Witwenrente Versorgungsehe Widerlegung Beweis Ausforschungsantrag

Soziales und Sozialversicherung
03.02.2012936 Mal gelesen
BSG v. 19.10.2011 - B 13 R 33/11 R: Anders als bei einer Nottrauung am Krankenbett liegt es bei einer Trauung im Standesamt ohne Hinweise auf besondere Umstände nicht nahe, dass der Standesbeamte Kenntnis von Einzelheiten erhält, die für das Vorliegen einer Versorgungsehe sprechen

Das Bundessozialgericht hat den Anspruch auf Witwenrente in folgendem Fall bestätigt:

Die im Jahre 1939 geborene Klägerin war mit dem im selben Jahr geborenen Versicherten bereits zwischen 1986 bis zur Scheidung im Jahre 1993 verheiratet. Im Mai 2002 wurde bei dem Versicherten eine Krebserkrankung diagnostiziert. Seit Juni 2003 wohnte er wieder mit der Klägerin zusammen; beide heirateten im Mai 2004 (nach einer eine Woche zuvor erfolgten Anmeldung) beim Standesamt erneut. Im April 2005 verstarb der Versicherte an Krebs.


Der Rentenversicherungsträger (die Beklagte) lehnte die Gewährung einer Witwenrente ab, da es sich angesichts der nur 11-monatigen Dauer der Ehe um eine Versorgungsehe gehandelt habe. Das Landessozialgericht - Schleswig-Holsteinisches LSG, L 5 R 57/09 - hat den Rentenversicherungsträger zur Gewährung von Witwenrente verurteilt. Es hat im Termin zur mündlichen Verhandlung den Sohn der Klägerin aus einer früheren Ehe sowie eine gemeinsame Freundin der Klägerin und des Versicherten als Zeugen vernommen: Als Beweisergebnis hat es festgestellt, es sei nicht der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat im Mai 2004 gewesen, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Vielmehr hätten von finanziellen Erwägungen unabhängige bzw diesen zumindest gleichwertige emotionale Beweggründe für die Heirat vorgelegen, die aus der langjährigen inneren Verbundenheit resultiert hätten und von dem Wunsch nach Beistand und Unterstützung des Ehemanns in dessen schwieriger Lebensphase getragen gewesen seien. Dem Antrag der Beklagten, den für die Heirat zuständigen Standesbeamten als Zeugen zur Durchführung der Heirat, insbesondere zum Inhalt der Vorgespräche und zur Motivation der Eheschließung, zu vernehmen, ist das LSG nicht gefolgt, weil es sich um einen unzulässigen Ausforschungsantrag handele.

 
Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision hat der Rentenversicherungsträger unter anderem gerügt, daß das LSG sich hätte gedrängt fühlen müssen, dem Beweisantrag zu folgen; er wies auf das BSG-Urteil vom 6.5.2010 (B 13 R 134/08 R) hin, in dem es als Verfahrensfehler betrachtet habe, dass ein Standesbeamter, der die Eheschließung auf der Station im Krankenhaus vollzogen hatte, nicht als Zeuge vernommen worden sei.

Das BSG hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen und der Witwe Recht gegeben: Dem LSG sei keiner der gerügten Verfahrensfehler zur Last zu legen. Es habe dem Antrag der Beklagten nicht folgen müssen, den zuständigen Standesbeamten als Zeugen zu den näheren Umständen der Durchführung der Heirat, insbesondere zum Inhalt der Vorgespräche und zur Motivation der Eheschließung, zu vernehmen. Dieser Beweisantrag sei unsubstantiiert gewesen. Es habe sich sich um einen Beweisausforschungs- bzw -ermittlungsantrag gehandelt, wie er auch im sozialgerichtlichen Verfahren unzulässig sei. Im Grunde sollte erst die Beweisaufnahme selbst die eigentlich im Beweisantrag zu benennenden Tatsachen aufdecken. Es sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich gewesen, aus welchem Grund der benannte Zeuge relevante Einzelheiten bekunden werde. Anders als bei einer Nottrauung am Krankenbett liege es bei einer Trauung im Standesamt ohne Hinweise auf besondere Umstände nicht nahe, dass der Standesbeamte Kenntnis von Einzelheiten erhält, die für die Entscheidung über das Vorliegen einer sog Versorgungsehe erheblich sein können.

Bundessozialgericht, Urteil vom 19.10.2011, Az.: B 13 R 33/11 R
vgl. BSG, Terminsvorschau Nr. 54/11 und Terminsbericht Nr. 54/11 sowie den Wortlaut der Entscheidung, der vollständig hier eingesehen werden.