Gesetz gilt: OLG Düsseldorf, I-20 U 150/15 a.A. OLG Hamm, I-4 U 105/15

Abmahnung
26.05.20161362 Mal gelesen
Rechtsmissbrauch darf nicht sein. Aber oftmals ist dieser Einwand auch nur der Missbrauch eines rechtlichen Ausnahmetatbestands, wie ein aktuelles Urteil des OLG Düsseldorf bestätigt. Der zu beurteilende Sachverhalt ist dabei ein Parallelvorgang zu OLG Hamm, I-4 U 105/15.

Abmahnungen sind - dies stellt kaum ein Spezialist ernsthaft in Abrede - ein gutes Instrument, um Rechtsverstöße aller Art zu beheben, die den Wettbewerb der Marktteilnehmer beeinflussen. Dabei ist nicht von der Hand zu weisen, dass es in Einzelfällen auch Abmahnungen gibt, die kritisch zu sehen sind, aber darauf kann man mit spezialisierter Beratung gut reagieren. Naiv und nachweisbar falsch ist jedenfalls der pauschale Ansatz, dass sich bei Abmahnungen das "Wehren lohnt", schnell macht dies die Sache erst richtig teuer. In aller Regel sind es nicht abmahnende Unternehmen, die das Gesetz unzulässig überbeanspruchen, sondern wird dieser Einwand in der Verteidigung missbraucht.

Es ist leider so, dass sich zunehmend eine Art und Weise der Verteidigung gegen Abmahnungen zu etablieren versucht, die insbesondere dazu dient, besonders unseriös agierende Rechtsverletzer zu schützen. Z.B. solche, die sich schlichtweg verweigern, ihre Kunden rechtskonform umzustellen, obgleich sie genau wissen, dass ihre Ware fehlerhaft und sehr berechtigt abgemahnt wird. Um eigene Kosten zu sparen, wird dann das Argument eines vorgeblichen Rechtsmissbrauchs entwickelt, anstatt durch eine entsprechende Rückrufaktion das Problem zu lösen. Mitunter ist es dann so, dass entsprechender Rechtsmissbrauchsvortrag dann sogar ernstlich von Gerichten gehört wird. Doch zumeist ist dies gerade für die vom Verfahren Betroffenen, die Händler, ein Pyrrhussieg, denn selbst wenn sie in einem Eilverfahren damit vielleicht noch Erfolg haben, wird der Schaden in einem nachfolgenden Hauptsacheprozess nur umso größer. 

So hatte z.B. das OLG Hamm in seiner Sache OLG Hamm I-4 U 105/15 einige sehr erfolgreiche und im Grunde schon abgeschlossene Parallelabmahnungen zu entscheiden, die bei einer sorgfältigen Prüfung der Tatsachen und dogmatischen Hinterfragung sicher nicht angreifbar waren. Tatsächlich kam es zur Wertung „Rechtsmissbrauch“. So wurde ernstlich problematisiert, ob es bei einer Monate vorhergehenden Abmahnung der Herstellerin (dort Burg-Wächter), die diese Firma de facto ignorierte, kaufmännisch unvernünftig sein kann, ca. 50 Abmahnungen gegen deren Abnehmer in wenigen Tagen auszusprechen. Hierbei muss man wissen, dass unsere Mandantin die Firma Provima im Referenzzeitraum im Wettbewerbssegment einen hohen sechsstelligen Umsatz mit Ware machte und insgesamt zudem einen siebenstelligem Jahresumsatz erzielt. Weil das Verhältnis von Abmahnungen zu Umsatz auch dem OLG Hamm wohl noch nicht ausreichend erschien, reihte der Senat in der dortigen Sache noch diverse weitere Wertungen aneinander, die gerichtlich bis dato noch nie entwickelt worden waren. Die Folge dieser Entscheidung war dann plötzlich eine bundesweite Aufregung und Kostenexplosion, weil versucht wurde, diese Wertung in jedem nur greifbaren Verfahren zu platzieren. Konkret war es nämlich so, dass die Herstellerin nicht gewillt war, dass es mit ihrer Abmahnung und einer einvernehmlichen Aufbrauchfrist getan war, so wie es die Provima im Interesse der Schonung des Handels versucht hatte, sondern wegen einer hartnäckigen Verweigerung mussten i.E. fast 300 Abmahnungen ausgesprochen werden, um den Markt zu bereinigen. Davon erfolgten allerdings etwa 200 gegen die hagebau-Gruppe, weil diese eine Unterwerfung nach Abmahnung der Zentrale verweigerte.

Angeheizt durch die Entscheidung des OLG Hamm, müssen diese Abmahnungen nun in substantieller Zahl prozessiert werden, obgleich es der Provima nie um etwas anderes ging, als die angegriffenen unlauteren Werbeaussagen aus dem Markt zu bekommen.

Dass Herstellerin und Handel im Ergebnis schlecht beraten sind, eine solche Eskalation mit letztlich wohl einem Millionenschaden wegen eigentlich gänzlich unnötiger Kosten der Rechtsverteidigung zu provozieren, das hat nun das OLG Düsseldorf mit einer umfangreichen, aber dennoch dankbar klaren Begründung in zwei Entscheidungen herausgearbeitet.

