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Bauvertrag BGB

 Normen 

§§ 650a - 650v BGB

Gesetzesbegründung BT-Drs. 18/8486 (zum Bauvertragsrecht 2018)

Art. 229 § 39 EGBGB

Art. 249 EGBGB

§ 2 UKlaG

§§ 72a, 119a GVG

 Information 

1. Einführung

Gesetzliche Grundlage des privaten Baurechts ist das BGB, darin insbesondere das Werkvertragsrecht. Das geltende Werkvertragsrecht ist mit Blick auf die unterschiedlichen möglichen Vertragsgegenstände sehr allgemein gehalten. Für die komplexen, auf eine längere Erfüllungszeit angelegten Bauverträge sind die Regelungen des Werkvertragsrechts häufig nicht detailliert genug. Zur Behebung dieser Mängel wurde das Bauvertragsrecht des BGB reformiert:

Das "Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts, zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung, zur Stärkung des zivilprozessualen Rechtsschutzes und zum maschinellen Siegel im Grundbuch- und Schiffsregisterverfahren" ist am 1. Januar 2018 in Kraft getreten.

Hinweise:

  • Von dem Bauvertrag auf der Grundlage des BGB ist der Bauvertrag auf der Grundlage der VOB/B abzugrenzen. Im Folgenden wird nur das Bauvertragsrecht nach dem BGB dargestellt.

  • Das Pendant der VOB für internationale Bauverträge sind die "FIDIC-Vertragsbedingungen" (Conditions of Contract for Construction). Dabei haben insbesondere die folgenden Varianten in der Praxis Bedeutung:

    • Red Book 1999

    • Yellow Boook 1999

    • MDB Harmonized Edition 2010

2. Begriffsbestimmung BGB-Bauvertrag

2.1 Allgemein

In § 650a Abs. 1 BGB wird zunächst der Begriff des Bauvertrags definiert als ein Vertrag über die Herstellung, die Wiederherstellung, die Beseitigung oder zum Umbau eines Bauwerks, einer Außenanlage oder eines Teils davon. Angeknüpft wird damit zum einen an den Begriff des Bauwerks: Zur Auslegung des Bauwerksbegriffs wird in der Regel an die zu § 634a Abs. 1 Nr 2 BGB ergangene Rechtsprechung angeknüpft werden können. Zum anderen wird auf den Begriff der Außenanlage Bezug genommen, der sich derzeit etwa in § 648a BGB findet.

Durch § 650a Abs. 2 BGB wird geregelt, wann ein Vertrag über die Instandhaltung eines Bauwerks als Bauvertrag anzusehen ist. Dies soll nur dann der Fall sein, wenn das Werk für die Konstruktion, den Bestand oder den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Bauwerks von wesentlicher Bedeutung ist. Nur unter diesen Voraussetzungen kann davon ausgegangen werden, dass es sich nach Vertragsdauer und -umfang um einen auf längerfristige Zusammenarbeit angelegten Vertrag handelt, bei dem die Anwendung der folgenden speziellen bauvertragsrechtlichen Vorschriften gerechtfertigt ist. Unter Instandhaltung sind Arbeiten zu verstehen, die zur Erhaltung des Soll-Zustandes des Bauwerks dienen. Instandhaltungsarbeiten, die für Konstruktion, den Bestand oder den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Bauwerks von wesentlicher Bedeutung sind, können etwa Pflege-, Wartungs- und Inspektionsleistungen sein, die der Erhaltung und/oder der Funktionsfähigkeit des Bauwerks dienen. Erfasst werden etwa Verträge zur Inspektion von Brücken oder zur Pflege und Wartung von tragenden oder sonst für den Bestand eines Bauwerks wichtigen Teilen.

2.2 Verbraucherbauvertrag

Verbraucherbauverträge sind gemäß § 650i BGB Verträge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher, durch die ein Unternehmer zum Bau eines neuen Gebäudes oder zu erheblichen Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude verpflichtet wird.

