Rechtswörterbuch

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Schul- und Prüfungsrecht

 Normen 

Art. 7 GG

Landesverfassungen der einzelnen Bundesländer, so z.B. Art. 8 Verf NW

Schulgesetze der Länder, so z.B. SchulG NW

Verordnungen, Richtlinien, Runderlasse und Verwaltungsvorschriften zum Schulrecht

Juristenausbildungsgesetze der Länder

Ausbildungs- und Prüfungsordnungen der Berufsausbildungen und Studiengänge

Verordnung über die sonderpädagogische Förderung, den Hausunterricht und die Schule für Kranke NW

 Information 

1. Bildungsrecht

Das Bildungsrecht besteht im deutschen Rechtssystem aus den folgenden Bereichen:

2. Schulrecht

2.1 Rechtsgrundlagen

Rechtsgrundlagen des Schulrechts sind:

  • Art. 7 GG

  • die Landesverfassung des jeweiligen Bundeslandes

  • das Schulgesetz des jeweiligen Bundeslandes

  • untergesetzliche Normen: Erlasse der Schulbehörden, Rechtsverordnungen, Verordnungen u.Ä.

2.2 Schulpflicht

Anders als die Weimarer Reichsverfassung enthält das Grundgesetz keine ausdrückliche Verankerung der Schulpflicht.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts enthält Art. 7 Abs. 1 GG allerdings den dem Staat erteilten Auftrag, allen Schülerinnen und Schülern gemäß ihren Fähigkeiten die dem heutigen gesellschaftlichen Leben entsprechenden Bildungsmöglichkeiten zu eröffnen (Bildungsauftrag) und sie - gemeinsam mit den Eltern - bei der Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit innerhalb der Gemeinschaft zu unterstützen und zu fördern (Erziehungsauftrag, siehe auch BVerfG 19.11.2021 - 1 BvR 971/21).

Dieser Bildungs- und Erziehungsauftrag verpflichtet den Staat zu so weitreichenden Aufgaben, dass er diesen ohne Einführung einer allgemeinen Schulpflicht nicht gerecht werden könnte, die von den Ländern ausdrücklich normierte Schulpflicht also den staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag aus Art. 7 Abs. 1 GG konkretisiert.

In der Landesverfassung NRW enthält Art. 8 Abs. 2 Satz 1 Landesverfassung NRW die Festlegung der allgemeinen Schulpflicht. Die konkrete Ausgestaltung ist in den Schulgesetzen der Länder geregelt, so z.B. in § 34 SchulG NRW.

Die allgemeine Schulpflicht hat primär zum Ziel, dem in Art. 7 Abs. 1 GG normierten staatlichen Erziehungsauftrag zur Durchsetzung zu verhelfen, welcher seinerseits nicht nur im durch Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Kindesinteresse, sondern ebenso im Allgemeininteresse liegt (u.a. BVerfG 15.10.2014 - 2 BvR 920/14)

Nach der Rechtsprechung stellt die normierte Schulpflicht eine zulässige Beschränkung sowohl des gewährleisteten elterlichen Erziehungsrechts als auch des Rechts der Kinder und Jugendlichen auf schulische Bildung dar (OVG Nordrhein-Westfalen 28.04.2022 - 19 B 1918/21).

2.3 Religionsunterricht

Der Religionsunterricht ist gemäß den Vorgaben des Grundgesetzes in Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG sowie Art. 137 WRV i.V.m. Art 140 GG eine sogenannte Res Mixta: Der schulische konfessionelle Religionsunterricht untersteht sowohl staatlicher als auch kirchlicher Aufsicht.

Die beiderseitigen Rechte und Pflichten sind in den Schulgesetzen der einzelnen Bundesländer geregelt, so z.B. in § 31 SchulG NRW. Diese werden ggf. durch Vereinbarungen ergänzt, wie z.B. den staatskirchenrechtlichen Vereinbarungen über die kirchliche Einsichtnahme in den Religionsunterricht.