Bezeichnender Weise erging das Urteil gegen einen Elektronikriesen und dessen Tochtergesellschaft, von denen man zunächst nicht annehmen würde, dass sie mit Briefkästen handeln. Aber gerade der Umstand, dass heute viele Unternehmer im Grunde fast alles verkaufen, ohne die Produkte dabei noch zu kennen, selbst kleine Unternehmen oft Artikel in substantieller fünfstelliger Stückzahl anbieten, zeigt, dass die wettbewerbsrechtliche Verantwortung dadurch weiter steigt und nicht etwa abnehmen kann, der Handel ggf. auch mit einer substantiellen Zahl von Abmahnungen rechnen muss, wenn er sich so sperrt, wie im streitgegenständlichen Fall:

 

Oberlandesgericht Düsseldorf

Im Namen des Volkes

Urteil

 

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren

Provima….(Antragstellerin)

- Verfahrensbevollmächtigte Faustmann .... Rechtsanwälte .... –

….(Antragsgegnerin)

- Verfahrensbevollmächtigte Rechtsanwälte Kreye, Kreye & Faust, Colonnaden 104, 20354 Hamburg –

Burg-Wächter….(Nebenintervenientin auf Seiten der Antragsgegnerin)

- Verfahrensbevollmächtigte Rechtsanwälte Krieger Mes & Graf v. d. Groeben, Bennigsen-Platz 1, 40474 Düsseldorf –

 

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 03.05.2016 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Schüttpelz, die Richterin am Oberlandesgericht Sasse-Kühnen und die Richterin am Landgericht Pastohr

für R e c h t erkannt:

A.

Auf die Berufung der Antragstellerin wird das am 04.12.2015 verkündete Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf abgeändert.

 

I.

Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Produkte im Marktsegment Postkästen in den Verkehr zu bringen,

 

1. mit der Formulierung

„Umweltfreundlich produziert“

 

wie aus Anlage FN 1 ersichtlich geschehen;

 

2. mit „geprüfter Qualität" wie folgt abgebildet:

 

wie aus Anlage FN 2 ersichtlich geschehen

 

ll.

Der Antragsgegnerin werden für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen dieses gerichtliche Verbot als Zwangsvollstreckungsmaßnahmen Ordnungsgeld bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, und Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.

 

B.

Die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Kosten der Nebenintervention, die die Nebenintervenientin zu tragen hat, werden der Antragsgegnerin auferlegt.

 

Gründe

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Durch dieses hat das Landgericht unter Zurückweisung des auf ihren Erlass gerichteten Antrags eine von ihm im Beschlusswege erlassene einstweilige Verfügung aufgehoben, durch die gegen die Antragsgegnerin das tenorierte Verbot ausgesprochen worden war.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Beschlussverfügung sei aufzuheben und der Antrag zurückzuweisen, da letzterer nach § 8 Abs. 4 UWG unzulässig sei. Diese Wertung folge aus einer rückschließenden Betrachtung der objektiven Gegebenheiten. Zu diesen gehöre, dass die Antragsgegnerin gegen die Nebenintervenientin als Herstellerin von Briefkästen sowohl markenrechtlich als auch wettbewerbsrechtlich vorgehe, wobei der Vertrieb von Briefkästen nicht das Hauptgeschäft der Antragstellerin sei, die verschiedenste Waren vertreibe. Ihre für die Jahre 2012 und 2013 bilanziell ausgewiesenen Jahresgewinne lägen deutlich unter der Marke von 10.000,- €. Nachdem sich abgezeichnet habe, dass das Landgericht Hagen die dort von der Antragstellerin gegen die Nebenintervenientin beantragte einstweilige Verfügung erlassen würde, habe die Antragstellerin ein von ihr selber als „erste Abmahnwelle“ bezeichnetes Verhalten begonnen, das darin bestanden habe, Abnehmer der Nebenintervenientin abzumahnen. In diesem Zusammenhang sei es innerhalb weniger Wochen zu 270 Abmahnungen gekommen, bei denen die Antragstellerin den Streitwert regelmäßig mit 20.000,- € angegeben habe und entsprechende Kostenerstattungsansprüche geltend gemacht worden seien, obwohl weitestgehend gleiche Verletzungshandlungen beanstandet worden seien. Ein solches Verhalten widerspreche jeglicher kaufmännischen Vernunft im Zusammenhang mit dem Bemühen um den Absatz von Briefkästen, zumal nicht ersichtlich sei, dass die beanstandeten Wettbewerbsverstöße die Antragstellerin in ihrer Position im Wettbewerb in einem Umfang beeinträchtigten, die eine solche Vorgehensweise verständlich erscheinen ließe. Die Abmahntätigkeit der Antragstellerin habe sich daher in einem Maße verselbständigt gehabt, dass Aufwand und Nutzen in keinem vernünftigen Verhältnis mehr zu Risiko und Umfang gestanden hätten. Zudem habe die Antragstellerin die Ermittlung der behaupteten Rechtsverstöße einschließlich Durchführung der Testkäufe vollständig ihren Prozessbevollmächtigten überlassen. Schließlich seien wie vorliegend auch Mutter- und Tochtergesellschaft wegen einander entsprechender Aussagen nicht in einem Verfahren, sondern jeweils gesondert gerichtlich verfolgt worden. Hieraus sei eine Motivlage erkennbar, die selbst dann, wenn die Nebenintervenientin keinen sofortigen Rückruf durchgeführt und ihrerseits offensiv die Position vertreten habe, sich rechtlich einwandfrei verhalten zu haben, keinen vernünftigen Zweifel daran zulasse, dass die Beobachtung der Einhaltung der Regeln des lauteren Wettbewerbs für die Antragstellerin allenfalls nebensächliche Bedeutung gehabt habe. lm Vordergrund hätten die als missbräuchlich anzusehenden Aspekte der Ausübung von unverhältnismäßigem Druck und das Entstehenlassen von Kosten, wenn nicht gar die Generierung von Aufwendungsersatz gestanden.