In § 650j BGB werden die vorvertraglichen Informationspflichten des Unternehmers beim Verbraucherbauvertrag geregelt. Danach ist der Unternehmer verpflichtet, den Verbraucher über die sich aus Artikel 249 EGBGB ergebenden Einzelheiten in der dort vorgegebenen Form zu unterrichten. Artikel 249 EGBGB sieht vor, dass dem Besteller rechtzeitig vor Abgabe von dessen Vertragserklärung eine Baubeschreibung in Textform zur Verfügung zu stellen ist, in der die wesentlichen Eigenschaften des angebotenen Werks in klarer und verständlicher Weise darzustellen sind. Die Baubeschreibung hat auch verbindliche Angaben zur Bauzeit zu enthalten.

Der Verbraucherbauvertrag kann gemäß § 650l BGB widerrufen werden.

Die Vorschrift des § 356d BGB enthält ergänzende Regelungen zu § 650k BGB. Sie sieht vor, dass die Widerrufsfrist des § 355 Abs. 2 BGB nicht beginnt, bevor der Unternehmer den Verbraucher entsprechend Artikel 249 § 3 EGBGB unterrichtet hat. Das Widerrufsrecht erlischt jedoch spätestens 12 Monate und 14 Tage nach Vertragsschluss, unabhängig davon, ob eine ordnungsgemäße Belehrung erfolgt ist.

Die Rechtsfolgen des Widerrufs sind in § 357d BGB geregelt. Da die Bauarbeiten in der Regel auf dem Grundstück des Verbrauchers durchgeführt werden, führen diese zu einem Wertzuwachs auf Seiten des Verbrauchers, der im Fall eines Widerrufs oft nicht entsprechend § 355 Abs. 3 BGB zurückgewährt werden kann. Dies ist nach der Gesetzsbegründung (BT-Drs. 18/8486) z.B. beim Aushub der Baugrube, dem Betonieren von Fundamenten oder der Errichtung eines Dachstuhls der Fall. Die Vorschrift normiert daher eine - verschuldensunabhängige - Verpflichtung des Verbrauchers auf Wertersatz für die erbrachte Leistung gegenüber dem Unternehmer. Bei der Berechnung dieses Wertersatzes ist nach § 357d Satz 2 BGB die vereinbarte Vergütung zugrunde zu legen. Als Korrektiv für Fälle, in denen ein erhebliches Missverhältnis zwischen den vereinbarten Vertragsleistungen besteht, ordnet Satz 3 an, dass der Wertersatz auf der Grundlage des Marktwertes zu berechnen ist, wenn die vereinbarte Vergütung unverhältnismäßig hoch ist.

3. Vertragsänderungen nach Vertragsschluss

3.1 Allgemein

Bei Bauverträgen kommt es grundsätzlich regelmäig im Laufe des Bauvorhaben zu notwendigen oder gewünschten Änderungen des ursprünglichen Vertrags. § 650b BGB gibt diesem Bedarf eine Rechtsgrundlage. Dabei ist das Verfahren zweistufig aufgebaut:

  • Absatz 1: Es kommt eine Einigung über eine Vertragsänderung zustande.

  • Absatz 2: Die Parteien erzielen binnen 30 Tagen nach Zugang des Änderungsbegehrens des Bestellers beim Unternehmer keine Einigung, dann hat der Besteller ein Anordnungsrecht.

3.2 Einigung über eine Vertragsänderung

Die Parteien sollen eine Einigung über die Änderungen und die insofern vom Besteller zu zahlende Mehr- oder Mindervergütung erzielen. Grundsätzlich muss sich der Unternehmer auf die Vertragsänderungen einlassen, mit folgenden Abweichungen:

  • Bei nur gewünschten, aber nicht notwendigen Änderungen ist der Unternehmer nur zur Angebotserstellung verpflichtet, wenn ihm die Ausführung der Änderung zumutbar ist. Bei dem Vortrag von betriebsinternen Vorgängen für die Unzumutbarkeit trifft ihn die Beweislast.

  • Trägt der Besteller die Verantwortung für die Planung des Bauwerks oder der Außenanlage, ist der Unternehmer nur dann zur Erstellung eines Angebots verpflichtet, wenn der Besteller die für die Änderung erforderliche Planung vorgenommen und dem Unternehmer zur Verfügung gestellt hat.