Dabei entsendet die katholische Kirche erzbischöfliche Beauftragten für die Durchführung der Einsichtnahme in den Religionsunterricht. Deren Aufgaben gehen über die Aufgaben einer staatlichen Schulaufsicht hinaus: Denn der Beauftragte muss nicht nur die ordnungsgemäße Vermittlung der Unterrichtsinhalte im Hinblick auf das vermittelte Fachwissen und die Didaktik prüfen, sondern auch die Frage, ob durch den Unterricht alle Maßnahmen gefördert und gepflegt werden, die geeignet sind, eine Vertiefung der religiösen Erziehung herbeizuführen und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit aller Beteiligten zu sichern.

3. Prüfungsentscheidungen und prüfungsähnliche Entscheidungen

3.1 Allgemein

Prüfungsentscheidungen und prüfungsähnliche Entscheidungen (z.B. Versetzungen im Schulbereich) sind aufgrund des mit der Entscheidung oftmals verbundenen Grundrechtseingriffs (Berufswahl) beschränkt gerichtlich überprüfbar (BVerfG 16.10.1991 - 1 BvR 1486/90).

Gerichtlich überprüfbar sind die folgenden Fragen:

  • ob die Verfahrensvorschriften eingehalten wurden

  • ob der richtige Sachverhalt zugrunde gelegt wurde

  • ob der korrekte Prüfungsmaßstab angewendet wurde

  • ob keine sachfremden Erwägungen in die Entscheidung eingeflossen sind

Vergleichsmaßstab:

"Nach der prüfungsrechtlichen Rechtsprechung, die der Senat im Rahmen der grundrechtswahrenden Prüfung der Anforderungen an die Rechtmäßigkeit der Prüfung berücksichtigt, müssen Prüfer bei ihrem wertenden Urteil von Einschätzungen und Erfahrungen ausgehen, die sie im Laufe ihrer Examenspraxis bei vergleichbaren Prüfungen entwickelt haben und allgemein anwenden. Daraus folgt, dass die Prüfungsnoten nicht isoliert gesehen werden dürfen, sondern in einem Bezugssystem zu finden sind, das durch die persönlichen Erfahrungen und Vorstellungen der Prüfer beeinflusst wird" (OLG Frankfurt am Main 06.02.2020 - 1 U 67/17).

3.2 Benotung einzelner Prüfungsleistungen

Der BGH hat wiederholt ausgesprochen, dass die Benotungen einzelner Prüfungsleistungen regelmäßig keine selbstständige rechtliche Bedeutung haben, sondern lediglich eine Grundlage der behördlichen Entscheidung über das Bestehen und Nichtbestehen der Prüfung bilden, die ihrerseits eine rechtliche Regelung enthält und daher den Verwaltungsakt darstellt. Aber:

Der Bewertung einer einzelnen Prüfungsleistung kann aufgrund einer besonderen Ausgestaltung des Prüfungsverfahrens eine selbstständige rechtliche Bedeutung zukommen, d.h. auch eine Einzelnote kann Regelungsqualität im Sinne von § 35 VwVfG haben. Ob dies so ist, ist ausschließlich anhand der jeweiligen Prüfungsordnung zu klären. Fehlen dort ausdrückliche Festlegungen, ist die Frage mithilfe der üblichen Auslegungsmethoden zu beantworten (BVerwG 23.05.2012 - 6 C 8/11).

3.3 Begründung einer Prüfungsentscheidung

Daneben hat die höchstrichterliche Rechtsprechung u.a. in der Entscheidung BVerwG 08.03.2012 - 6 B 36/11 auch Vorgaben zur Begründung von Prüfungsentscheidungen aufgestellt:

"Der Prüfer hat bei schriftlichen Prüfungsarbeiten die tragenden Erwägungen darzulegen, die zur Bewertung der Prüfungsleistung geführt haben. Die Begründung muss so beschaffen sein, dass der Prüfling die die Bewertung tragenden Gründe der Prüfer in den Grundzügen nachvollziehen kann, d.h. die Kriterien erfährt, die für die Benotung maßgeblich waren, und verstehen kann, wie die Anwendung dieser Kriterien in wesentlichen Punkten zu dem Bewertungsergebnis geführt hat. Es muss zwar nicht in allen Einzelheiten, aber doch in den für das Ergebnis ausschlaggebenden Punkten erkennbar sein, welchen Sachverhalt sowie welche allgemeinen und besonderen Bewertungsmaßstäbe der Prüfer zugrunde gelegt hat und auf welcher wissenschaftlich-fachlichen Annahme des Prüfers die Benotung beruht. Dies schließt nicht aus, dass die Begründung nur kurz ausfällt, vorausgesetzt, die vorstehend dargestellten Kriterien für ein mögliches Nachvollziehen der grundlegenden Gedankengänge der Prüfer sind erfüllt."

3.4 Überprüfbarkeit der Bewertungen im juristischen Staatsexamen

Allgemeiner Grundsatz:

Wertungen von Prüfern unterliegen der uneingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung, wenn sie sich auf Ausführungen des Prüfungsteilnehmers beziehen, die am Maßstab des fachwissenschaftlichen Meinungsstandes zu beurteilen sind (BVerwG 05.03.2018 - 6 B 71/17).

Private Hochschulen:

"Die Übertragung berufsqualifizierender Prüfungen an eine privatrechtlich konstituierte Hochschule, hier die Beklagte, verkürzt nach Auffassung des Senats nicht grundrechtliche Gewährleistungen der Studierenden oder zu Prüfenden" (OLG Frankfurt am Main 06.02.2020 - 1 U 67/17).

Anspruch auf Übersendung der Klausuren:

Das OVG NRW hat entschieden, dass das Landesjustizprüfungsamt einem Examensabsolventen eine kostenfreie Kopie seiner Klausuren der zweiten juristischen Staatsprüfung nebst Prüfergutachten in Papierform oder einem gängigen elektronischen Format zur Verfügung stellen muss. Grundlage der Entscheidung war die Datenschutz-Grundverordnung (VO 2016/679) (OVG Nordrhein-Westfalen 08.06.2021 - 16 A 1582/20).

3.5 Nichtversetzung

Nach der Entscheidung BVerwG 24.10.2006 - 6 B 61/06 besteht ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Entscheidung über die Nichtversetzung, wenn sich die Entscheidung nachteilig auf den weiteren schulischen oder beruflichen Werdegang des Schülers auswirken kann. Dabei müssen die Nachteile weder bevorstehen noch sich konkret abzeichnen. In der Praxis bedeutet dies, dass das berechtigte Interesse immer gegeben ist, da nie ausgeschlossen werden kann, dass sich die Wiederholung eines Schuljahres bei einer Bewerbung etc. negativ niederschlagen wird.

3.6 Verhalten und Arbeitsausführung eines Prüfers

Uneingeschränkter gerichtlicher Überprüfung zugänglich ist hingegen die Frage, ob das Verhalten eines Prüfers den oben dargelegten rechtlichen Anforderungen genügt: Aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleiteten Grundsatz der Chancengleichheit ergibt sich ein Gebot der Sachlichkeit (so u.a. BVerwG 08.03.2012 - 6 B 36/11): "Danach hat der Prüfer die Prüfungsleistungen mit innerer Distanz und frei von Emotionen zur Kenntnis zu nehmen. Er hat sich darum zu bemühen, auf die Gedankengänge des Prüflings einzugehen und dessen Darlegungen richtig zu verstehen. Er hat Toleranz gegenüber anderen wissenschaftlichen Auffassungen aufzubringen (...). Eine das Gebot der Sachlichkeit verletzende Bewertung liegt vor, wenn der Prüfer seiner Verärgerung über schwache Prüfungsleistungen freien Lauf lässt und dadurch die Gelassenheit und emotionale Distanz verliert, ohne die eine gerechte Bewertung schwerlich gelingen kann. Hingegen ist die Schwelle zu einem Rechtsverstoß noch nicht zwingend überschritten, wenn der Prüfer sich einer drastischen Ausdrucksweise bedient, wenn er mit deutlichen Randbemerkungen auf schlechte schriftliche Leistungen reagiert oder ein Ausrutscher bzw. eine Entgleisung nur gelegentlich vorgekommen sind."

 Siehe auch 

Unbestimmter Rechtsbegriff

Zusätzliche Leistung für die Schule

Fischer/Dieterich: Prüfungsrecht in Zeiten der Corona-Pandemie; Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht - NVwZ 2020, 657

Jeremias: Dauerleiden und Nachteilsausgleich im Prüfungsrecht; Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht - NVwZ 2019, 839

Merkt: Kontrolle von Prüfungsentscheidungen des Abschlussprüfers durch Behörden und Gerichte; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2022, 574