 

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der Berufung und macht geltend, unzutreffend sei bereits die Annahme des Landgerichts, Briefkästen machten nur einen geringen Teil des Warensortiments der Antragstellerin aus. Vielmehr habe sie im Jahr 2015 1/3 bis 1/4 ihrer üblichen Umsätze im Briefkastengeschäft getätigt, so dass es sich hinter dem Hauptgeschäft mit Körnerpantoffeln um das zweitstärkste Produkt der Antragstellerin handele. Auch habe das Landgericht zu Unrecht alle Abmahnungen der Antragstellerin von Juni 2015 bis heute „in einen Topf“ geworfen und undifferenziert als Ausdruck einer Verselbständigung angesehen. Dabei habe sich das Landgericht der Tatsache verschlossen, dass sie - die Antragstellerin -zunächst auf eine Klärung auf Herstellerebene gesetzt habe, dies aber daran gescheitert sei, dass die Nebenintervenientin sich jedem Produktrückruf widersetzt habe, und die scheinbar große Zahl Abgemahnter an der Struktur der Baumarktkette Hagebau liege, deren Zentrale sich von der Nebenintervenientin zu einer Rechtsmissbrauchskampagne habe drängen lassen. Die Abmahnungen seien vielmehr in zwei Komplexe aufzuteilen: den ersten mit 71 Abmahnungen und den zweiten, Hagebau betreffenden. Der Entschluss, Hagebau abzumahnen, sei nach Aussprache der ersten 71 Abmahnungen aufgrund einer Bemerkung der Nebenintervenientin in der mündlichen Verhandlung in einem gegen sie gerichteten Verfahren vor dem Landgericht Dortmund am 28.07.2015 erwachsen. Damit sei eine logische Trennung beider Komplexe im Sinne der BGH-Rechtsprechung gegeben. Dass es ihr - der Antragstellerin - nicht auf die Erzielung von Gebühren angekommen sei, zeige der Umstand, dass die den 71 Abmahnungen von Onlinehändlern vorangegangene Abmahnung der Nebenintervenientin vom 10.05.2015 eine Aufbrauchfrist zu deren Gunsten vorgesehen habe. Da hierauf nicht reagiert, die Produktion nach dem eigenen Vorbringen der Nebenintervenientin erst ab dem 23.06.2015 umgestellt umgestellt worden sei und ein Produktrückruf überhaupt nicht stattgefunden habe, sei ihr nichts anderes übrig geblieben, als Weiterverkäufer anzugehen, um eine Marktbereinigung herbeizuführen. Dabei sei aus näher ausgeführten Gründen das finanzielle Risiko gering gewesen. Die Durchführung der Testkäufe durch ihre Verfahrensbevollmächtigten habe den Vorteil der Zeitersparnis und der gesicherten Qualität bei der Dokumentation und Beweissicherung gehabt. Hinsichtlich des vom Landgericht erhobenen Vorwurfs der getrennten Inanspruchnahme von Mutter- und Tochtergesellschaft sei zunächst einmal klarzustellen, dass diese Konstellation entgegen der Formulierung im angefochtenen Urteil nur einmal vorgekommen sei. Zudem hätten beide Unternehmen die Ansprüche jeweils für sich zurückgewiesen, ohne ein Musterverfahren anzubieten. Dass man Kenntnis vom „Mutter-Tochter-Verhältnis" habe, beruhe allein auf von ihren Verfahrensbevollmächtigten anderweitig geführten Prozessen. Dieses habe aber ebenso gut wieder beendet sein können. Und selbst bei Fortbestehen des genannten Verhältnisses seien Gründe denkbar, die eine Verfolgung der Ansprüche in getrennten Verfahren rechtfertigten, weil sie zu unterschiedlichen Verfahrensschicksalen führen könnten. Völlig außer Acht gelassen habe das Landgericht, dass die Antragsgegnerin das Verfahren hauptsächlich im Hinblick auf die von ihr verneinte Prüfungspflicht durchgeführt wissen wolle, ihr das Rechtsmissbrauchsargument nur zufällig quasi „vor die Füße gefallen sei". Zu diesem sei im übrigen zwischen der Nebenintervenientin und Hagebau mit Schreiben vom 17.08.2015 ausgeführt worden: „Allmählich dürfte der Rechtsmissbrauchseinwand des § 8 Abs. 4 UWG „Formen“ annehmen!“, was zeige, dass beide bis dahin selbst nicht von einem rechtsmissbräuchlichen Verhalten der Antragstellerin ausgegangen seien. Anschließend habe die Nebenintervenientin mit Schreiben vom 03.08.2015 (Anlage FN 21) gegenüber der Antragstellerin das Nichtvorgehen gegen große Abnehmer als Rechtsmissbrauch in die Diskussion gebracht.

