Anspruch des Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub trotz Krankheit

Arbeit Betrieb
30.04.20101758 Mal gelesen
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Aktenzeichen: 12 Sa 486/06) hatte über eine Klage eines Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung seines bezahlten Jahresurlaubs zu entscheiden, den er aufgrund krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit, die letztendlich direkt zu seiner Verrentung geführt hat, nicht nehmen konnte.
 
Nach deutschem Recht und der entsprechenden Rechtssprechung muss der Jahresurlaub innerhalb des Kalenderjahres genommen werden. Bei dringenden betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen kann der Urlaub ins nächste Jahr übertragen werden, muss jedoch bis spätestens zum 31.03. (in einem Tarifvertrag können abweichende Zeiträume vereinbart werden) gewährt und genommen werden. Danach erlischt er.
 
Wird das Arbeitsverhältnis beendet bevor der Arbeitnehmer den ihm zustehenden Urlaub nehmen konnte, hat der Arbeitnehmer stattdessen einen Abgeltungsanspruch.
 
Nach der bisherigen ständigen Restsprechung des Bundesarbeitsgerichts war Voraussetzung des Urlaubsabgeltungsanspruch jedoch, dass der Urlaubsanspruch erfüllbar war und das war er gerade nicht, wenn der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankte.
 
Nach bisheriger höchstrichterlicher Rechtssprechung war daher ein Urlaubsanspruch bzw. der entsprechende Abgeltungsanspruch erloschen, wenn der Arbeitnehmer bis zum Jahresende bzw. bis zum Übertragungszeitraum bis zum 31.03 erkrankt war und den Urlaub bis zu diesem Zeitpunkt nicht nehmen konnte. Der Arbeitgeber war in diesem Fall folglich nicht zum finanziellen Ausgleich des Jahresurlaubs verpflichtet.
 
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf wollte der ständigen Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht folgen und hat daher diese Frage dem Europäischen Gerichtshof zur Beantwortung vorgelegt.
 
Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft kam in seiner Entscheidung vom 20.01.2009 zu dem Ergebnis, dass die Auslegung des deutschen Urlaubsrechts durch die deutschen Gerichte gegen europäisches Recht verstößt.
 
Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs darf der Anspruch auf den gesetzlichen bezahlten Jahresurlaub bei Ablauf des Kalenderjahres bzw. dem im deutschen Recht festgelegten Übertragungszeitraum von 3 Monaten zum 31.03. nicht erlöschen, wenn der Arbeitnehmer krank war und die Erkrankung bis zum Ende des Arbeitsverhältnis angehalten hat.
 
Das deutsche Recht ist daher europarechtskonform dergestalt auszulegen, dass ein Arbeitnehmer auch bei Beendigung des Arbeitsverhältnis seinen gesetzlichen Urlaubsabgeltungsanspruch behält, auch wenn er den Urlaub aufgrund einer Erkrankung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses nicht ausüben konnte (Urteil des LAG Düsseldorf vom 02.02.2009, Az. 12 Sa 486/06).
 
Auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs hat nun auch umgehend das Bundesarbeitsgericht reagiert und in seinem Urteil vom 24.03.2009, Az: 9 AZR 983/07 klargestellt, dass das Gericht nicht mehr an seiner alten Rechtssprechung festhält. Das Bundesarbeitsgericht bestätigt ebenfalls die europarechtskonforme Fortbildung des § 7 III, IV Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) und führt aus, dass gesetzliche Urlaubsansprüche, die ein Arbeitnehmer aufgrund von Krankheit bis zum Ende des Jahres oder des Übertragungszeitraumes nicht nehmen konnte, nicht erlöschen.
 
Eine weitere aktuelle Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 23.03.2010, Az. 9 AZR 128/09) stellt klar, dass auch der Schwerbehindertenzusatzurlaub das rechtliche Schicksal des gesetzlichen Mindesturlaubs teilt und bei Erkrankung bis zum Ende des Arbeitsverhältnis abgegolten werden muss. Der über den gesetzlichen Urlaub hinausgehende in einem Tarifvertrag festgelegte Urlaubsanspruch erlischt jedoch, wenn die Tarifvertragsparteien eine entsprechende Regelung treffen.