Das Bargeschäftsprivileg

Insolvenz
28.07.2020682 Mal gelesen
Das Bargeschäftsprivileg kann die Gläubigerseite im Falle einer Krise der Schuldnerseite vor einer Insolvenzanfechtung schützen.

Bestenfalls ärgerlich ist es, wenn der/die Geschäftspartner/in einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen muss, und der/die Insolvenzverwalter/in dann die im Rahmen einer Geschäftstätigkeit erhaltene Zahlung im Wege einer Insolvenzanfechtung wieder herausverlangt. Zumeist ist dies aber mit erheblichen Nachteilen und Folgen verbunden.

Zu klären ist im Falle einer solchen Anfechtungserklärung unter anderem zunächst, ob es sich bei der angefochtenen Geschäftshandlung nicht um ein sogenanntes privilegiertes Bargeschäft handelt, welches nur unter besonderen Voraussetzungen einer Insolvenzanfechtung unterliegt.

Dieses in § 142 InsO normierte Bargeschäftsprivileg schützt alle Geschäftspartner/innen in einer finanziellen Krise ihres Schuldners / ihrer Schuldnerin vor dem Risiko einer Insolvenzanfechtung und ermöglicht es, weiterhin Geschäfte zu tätigen.

Demnach ist eine Leistung des Schuldners / der Schuldnerin, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in das Schuldnervermögen gelangt, nur dann anfechtbar, wenn die Voraussetzungen einer Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung (§133 InsO) erfüllt sind und darüber hinaus die andere Geschäftsseite erkannt hat, dass der/die Insolvenzschuldner/in unlauter handelte.

Damit die Gegenleistung tatsächlich in das Schuldnervermögen gelangt, ist es aber weder ausreichend, dass sich die Passivmasse lediglich verringert, noch dass eine Verrechnung eines bestehenden Anspruchs des/der Anfechtungsgegners/in mit einem neu entstandenen Schuldneranspruch erfolgt. Desweiteren ist es unabdingbar, dass bereits die Parteivereinbarung auf den unmittelbaren Leistungsaustausch gerichtet ist.

Leistung und Gegenleistung müssen allerdings nicht nur unmittelbar miteinander verknüpft sein, um unter das Bargeschäftsprivileg zu fallen, sie müssen drüber hinaus auch gleichwertig sein. Dies bedeutet, dass aus Sicht eines objektiven Betrachters lediglich eine Vermögensumschichtung vorliegt. Wenn die Parteien nur annehmen oder "glauben", die gegenseitigen Leistungen seien gleichwertig, ist dies nicht ausreichend. Andererseits genügt es, wenn die in die Insolvenzmasse fließende Leistung objektiv betrachtet zumindest wertgleich ist mit der aus der Insolvenzmasse herausfließenden Leistung.

Wann von einer solchen Unmittelbarkeit auszugehen ist, wird in § 142 Abs. 2 InsO konkret geregelt. Satz 1 legt diesen Unmittelbarkeitszusammenhang für den Regelfall fest und Satz 2 für den konkreten Fall des Arbeitsentgelts. Ein Unmittelbarkeitszusammenhang in diesem Sinne ist demnach grundsätzlich dann anzunehmen, wenn der Austausch von Leistung und Gegenleistung nach Art der ausgetauschten Leistung und unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs in einem engen zeitlichen Zusammenhang erfolgt. Für den besonderen Fall des Arbeitsentgelts soll dies jedenfalls dann der Fall sein, wenn der Zeitraum zwischen Arbeitsleistung und Gewährung des Arbeitsentgelts drei Monate nicht übersteigt.

Vor diesem Hintergrund des Unmittelbarkeitszusammenhangs ist evident, dass ein Bargeschäft im Falle einer Kreditierung nicht anzunehmen ist. Die Abgrenzung zu einer bloßen Verzögerung des Leistungsaustauschs ist dann im jeweiligen Einzelfall zu klären. Der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entsprechend wird aber davon ausgegangen werden können, dass für die Annahme eines privilegierten Bargeschäfts regelmäßig höchstens 14 Tage und je nach Vertragstyp in der Regel nicht mehr als 30 Tage zwischen Leistung und Gegenleistung liegen dürfen.

Bei Vorliegen aller genannten Voraussetzungen und Annahme eines privilegierten Bargeschäfts ist eine Anfechtung der Rechtshandlung gleichwohl möglich, wenn der/die Schuldner/in unlauter gehandelt, mithin die benachteiligende Wirkung der Geschäftstätigkeit absichtlich herbeigeführt hat. Eine derartige Unlauterkeit wird z.B. in Fällen anzunehmen sein, in denen Betriebsvermögen, welches zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs unverzichtbar ist, abgestoßen werden soll, oder wenn der/die Insolvenzschuldner/in den vereinnahmten Gegenwert den Gläubigern entziehen will. Nicht ausreichend ist eine Kenntnis des/der Schuldners/in von der bloßen Unrentabilität der Geschäftstätigkeit. Diese Unlauterkeit, also die Absicht der Gläubigerbenachteiligung, des/der Schuldners/in muss die Gegenseite erkannt haben. Dann ist auch ein privilegiertes Bargeschäft anfechtbar.

 

Im Falle einer finanziellen Krise des Geschäftspartners / der Geschäftspartnerin ist demnach anzuraten, auf Vorkasse umzustellen und unmittelbar nach Erhalt der Zahlung die eigene Leistung zu erbringen. Keinesfalls sollten mit einer solchen Vorkassezahlung zunächst Altverbindlichkeiten verrechnet werden.

 

Lassen Sie sich im Bedarfsfall gerne beraten, um das bestmögliche Vorgehen zu erörtern.

 

Ruth Bindner-Reichel

Rechtsanwältin