 

Die Antragstellerin beantragt,

wie erkannt.

 

Die Antragsgegnerin und die Nebenintervenientin beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

 

Beide verteidigen das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ıhres jeweiligen erstinstanzlichen Vorbringens als zutreffend.

Die Antragsgegnerin macht insbesondere geltend, etwas anderes als eine Gesamtbetrachtung der ausgesprochenen Abmahnungen sei nicht möglich, da alle Abmahnungen auf die gleichen Verstöße bezögen. Die Abmahnung von Hagebau und zwar nicht nur der Zentrale, sondern aller Betreiber von Hagebaumärkten am 03.08.2015 sei von Seiten der Antragstellerin in der am 16.07.2015 erlangten Kenntnis erfolgt, dass die Nebenintervenientin Briefkästen mit den streitgegenständlichen Aussagen nicht mehr ausliefere. Die von der Antragstellerin vorgetragenen Umsatzzahlen besagten nichts über den für die wirtschaftliche Tragfähigkeit maßgeblichen Gewinn. Vor den gegenüber den diversen Hagebau-Baumärkten ausgesprochenen Abmahnungen habe der Antragstellerin ein verhandelbares Vergleichsangebot der Nebenintervenientin vorgelegen.

Diese macht insbesondere geltend, sie sei zu keiner Zeit von der Antragstellerin aufgefordert worden, den Markt „zu bereinigen", also bereits ausgelieferte Produkte mit den streitgegenständlichen Aussagen zurückzurufen. Gleichwohl habe sie ab Mitte Juni 2015 sukzessive den kompletten Markt umgestellt, also bei ihren Kunden die betroffenen Waren gegen solche ausgetauscht, die die streitbefangenen Hinweise nicht aufwiesen bzw. diese Hinweise auf der Produktverpackung unkenntlich gemacht. Die Nebenintervenientin meint, bei den Beanstandungen handele es sich um wettbewerbsrechtliche „Lappalien“; es sei davon auszugehen, dass die Antragstellerin keinen einzigen Briefkasten mehr verkauft hätte, wenn die Nebenintervenientin nicht die beıden streıtbefangenen Werbeaussagen auf den Produktverpackungen angebracht hätte. Kein vernünftiger Kaufmann gehe das von ihr beschriebene Kostenrisiko ein, um eine solche Lappalie zu beseitigen. Schließlich habe die Antragstellerin in mehreren anderen Verfahren unstreitig gestellt, dass ihr die mit den 200 Abmahnungen jeweils geltend gemachte Abmahngebühr von ihren Verfahrensbevollmächtigten nicht in Rechnung gestellt und von ihr auch nicht bezahlt worden sei. Damit sei die Antragstellerin von den Risiken der Abmahnungen freigestellt. Für ihren Verfahrensbevollmächtigten handele es sich um ein unzulässiges Erfolgshonorar. Die Nebenintervenientin bestreitet, dass die Antragstellerin vor Abmahnung der ersten 50 Kunden der Nebenintervenientin einen Kostenvorschuss in Höhe von 35.700,- € bezahlt hat. Zudem datiere der Auftrag zur Abmahnung der ersten 50 Kunden schon vom 08.06.2015, die Vorschussrechnung erst vom 12.06.2015.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Es liegen sowohl ein Verfügungsgrund als auch ein Verfügungsanspruch vor, wobei im Rahmen des Verfügungsanspruchs aus Gründen der Verständlichkeit mit den Ausführungen zur Begründetheit begonnen und erst dann auf die Zulässigkeit der Geltendmachung des - begründeten - Anspruchs eingegangen werden soll.

 

1.)

Auf den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch findet das UWG in seiner seit dem 10.12.2015 geltenden Fassung Anwendung; der Anspruch ist aber nur begründet, wenn er auch nach der Rechtslage zum Zeitpunkt der die Wiederholungsgefahr begründenden Handlung bestand. Für die in Rede stehenden Ansprüche aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, § 3 Abs. 1, §5 UWG erfordert dies letztlich keine gesonderte Prüfung, da sich die Voraussetzungen einer Irreführung im Sinne von § 5 UWG nicht geändert haben und lediglich das Relevanzerfordernis dem Wortlaut von Art. 6 der UGP-RL (Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken vom 11.5.2005)angepasst worden ist.

  

Gemäß Absatz 1 Satz1 des § 5 UWG n.F. handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Irreführend ist eine geschäftliche Handlung nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 1, nur wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung wie Verfügbarkeit, Art, Ausführung, Vorteile, Risiken, Zusammensetzung, Zubehör, Verfahren oder Zeitpunkt der Herstellung, Lieferung oder Erbringung, Zwecktauglichkeit, Verwendungsmöglichkeit, Menge, Beschaffenheit, Kundendienst und Beschwerdeverfahren, geographische oder betriebliche Herkunft, von der Verwendung zu erwartende Ergebnisse oder die Ergebnisse oder wesentlichen Bestandteile von Tests der Waren oder Dienstleistungen. Eine solche unwahre Angabe enthalten beide streitgegenständlichen Aussagen, mit denen die beanstandeten Briefkästen beworben wurden.

