Zustimmung zur Kündigung eines Schwerbehinderten – Ein zweites Kündigungsschutzverfahren?

Arbeit Betrieb
13.01.20111571 Mal gelesen

Der Arbeitgeber, der einen schwerbehinderten Mitarbeiter mit einem GdB von mindestens 50 oder einen dem gleichgestellten Mitarbeiter (GdB von mindestens 30 unter Gleichstellung durch die Agentur für Arbeit) wirksam kündigen möchte, benötigt für eine Kündigung die Zustimmung des Integrationsamts. Wird die Zustimmung zur Kündigung erteilt, so ist für die Dauer eines Monats die ansonsten unzulässige Kündigung eines schwerbe-hinderten Mitarbeiters erlaubt. Nach Ablauf der Monatsfrist, die mit Zustellung der Zustimmung an den Arbeitgeber zu laufen beginnt, ist es dem Arbeit-geber verwehrt, den Mitarbeiter noch zu kündigen. Entscheidend hierbei als maßgeblicher Zeitpunkt für die Wirksamkeit der Kündigung ist also der Zugang der Kündigungserklärung.

 Wird dem Antrag auf Zustimmung zur Kündigung entsprochen, so hat der betroffene Arbeitnehmer die Möglichkeit, gegen diesen Bescheid Wider-spruch einzulegen. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens und eines ggf. nachfolgenden Klageverfahrens vor dem Verwaltungsgericht geht es darum, ob der Bescheid Bestand hat. Wird der Bescheid aufgehoben, so ist die Kündigung rückwirkend unwirksam. Hierin liegt die Chance für den schwer-behinderten Arbeitnehmer, erfolgreich bereits auf diesem Weg gegen eine Kündigung vorzugehen.

 Fraglich ist in diesem Zusammenhang allerdings immer wieder, wie die Überprüfung des Zustimmungsbescheids im Widerspruchsverfahren bzw. im Verwaltungsprozess auszusehen hat. Es handelt sich hierbei keineswegs um eine zweite Kündigungsschutzklage, mit der die Kündigung etwa nach arbeitsgerichtlichen Maßstäben überprüft wird. Was in der Tat stattfindet, ist eine Überprüfung der Entscheidung der Behörde. Es ist hierbei häufig festzustellen, dass die Zustimmungsbescheide fehlerhaft ergehen. Denn die Prüfung des Antrags auf Zustimmung zur Kündigung des Arbeitnehmers hat nach Maßgabe des § 20 SGB X (Sozialgesetzbuch 10) zu erfolgen, d.h. dass die Behörde eine entsprechende Aufklärungspflicht trifft und dass sie nicht einfach ungeprüft den Vortrag des Arbeitgebers und dessen Behauptungen übernehmen darf. Es findet also eine Nachprüfung der Ermessensentschei-dung des Integrationsamtes durch das Verwaltungsgericht statt. Das Integrationsamt hat all das zu ermitteln und zu berücksichtigen, was erforderlich ist, um die Interessen des Arbeitgebers und des schwerbe-hinderten Arbeitnehmers gegeneinander abwägen zu können. Umfang und Reichweite dieser Aufklärungspflicht ergeben sich aus dem materiellen Recht, d.h. aus den entsprechenden arbeitsrechtlichen sowie allgemein rechtlichen Maßgaben.

Immer wieder ist zu beobachten, dass das Integrationsamt sich nicht hinreichend von der Richtigkeit der für seine Entscheidung wesentlichen Behauptungen eine eigene Überzeugung verschafft, seine Entscheidung jedoch schlicht auf Behauptungen des Arbeitgebers stützt, die es selbst nicht überprüft hat. Sofern sich solche Behauptungen als unrichtig erweisen, ist die Entscheidung ermessensfehlerhaft, mit der Folge, dass der Zustim-mungsbescheid aufgehoben wird und die ausgesprochene Kündigung somit rückwirkend unwirksam wird.

Soweit gelegentlich noch immer diskutiert und behauptet wird, dass die Behörde nicht verpflichtet wäre, irgendeine weitere Überprüfung vorzu-nehmen, ist dies schlicht falsch: Die Behörde ist ausdrücklich gehalten, eine entsprechende Abwägung vorzunehmen, auch bei verhaltungsbedingten Kündigungen, für die häufig behauptet wird, das diese nicht im Zusam-menhang mit der Behinderung stünden und deswegen keine Abwägung vorzunehmen sei. Eine entsprechende Abwägung hat jedoch immer dann zu erfolgen, sofern nicht die Kündigung offensichtlich arbeitsrechtlich unwirk-sam ist und sie sich ohne jeden Zweifel in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht als unwirksam darstellt und sich dies jedem Kundigen geradezu aufdrängt. Sofern kein entsprechend eindeutiger Fall vorliegt, muss die Behörde aber stets in eine Abwägung der Interessen, d.h. den Kündigungs-gründen einerseits und den Interessen am Erhalt des Arbeitsplatzes andererseits eintreten. Es sind jeweils unterschiedliche Gewichtungen je nach den Kündigungsgründen vorzunehmen. Es ist hierbei evident, dass eine krankheitsbedingte Kündigung bei einem schwerbehinderten Mitarbeiter sich anders beurteilt und anders zu prüfen ist, als ein Fehlverhalten, das nicht im Zusammenhang mit der Schwerbehinderung steht.

Weiter ist anerkannt, dass die Behörde nicht an einer offensichtlich rechts-widrigen Kündigung zum Nachteil des schwerbehinderten Mitarbeiters mitwirken soll. So ist bspw. zu prüfen, ob etwa ein Kündigungsgrund bereits ganz offensichtlich verbraucht ist, weil das Verhalten bereits nach dem eigenen Vortrag des Arbeitgebers abgemahnt ist oder das Verhalten ganz offensichtlich gar keinen Kündigungsgrund als solchen darstellen kann.

Eine Vielzahl von Bescheiden ist daher bereits insoweit unwirksam, als die Aufklärungs- und Abwägungspflicht verletzt ist. Regelmäßig ist der Bescheid daher dann aufzuheben und ggf. neu zu entscheiden. Die bereits ausge-sprochene Kündigung des Arbeitgebers kann damit allerdings nicht mehr gerettet werden. Diesen Kündigungsschutzprozess wird der Arbeitnehmer gewinnen. Sollte das Kündigungsschutzverfahren bereits entschieden sein, so wäre im Weg der Restitutionsklage vorzugehen, d.h. der Wiederaufnahme des Verfahrens. Die entsprechende Aufhebung des Zustimmungsbescheids bildet insoweit einen anerkannten Wiederaufnahmegrund, die Kündigung würde dann im Nachhinein für unwirksam erklärt.

Im Hinblick darauf, dass der Verwaltungsrechtweg völlig unabhängig neben dem arbeitsgerichtlichen Kündigungsschutzverfahren steht und die Über-prüfung des Zustimmungsbescheids über das Widerspruchsverfahren und einer ggf. nachfolgenden  Anfechtungsklage eine eigene Klage darstellt, kann das Zustimmungsverfahrens zwar nicht als zweiter Kündigungsschutz-prozess gesehen werden, bietet aber andererseits eine ernst zu nehmende Möglichkeit, sich erfolgreich gegen eine Kündigung zu wehren.

Dem Arbeitnehmer ist zu empfehlen, regelmäßig das Widerspruchs- und ggf. nachfolgende Klageverfahren zu betreiben.

  

Erich Hünlein, Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht