Andere Meinung als das Finanzamt strafbar?

Steuerrecht
08.10.2019384 Mal gelesen
Die Komplexität des deutschen Steuerrechts führt häufig zu unterschiedlichen Rechtsauffassungen zwischen ...

Die Komplexität des deutschen Steuerrechts führt häufig zu unterschiedlichen Rechtsauffassungen zwischen Finanzverwaltung, Steuerpflichtigen bzw. deren Beratern. Nicht selten vertreten auch Finanzgerichte eine von der Finanzverwaltung abweichende Rechtsansicht zu einer identischen Fragestellung. Vertreten Finanzrechtsprechung bzw. Fachliteratur einen zwar von den Finanzbehörden abweichenden, für den Steuerpflichtigen aber vorteilhaften Ansatz, besteht nicht selten der Wunsch, auch der steuerliche Berater möge diese für den Steuerpflichtigen günstige Rechtsauffassung in der Steuererklärung zugrunde legen. Kommt der steuerliche Berater diesem Wunsch nach, stellt sich die Frage, ob daraus steuerstrafrechtliche Folgen für den Steuerpflichtigen und ggf. auch für den Berater selbst resultieren können.

Aus steuerstrafrechtlicher Sicht sind zunächst jene Fälle unproblematisch, in denen eine abweichende Rechtsauffassung dem Finanzamt gegenüber offengelegt worden ist. In diesen Fällen wird das Finanzamt bereits bei Prüfung der Steuererklärung in die Lage versetzt, die Abweichung zu erkennen und selbst rechtlich zu würdigen.

Problematisch sind demgegenüber jene Fälle, in denen eine abweichende Rechtsauffassung dem Finanzamt gegenüber nicht offenbart wird und daher zunächst unentdeckt bleibt. Erkennt z.B. ein Betriebsprüfer erst im Rahmen einer späteren Außenprüfung diese vom Steuerpflichtigen abweichend vertretene Rechtsauffassung und unterrichtet dieser daraufhin die Steuerfahndungsstellen, ist unklar, ob damit bereits der Anfangsverdacht einer Steuerhinterziehung begründet worden ist.

Nach herrschender Auffassung liegt ein Anfangsverdacht vor, wenn konkrete tatsächliche Anhaltspunkte bestehen, die nach der kriminalistischen Erfahrung die Begehung einer verfolgbaren Straftat bzw. die Beteiligung des Betroffenen an einer verfolgbaren strafbaren Handlung als möglich erscheinen lassen. Trifft den Steuerpflichtigen bzw. dessen steuerlichen Berater eine Pflicht zur Offenbarung und kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, dürfte ein Anfangsverdacht grundsätzlich zu bejahen sein.

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist für die Frage einer Offenbarungspflicht maßgeblich, ob die zu offenbarenden Tatsachen für die Finanzverwaltung entscheidungserheblich sind. Hierzu ist grundsätzlich festzuhalten: Je komplexer ein Sachverhalt ist und je ausführlicher das Formular einer Steuererklärung ist, desto höher sind auch die Anforderungen, welche an die Offenbarungspflicht des Steuerzahlers zu stellen sind.

Unter rechtlichen Gesichtspunkten ist daher Vorsicht geboten, wenn beabsichtigt ist, eine abweichende Rechtsauffassung in der Steuererklärung nicht näher zu erläutern. Diese Entscheidung sollte im Zweifelsfall vor Abgabe der Steuererklärung an das Finanzamt mit einem steuerstrafrechtlich versierten Berater besprochen und sorgfältig abgewogen werden.