Die von der Antragsgegnerin in ihrer Produktbeschreibung im Internet verwandte Werbeaussage „Umweltfreundlich produziert“ lässt in ihrer Allgemeinheit offen, in Bezug auf welchen konkreten Aspekt des Produktionsprozesses eine Umweltfreundlichkeit vorliegen soll, und erfüllt damit nicht die Erfordernisse, die der Bundesgerichtshof für die Zulässigkeit der Werbung mit Umweltschutzbegriffen aufgestellt hat. Bereits im Jahr 1991 hat er ausgeführt, dass die Irreführungsgefahr im Bereich der umweltbezogenen Werbung besonders groß ist, da Begriffe wie „umweltfreundlich“, „umweltverträglich“, „umweltschonend" oder „bio“ unklar seien. Zudem sei es oftmals so, dass die so beworbenen Produkte regelmäßig nicht insgesamt und in jeder Beziehung, sondern meist nur in Teilbereichen mehr oder weniger umweltschonender als andere Waren seien. Unter diesen Voraussetzungen bestehe ein gesteigertes Aufklärungsbedürfnis der angesprochenen Verkehrskreise über Bedeutung und Inhalt der verwendeten Begriffe und Zeichen. An die zur Vermeidung einer Irreführung erforderlichen aufklärenden Hinweise seien daher grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen, die sich im Einzelfall nach der Art des Produkts und dem Grad und Ausmaß seiner „Umweltfreundlichkeit" bestimmen. Fehlen die danach gebotenen, aufklärenden Hinweise in der Werbung oder sind sie nicht deutlich sichtbar herausgestellt, besteht in besonders hohem Maße die Gefahr, dass bei den angesprochenen Verkehrskreisen irrige Vorstellungen über die Beschaffenheit der angebotenen Ware hervorgerufen werden und sie dadurch in ihrer Kaufentscheidung beeinflusst werden (BGH GRUR 1991, 546 (547) -  aus Altpapier). Diese Grundsätze gelten auch heute noch (vgl. Bornkamm in: Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Aufl., § 5 Rdnr. 4.166 ff). Zwar hat die Antragsgegnerin die streitgegenständlichen Briefkasten nicht allgemein mit „umweltfreundlich“ beworben, sondern diesen Begriff bezogen auf den Produktionsprozess verwendet. Der Produktionsprozess ist jedoch vielschichtıg, so dass es der Angabe bedurft hätte, welcher konkrete Produktionsschritt als „umweltfreundlich“ bezeichnet werden kann und soll. Die Antragsgegnerin hat auch nicht schlüssig dargelegt, dass die Produktion der streitgegenständlichen Briefkästen tatsächlich „umweltfreundlich" ist, also Umweltschäden vermeidet. Soweit die Antragsgegnerin geltend macht, die streitgegenständlichen Briefkästen seien tatsachlich umweltfreundlich produziert, da sie aus Kunststoff hergestellt seien und eine Umfrage in Großbritannien ergeben habe dass 80 % der Befragten Kunststoff als umweltfreundlich ansehen, ist bereits fraglich ob dieser Aspekt aus der Sicht des angesprochenen Verbrauchers in den Bereich „Produktion“ fällt, für den explizit geworben wird, oder ob er hierunter nicht nur die mittels Arbeit bewirkten Prozesse der Transformation versteht, die aus natürlichen wie bereits produzierten Ausgangsstoffen (Werkstoffen) unter Einsatz von Energie und bestimmten Produktionsmitteln lagerbare Wirtschafts- oder Gebrauchsgüter erzeugen. Selbst wenn dies nicht der Fall ist und aus Verbrauchersicht auch der Ausgangsstoff Teil des Produktionsprozesses sein sollte, kann die von der Antragsgegnerin aufgestellte These, Kunststoff werde vom angesprochenen Verkehr allgemein als umweltfreundlicher Rohstoff angesehen, nicht geteilt werden. Dies vermag der Senat als Teil dieses Verkehrs aus eigener Anschauung zu beurteilen. Auch die Berufung der Antragsgegnerin auf EN ISO 9001, der sich die Nebenintervenıentın verpflichtet hat, belegt keine Umweltfreundlichkeit ihrer Briefkastenproduktion. Die EN ISO 9001 legt lediglich die Mindestanforderung an ein Qualitätsmanagementsystem fest, denen eine Organisation zu genügen hat, um Produkte und Dienstleistungen bereitstellen zu können welche die Kundenerwartungen sowie allfällige behördliche Anforderungen erfüllen. Die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems ist eine strategische Entscheidung einer Organisation. Strebt sie vermehrte Kundenfreundlichkeit an, bietet die EN ISO 9001 einen zertifizierungsfähigen Rahmen dafür, die kontinuierliche Verbesserung des Managementsystems - und damit die meist verbundenen wirtschaftlichen Vorteile- voranzutreiben. Was dies mit der Umweltfreundlichkeit der Produktion der konkreten Ware Briefkästen bei der Nebenintervenientin zu tun hat, wird von der Antragsgegnerin nicht erläutert und erschließt sich auch nicht ansonsten. Anerkannte Anforderungen an ein Umweltmanagementsystem werden vielmehr u.a. durch die internationale Umweltmanagementnorm ISO 14001 festgelegt.

