der Arbeitnehmer das Kinderreisebett in seinen PKW verbracht hat, hat er einen Diebstahl begangen. Denn das Kinderreisebett steht im Eigentum seines Arbeitgebers.  

Wenn die Bürger ihren Abfall an die Straße stellen, wollen sie diesen nämlich nicht einfach wegwerfen, sondern sie wollen ihn dem Entsorgungsbetrieb zur Übereignung anbieten.

Zwar sei dem Entsorgungsbetrieb vorliegend kein materieller Schaden entstanden, da das Bett unmittelbar der Abfallentsorgung zugeführt worden wäre. Doch selbst ein Diebstahl einer geringwertigen Sache mit nur geringfügiger Schädigung stelle an sich einen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar.

Im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung sei jedoch auch bei der Prüfung einer verhaltensbedingten Kündigung abschließend zu untersuchen, ob das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand überwiege.

Entscheidend für die Beurteilung durch das Gericht war der geringe Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers bei der Tatausübung. Angesichts dessen, dass im Entsorgungsbetrieb noch brauchbare Gegenstände von den Mitarbeiter mitgenommen werden dürfen, sofern sie vorher nachfragen und, wenn nichts dagegen spricht, die Erlaubnis auch regelmäßig erteilt wird, erscheint es unverhältnismäßig dem Arbeitnehmer, bloß weil er sich das Bett einfach genommen hat, anstatt zu fragen, gleich die fristlose Kündigung auszusprechen.

Das Gericht führt abschließend aus, das die hilfsweise ordentliche Kündigung ebenfalls unwirksam sei und der Arbeitnehmer bis zur Rechtskraft der Entscheidung weiter zu beschäftigen sei.

 

(Quelle: Arbeitsgericht Mannheim, Urteil vom 30.07.2009;  15 Ca 278/08)

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