Wussow - Informationen zum Versicherungs- und Haftpflichtrecht (Bsp. eines Beitrags aus dem Bereich der Lebensversicherung)

Denkmalschutzrecht
19.02.20062279 Mal gelesen

Thema

Anwendbarkeit der Vorschrift über die Klauselersetzung des § 172 II VVG auf die kapitalbildende Lebensversicherung

Anforderungen an eine wirksame Klauselersetzung im Treuhänderverfahren

  

Grundlagen

 

Nach § 172 Abs. 2 VVG findet im Falle einer Unwirksamkeit einer Bestimmung in den Versicherungsbedingungen der Lebensversicherung Abs. 1 der Vorschrift Anwendung mit der Folge, daß eine Ersatzklausel durch den Versicherer geschaffen werden kann. Durch Urteile vom 09.05.2001 (BGHZ 147, 373; 354) hat der BGH damals verwendete Klauseln von Lebensversicherern über die Berechnung der beitragsfreien Versicherungssumme und des Rückkaufswerts sowie über einen Stornoabzug wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 9 AGBG für unwirksam erklärt. Diese Klauseln wurden durch die Versicherer im Wege des Treuhänderverfahrens nach § 172 Abs. 2 VVG durch inhaltsgleiche, ihrer Meinung nach nunmehr transparent formulierte Bestimmungen ersetzt. Fraglich ist, ob diese Klauselersetzung wirksam ist.

  

Aktuelles

BGH AZ IV ZR 162/03

 

Der BGH hat sich mit dieser Frage in einem Urteil vom 12.10.2005 (AZ IV ZR 162/03) auseinandergesetzt, wobei entscheidend erörtert wird, ob § 172 Abs. 2 VVG nur auf Risikoversicherungen gemäß § 172 Abs. 1 VVG, nicht aber auf die kapitalbildende Lebensversicherung - jedenfalls nicht auf gekündigte Verträge - anwendbar sei und ob es zulässig sei, eine wegen Intransparenz für unwirksam erklärte Klausel durch eine inhaltsgleiche zu ersetzen.

 

a)       Der BGH folgt der überwiegend in der Literatur und Rechtsprechung, die von den Lebensversicherungsunternehmen bevorzugten Ansicht, wonach § 172 Abs. 2 VVG alle Lebensversicherungen erfasse, mithin auch die kapitalbildende Lebensversicherung (BK-Schintowski, § 172 VVG, Rdnr. 23; Kollhosser, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 172, Rdnr. 17; OLG Stuttgart, VersR 2001, 1141 m. Anm. Lorenz; OLG München, VersR 2003, 1024; OLG Braunschweig, VersR 2003, 1520; OLG Celle, VersR 2005, 535; OLG Nürnberg, Urteil vom 11.07.2005 - AZ 8 U 3187/04). Schon der Wortlaut "der Lebensversicherung" spreche dafür, daß § 172 Abs. 2 VVG alle Lebensversicherungen meine, da der Formulierung anders als in § 176 Abs. 2 VVG eine Beschränkung auf eine bestimmte Art der Lebensversicherung nicht zu entnehmen sei. Der Vergleich mit § 178 g Abs. 3  VVG spreche ebenfalls dafür, daß § 172 Abs. 2 VVG nicht nur auf die Versicherungen der in Abs. 1 bezeichneten Art anwendbar sei. Hätte die Ersetzungsbefugnis in § 172 Abs. 2 VVG nur für die Risikoversicherung gelten sollen, hätte es nahe gelegen, sie wie bei § 178 g Abs. 3 VVG durch Anfügen des vergleichbaren Satzes "ist in den Versicherungsbedingungen eine Bestimmung unwirksam, ..." zu regeln. Statt dessen ist die Ersetzungsbefugnis aber in einem eigenen Absatz untergebracht, so daß entgegen der Ansicht von Römer (Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 172 Rdnr. 14) der Gesetzgeber den Zusammenhang zwischen Abs. 2 und Abs. 1 des § 172 VVG gelöst habe. Auch spreche die Entstehungsgeschichte nicht gegen, sondern eher für einen weiten Anwendungsbereich von § 172 Abs. 2 VVG. Die Anwendung von § 172 Abs. 2 VVG auf alle Arten von Lebensversicherungen sei auch nicht verfassungswidrig. Sie schränke zwar die durch Art. 2 I GG gewährleistete Privatautonomie der VN ein, weil sie dem Versicherer ein einseitiges Recht zur Vertragsergänzung einräume. Dies sei jedoch sachlich gerechtfertigt, da eine Vertragsergänzung mit Zustimmung aller VN praktisch nicht durchführbar sei und deshalb die Rechtssicherheit und die nach § 11 Abs. 2 VAG gebotene Gleichbehandlung aller VN gefährden würde.

 

b)       Die inhaltsgleiche Ersetzung unwirksamer Klauseln unterlaufe die gesetzliche Sanktion der Unwirksamkeit nach § 9 Abs. 1 AGBG (jetzt § 307 Abs. 1 BGB) und sei schon deshalb mit den Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung nicht zu vereinbaren. Es sei nicht angängig, an die Stelle der unwirksamen, weil den Vertragspartner des Klauselverwenders unangemessen benachteiligenden Klausel im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung eine inhaltsgleiche Bestimmung zu setzen (BGHZ 90, 69, 78). Dies gelte auch, wenn die Unwirksamkeit auf einen Verstoß gegen das Transparenzgebot beruhe. Insbesondere ließen sich Folgen eines Transparenzmangels nicht rückwirkend damit beseitigen, daß die unwirksame intransparente Klausel durch eine materiell inhaltsgleiche transparente Klausel ersetzt werde (so im Ansatz auch Wandt, VersR 2001, 1455).

 

Die im konkret vorliegenden Fall durch den BGH festgestellte Unwirksamkeit der inhaltsgleichen Bestimmungen über die Berechnung der beitragsfreien Versicherungssumme und des Rückkaufswerts, des Stornoabzugs und der Verrechnung der Abschlußkosten führe zu einer richterlichen ergänzenden Vertragsauslegung. Nach den Maßstäben des § 306 Abs. 2 BGB ergebe sich, daß der Stornoabzug entfalle und die beitragsfreie Versicherungssumme und der Rückkaufswert bei Kündigung einen Mindestbetrag nicht unterschreiten dürften. Dieser Mindestbetrag werde bestimmt durch die Hälfte des mit den Berechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation berechneten ungezillmerten Deckungskapitals. Bereits erworbene Ansprüche aus einer vereinbarten Überschußbeteiligung würden dadurch nicht erhöht.