Auch die Verwendung des beanstandeten Zeichens, das die Worte „geprüfte Qualität“ umschließt, ist irreführend. Es ist geeignet, bei einem erheblichen Teil des angesprochenen Verkehrs die Vorstellung zu wecken, die Qualitätsprüfung sei von dritter Seite vorgenommen worden, was unstreitig nicht der Fall ist (so auch OLG Frankfurt in einem Parallelverfahren gegen einen Online-Händler, Anlage FN 76)). Was die Qualitätsprüfung im Haus der Herstellerin anbelangt, die - so die Antragsgegnerin -durch die Aussage vermittelt werden soll, handelt es sich aus der Sicht des angesprochenen Verkehrs um eine Selbstverständlichkeit. Kein Verbraucher, der ein Produkt in der vorliegenden Preisklasse (46,15 € im Falle des Angebots der Antragsgegnerin, siehe Anlage FN 1) erwirbt, geht davon aus, dass diese Produkt beim Hersteller keiner Qualitätskontrolle unterworfen ist. Die Werbung mit einer Selbstverständlichkeit ist jedoch dann im Sinne von § 5 UWG irreführend und damit unlauter,wenn die Standardeigenschaft des werbenden Unternehmens oder des angebotenen Produkts als etwas Besonderes herausgestellt wird und es sich nicht um eine Information handelt, an der die Marktgegenseite ein besonderes Interesse hat (vgl. Bornkamm in: Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 5 Rdnr. 2.155a m.w.N.). Dass ein Unternehmen intern eine Qualitätsprüfung der von ihm hergestellten Produkte durchführt, ist Standard. Ein besonderes Interesse hätte der Verkehr allenfalls an der Information, dass die Qualitätsprüfung eine besondere, nämlich eine solche ist, mit der den Anforderungen der EN ISO 9001 genügt werden muss. Diese Information enthält das angegriffene Zeichen aber gerade nicht.

Was die Aktivlegitimation der Antragstellerin als Mitbewerberin im Sinne von §8 Abs. 3 Nr. 1, § 2 Nr. 3 UWG anbelangt, kann bei aller Uneinigkeit der Parteien über die Umsatz- und Gewinnzahlen der Antragstellerin kein Streit mehr bestehen. Die Antragsgegnerin hat diese in der Widerspruchsbegründung auf das Vorbringen in der Antragsschrift zum Vertrieb von Briefkästen seitens der Antragstellerin bezogene Einwendung im Laufe des Verfahrens auch nicht mehr aufgegriffen.

 

Die von der Antragsgegnerin vertretene Ansicht, sie sei nicht passivlegitimiert ´, „da eine begründete Inanspruchnahme auf Unterlassen für Wettbewerbsverstöße nur in Betracht komme, wenn sie eine Gehilfenstellung einnehmen würde, die einen bedingten Vorsatz einschließlich des Bewusstseins der Rechtswidrigkeit bezüglich der vermeintlichen Verstöße voraussetzen würde, sie jedoch weder Einfluss auf die Gestaltung der Verkaufsverpackungen der Herstellerin habe noch abschließend zum Inhalt einer Produktbeschreibung Stellung beziehen könne", geht fehl. Unterlassungsanspruch und Beseitigungsanspruch im Sinne von § 8 UWG setzen lauterkeitsrechtliche Unzulässigkeit des Handelns gemäß § 3 UWG oder § 7 UWG voraus, sind aber – anders als der Schadensersatzanspruch und der Gewinnabschöpfungsanspruch – verschuldensunabhängig. Dies folgt e contrario aus §§ 9, 10 UWG, entspricht der Rechtslage unter § 1004 BGB und war schon vor der UWG Reform 2004 allgemein anerkannt (vgl. statt vieler: Ohly/Sosnitza, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 6 Aufl § 8 Rdnr. 1 unter Hinweis auf früheste BGH Rechtsprechung). Eine § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB in der Fassung vom 13. Dezember 2014 vergleichbare Regelung, wonach sich die normierte Verpflichtung, Lebensmitteln keine Wirkung beizumessen, die sie nicht besitzen, nunmehr allein gegen die Lebensmittelunternehmer nach Artikel 8 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 (Lebensmittelinformations-VO) richtet (vgl. Senat WRP 2016, 620), gibt es vorliegend nicht.

 

2)

Die Antragstellerin ist auch prozessführungsbefugt. Dass die Voraussetzungen des § 8 Abs. 4 UWG vorliegend erfüllt sind, kann nicht festgestellt werden. Zwar ist das Vorliegen eines Missbrauchs, da es eine Prozessvoraussetzung betrifft von Amts wegen im Wege des Freibeweises zu prüfen; ein „non liquet“, das heißt ein offenes Beweisergebnis, geht aber zu Lasten des Schuldners, da grundsätzlich von der Zulässigkeit der Geltendmachung auszugehen ist (vgl. Köhler/Feddersen in: Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 8 Rdnr. 4.25 m.w.N). Die Angriffe der Antragsgegnerin und der Nebenintervenientin gegen die Prozessführungsbefugnis der Antragstellerin verfangen vorliegend entgegen der Ansicht des Landgerichts im Ergebnis nicht.