  • Begehrt der Besteller eine Änderung, für die dem Unternehmer nach § 650c Abs. 1 S. 2 BGB kein Anspruch auf Vergütung für vermehrten Aufwand zusteht, streben die Parteien nur Einvernehmen über die Änderung an.

3.3 Anordnungsrecht

Kommt es innerhalb von 30 Tagen nach dem Zugang des Änderungsantrags bei dem Unternehmer zu keiner Einigung, kann der Besteller die Änderungen in Textform einseitig anordnen. Sofern es sich um eine gewünschte, aber nicht notwendige Änderung gemäß der Nr. 1 handelt, gilt dies nur wenn die Änderung für den Unternehmer zumutbar ist.

4. Anzeige der Behinderung der Leistungsausführung durch den Auftragnehmer

Die bei einem Bauvertrag VOB/B erforderliche Anzeige der Behinderung der Leistungsausführung gemäß § 6 Abs. 1 VOB/B ist bei einem Bauvertrag BGB nicht erforderlich bzw. kein Inhalt des § 642 BGB (OLG Düsseldorf 19.02.2013 - I-21 U 24/12).

5. Mitwirkung des Bestellers

Ist bei der Herstellung des Werkes eine Handlung des Bestellers erforderlich, so kann der Unternehmer gemäß § 642 BGB , wenn der Besteller durch das Unterlassen der Handlung in Verzug der Annahme kommt, eine angemessene Entschädigung verlangen.

Voraussetzung des Entschädigungsanspruchs des Unternehmers ist daher nur, dass der Besteller durch das Unterlassen einer Handlung, die bei der Herstellung des Werks erforderlich ist, in Annahmeverzug gerät.

Nach der Rechtsprechung macht der Begriff "angemessene Entschädigung" in § 642 Abs. 1 BGB deutlich, dass es sich bei dem Anspruch nicht um einen umfassenden Schadensersatzanspruch handelt, sondern um einen verschuldensunabhängigen Anspruch sui generis, auf den die Vorschriften der §§ 249 ff. BGB zur Berechnung von Schadensersatz nicht anwendbar sind (BGH 26.10.2017 - VII ZR 16/17). Ebenfalls in diesem Urteil wurde festgestellt, dass Mehrkosten wie gestiegene Lohn- und Materialkosten, die zwar aufgrund des Annahmeverzugs des Bestellers, aber erst nach dessen Beendigung anfallen, nämlich bei Ausführung der verschobenen Werkleistung, vom Entschädigungsanspruch nicht erfasst sind sowie dass das zeitliche Kriterium für die Bemessung der Entschädigungshöhe nur die Dauer des Annahmeverzugs ist.

Die Frage, welchen Inhalt der Entschädigungsanspruch gemäß § 642 BGB hat, insbesondere wie er zu bemessen ist, wurde vom BGH mit dem Urteil BGH 30.01.2020 - VII ZR 33/19 entschieden:

Demgegenüber hat er bislang nicht Stellung dazu genommen, wie der Entschädigungsanspruch gemäß § 642 BGB zu bemessen ist, insbesondere inwieweit Anteile für Gewinn, Wagnis und allgemeine Geschäftskosten in die Entschädigung einfließen können.

"Danach ist die angemessene Entschädigung gemäß § 642 BGB im Ausgangspunkt daran zu orientieren, welche Anteile der vereinbarten Gesamtvergütung einschließlich Wagnis, Gewinn und allgemeinen Geschäftskosten auf die vom Unternehmer während des Annahmeverzugs unproduktiv bereitgehaltenen Produktionsmittel entfallen."

6. Formanforderungen an eine Kündigung

§ 650h BGB legt fest, dass jede Kündigung eines Bauvertrags der Schriftform bedarf. Diese Regelung dient der Rechtsicherheit und der Beweissicherung. Darüber hinaus soll sie die Bauvertragsparteien vor übereilten und später bereuten spontanen Handlungen schützen, die angesichts des Umfangs, den Bauverträge in der Regel haben, mit erheblichen negativen Folgen verbunden sein können. Eine Kündigung in Textform reicht nicht aus. Das Schriftformerfordernis gilt sowohl für die freie Kündigung als auch für die Kündigung aus wichtigem Grund.

7. Abnahme

Die Abnahme ist sowohl im BGB als auch in der VOB/B gesondert geregelt.

8. Vertragsstrafe

In dem Bauvertrag kann gemäß § 341 Abs. 3 BGB eine Vertragsstrafe vereinbart werden.

9. Zuständigkeit bei Rechtsstreitigkeiten

Die in § 72a GVG geregelte Spezialzuständigkeit einer Baukammer ist wie folgt gegeben (OLG Frankfurt am Main 19.12.2018 - 11 SV 114/18):

"Von der Spezialkammer sollen alle Streitigkeiten über Ansprüche entschieden werden, die aus einem Rechtsverhältnis herrühren, in dem eine Partei eine Verpflichtung zur Planung, Durchführung oder Überwachung von Bauarbeiten übernommen hat, wenn an den Verträgen zumindest auf einer Seite ein Architekt, Bauunternehmer oder eine andere berufsmäßig mit der Planung oder Ausführung von Bauarbeiten befasste Person in dieser Eigenschaft beteiligt war (vgl. BT-Drucksache 14/4722 vom 24.11.2000, S. 88). Damit sind nach der Gesetzesreform zum 01.01.2018 insbesondere auch Streitigkeiten aus Bauverträgen (§ 650a BGB), Verbraucherbauverträgen (§ 650i BGB), Architekten- und Ingenieurverträgen (§ 650p BGB) und Bauträgerverträgen (§ 650u BGB) gemeint (BT-Drs. 18/11437 vom 08.03.2017, S. 45)."

§ 119a GVG sieht entsprechend der Regelung des § 72a GVG auch auf der Ebene der Oberlandesgerichte die obligatorische Einrichtung von Spezialspruchkörpern für die jeweiligen Sachgebiete vor.

 Siehe auch 

Abnahme

Bauvertrag VOB/B

Bauvertrag - Pauschalvergütung

Bauvertrag - Einheitspreis

Schwarzarbeit

Werkvertrag - Allgemein

Werkvertrag - Gewährleistung und Schadensersatz

Werkvertrag - Verjährung

Finck/Sieberg: Die Entwicklung des privaten Baurechts (BGB und VOB/B) seit Juni 2022; Neue Juristische Wochenschrift 2023, 21

Kiedrowski, von: Die Bemessung der Entschädigung des Unternehmers beim Mitwirkungsverzug des Bestellers; Neue Juristische Wochenschrift 2020, 1260

Bolz: Baugrundrisiken als Auftragnehmerrisiken; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2022, 1709

Kues: Einigungsmodell und Anordnungsrecht des Bestellers nach dem BGB-Bauvertragsrecht; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2019

Leinemann: Das neue Bauvertragsrecht und seine praktischen Folgen; Neue Juristische Wochenschrift - 2017, 3113

Manteufel: Wechselseitige Kündigungen aus wichtigem Grund - welche hat Vorrang? Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2018, 3683

Omlor: Der neue Verbraucherbauvertrag; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2018, 817

Orlowsk: Das neue Anordnungsrecht des Bestellers; Baurecht - BauR 2017, 1427

Pauly: Die anerkannten Regeln der Technik beim Bauvertrag. Praktische Probleme unscharfer Rechtsbegriffe und Abgrenzung zu anderen Regelwerken; Monatsschrift für Deutsches Recht - MDR 2017, 372

Reister/Werner: Nachträge beim Bauvertrag; 5. Auflage 2023

Roquette/Viering/Leupertz: Handbuch Bauzeit; 4. Auflage 2021

Seidenberg: Senkrechtlift und andere Schnäppchen: Der Widerruf bei Bauverträgen; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2019, 1254

Schwenker/Wessel: Der Bauvertrag. Die Neuregelungen durch die Reform des Bauvertragsrechts 2018; Monatsschrift für Deutsches Recht - MDR 2017, 1096

Sohn: Probleme im Zusammenhang mit der Baukostenüberschreitung; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2018, 2991

Vygen/Joussen: Bauvertragsrecht nach VOB und BGB; 6. Auflage 2023