a) Zu diesen ist im Einzelnen folgendes zu sagen:

aa) Dass es sich bei der Antragsgegnerin und bei der im Parallelverfahren I-20 U 150/15 in Anspruch genommenen Firma …… um Mutter- und Tochtergesellschaft handelt, begründet keinen Verdacht des Missbrauchs. Die Antragstellerin war nicht gehalten, gegen beide in einem Verfahren vorzugehen. Denn der Missbrauchseinwand bei der Mehrfachverfolgung auf der Passivseite knüpft neben dem Gesichtspunkt des Schuldnerschutzes daran an, dass mehrere Verletzer, die durch einen gemeinsam begangenen Wettbewerbsverstoß Unterlassungsansprüchen ausgesetzt sind, nach Möglichkeit als Streitgenossen und nicht gesondert angegriffen werden sollen, da hierdurch unnötig die Kostenlast erhöht wird. Dies setzt einen gemeinsamen begangenen Wettbewerbsverstoß im Sinne von § 830 BGB voraus (so auch: OLG Hamburg GRUR-RR 2006, (376)). Etwas anderes besagen auch nicht die BGH-Entscheidungen „MEGA SALE (GRUR 2006, 243) und „0,00 Grundgebühr“ (GRUR 2009, 1180 Rdnr. 20), die in der Kommentarliteratur insofern zum Teil missverständlich zitiert werden. In dem zuerst genannten Fall hatte der BGH über einen einheitlichen Wettbewerbsverstoß mehrere Schuldner durch eine gemeinschaftliche Werbeanzeige zu urteilen. In dem zuletzt genannten Verfahren hat der BGH nur für gleichartige oder ähnlich gelagerte Wettbewerbsverstöße zwischen denselben Parteien ein Eingreifen des Normzwecks des § 8 Abs. 4 UWG, Missbräuchen bei der Geltendmachung von Abwehransprüchen aus sachfremden, nicht schutzwürdigen Gründen entgegenzuwirken, bejaht und ausdrücklich keine Stellung dazu genommen, wie die Sachlage bei ähnlich gelagerten Wettbewerbsverstößen unterschiedlicher Verletzer zu beurteilen ist. Nichts anderes folgt auch aus der von der Antragsgegnerin zitierten BGH-Entscheidung „Missbräuchliche Mehrfachverfolgung“ (GRUR 2000, 1091). Auch der dort zu beurteilende Sachverhalt ist mit dem vorliegenden Fall nicht zu vergleichen. Der genannten Entscheidung lag zugrunde, dass mehrere konzernmäßig verbundene Gläubiger ihre wettbewerbsrechtlichen Ansprüche wergen ein und desselben Verstoßes durch einen ihr Vorgehen koordinierenden Rechtsanwalt dergestalt geltend gemacht hatten, dass sie gegen die (an dem Verstoß beteiligten) Wettbewerber jeweils das Gericht am eigenen Sitz als Begehungsort anriefen. Dass die der Antragsgegnerin und der ……. vorgeworfenen Wettbewerbsverstöße eine gemeinsame Tat im Sinne von § 830 BGB darstellen, was erfordert, dass ein vorsätzliches, also bewusstes und gewolltes Zusammenwirken gerichtet auf den Verletzungserfolg vorlegt, hat die Antragsgegnerin nicht dargelegt und ist auch nicht ersichtlich. Beide sind jeweils gesondert im Intern als Anbieter von Briefkästen der Nebenintervenientin aufgetreten.

bb) Der Prozessführungsbefugnis der Antragstellerin im vorliegenden Verfahren steht auch nicht entgegen, dass sie vor Abschluss desselben Hauptsacheklage und das an einem anderen Gerichtsstand erhoben hat. Zum einen kann der auf ein solches Verhalten gestützte Einwand des Rechtsmissbrauchs allenfalls der Hauptsacheklage mit Erfolg entgegen gehalten werden, nicht aber dem Eilverfahren (vgl. BGH, GRUR 2000, 1089 – Missbräuchliche Mehrfachverfolgung). Zum anderen nimmt die Einleitung des Eilverfahrens dem Antragsteller grundsätzlich nicht das Rechtschutzbedürfnis, die Hauptsache anhängig zu machen. Rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG ist die Einleitung beider Verfahren nebeneinander daher nur dann, wenn sich lediglich dazu dient, den Antragsgegner mit höheren Kosten zu belasten. Sie ist es nicht, wenn sich der Antragsteller hierzu auch sachlichen Gründen genötigt sieht (vgl. Berneke/Schüttpelz, die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 3 Aufl. Rdnr. 609 m.w.N.). Letzteres ist vorliegend der Fall. Die Antragstellerin kann aufgrund des Verhaltens der Antragsgegnerin nicht ernsthaft erwarten, dass letztere eine rechtskräftig werdende einstweilige Verfügung in einer Abschlusserklärung als endgültige Regelung akzeptiert.

cc) Auch die von der Antragsgegnerin und der Nebenintervenientin als „hoch“ gerügte Anzahl der Abmahnungen ist für sich gesehen kein Aspekt, der für ein missbräuchliches Verhalten spricht. Dabei kann an dieser Stelle offen bleiben, ob der Sachverhalt in mehrere Komplexe zu gliedern ist, die gesonderter Betrachtung bedürfen, oder ob, wie die Antragsgegnerin meint, eine einheitliche Betrachtung vorzunehmen ist, weil die abgemahnten Verstöße gleich sind oder sein sollen. Denn eine zahlenmäßige Beschränkung des Vorgehens gegen Wettbewerber sieht das Gesetz nicht vor. Ein Wettbewerber kann grundsätzlich auch eine Vielzahl von Mitbewerbern belangen, wenn sich eine Vielzahl von Mitbewerbern wettbewerbswidrig verhält (so auch ausdrücklich OLG München, GRUR-RR 2007, 55; OLG Frankfurt GRUR-RR 2007, 56 (57); OLG Köln GRUR-RR 2015, 387 (388) und sinngemäß BGH GRUR 2012, 286 – Falsche Suchrubrik in Rdnr. 14).

dd) Dass die Antragstellerin die Nebenintervenientin in diversen gerichtlichen Verfahren in Anspruch nimmt, lässt für sich gesehen nicht den Rückschluss zu, es komme der Antragstellerin allein darauf an, die Nebenintervenientin mit möglichst hohen Prozesskosten und Risiken zu belasten und/oder deren personellen und finanziellen Kräfte zu binden. Über die Einzelheiten der Verfahren ist auch unter Berücksichtigung des Urteils des LG Hagen Anlage NI 22 in einem Verfahren, in dem es nicht um das streitgegenständliche Produkt ging, zu wenig bekannt, als dass hierauf Feststellungen gegründet werden könnten.

ee) Bei der Frage, ob die Antragstellerin ein nennenswertes wirtschaftliches Interesse an der Rechtsverfolgung hat oder nicht, spielen mehrere Gesichtspunkte eine Rolle:

(a) Da ist zunächst einmal der Nutzen, den die Antragstellerin aus der Beseitigung der gerügten Verstöße ziehen kann. Dieser ist entgegen der Ansicht der Nebenintervenientin vorhanden und das in nicht zu vernachlässigendem Umfang. Die Behauptung der Nebenintervenientin, die Antragstellerin hätte keinen Briefkasten mehr abgesetzt, wenn sie nicht mit dem gerügten „Prüfsiegel“ geworben hätte, setzt, wenn sie richtig sein soll, voraus, dass das „Prüfsiegel“ für den Verkehr keine Bedeutung hat. Das ist unzutreffend. Gerade bei Gütern, von denen der Verkehr Langlebigkeit erwartet wie bei einem Briefkasten, ist Qualität ein die Kaufentscheidung in erheblichem Maße beeinflussendes Kriterium. Im Übrigen muss sich die Nebenintervenientin fragen lassen, weshalb sie entsprechend wirbt, wenn dies für den Verkehr keine Bedeutung haben soll. Eine Antwort hierauf hat der Senat in der mündlichen Verhandlung nicht erhalten. Für den Verkehr ebenfalls in hohem Maße bedeutsam ist die von der Antragsgegnerin aufgestellt Behauptung der umweltfreundlichen Produktion der angebotenen Ware. In der oben bereits in Bezug genommenen Entscheidung „…aus Altpapier“ führt der BGH (ebenso wie in der von der Antragstellerin in der Antragsschrift auszugsweise aus nachfolgenden Entscheidungen des BGH zitiert) aus:

„Mit der allgemeinen Anerkennung der Umwelt als eines wertvollen und schutzbedürftigen Gutes hat sich in den letzten Jahren zunehmen ein verstärktes Umweltbewusstsein entwickelt, das dazu geführt hat, dass der Verkehr vielfach Waren (Leistungen) bevorzugt, auf deren besondere Umweltverträglichkeit hingewiesen wird. Gefördert wird ein solches Kaufverhalten auch durch den Umstand, dass sich Werbemaßnahmen, die an den Umweltschutz anknüpfen, als besonders geeignet erwiesen, emotionale Bereiche im Menschen anzusprechen, die von einer Besorgnis um die eigene Gesundheit bis zum Verantwortungsgefühl für spätere Generationen reichen.“

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Nicht zu folgen ist auch der Antragsgegnerin in der von ihr vertretenen Ansicht, der Antragstellerin wäre kein Nachteil entstanden, wenn sie ihre Unterlassungsansprüche ausschließlich gegenüber der Nebenintervenientin geltend gemacht hätte, was die Antragsgegnerin damit begründet, die Nebenintervenientin habe sich ihr gegenüber unverzüglich bereit erklärt, etwaige streitbefangene Artikel zurückzunehmen, nachdem sich die Antragsgegnerin bei ihr aufgrund der Anlage FN 7 gemeldet hatte. Diese Argumentation „zäumt das Pferd von hinten auf“. Das Vorgehen gegen die Händler hätte die Antragsgegnerin nur dann entgegen gehalten werden können, wenn die zuvor in Anspruch genommene Nebenintervenientin gegenüber der Antragstellerin unverzüglich signalisiert hätte, die streitbefangenen Artikel von den Händlern zurückzurufen. Welche Erklärungen die Nebenintervenientin gegenüber anderen abgegeben hat, konnte die Antragstellerin nicht wissen. Zudem hat die Nebenintervenientin die von der Antragsgegnerin hervorgehobene Bereitschaft erst signalisiert, nachdem die Antragsgegnerin abgemahnt worden war und dies der Nebenintervenientin angezeigt hatte. Dass die Nebenintervenientin ohne eine Abmahnung der Antragsgegnerin zu dem in der Anlage Ag 3 genannten Schritt bereit gewesen wäre, trägt die Antragsgegnerin nicht vor. War die Nebenintervenientin hierzu aber nicht bereit, wäre die Antragstellerin sehr wohl ein Nachteil entstanden, wenn sie nicht auch gegen Händler vorgegangen wäre. Denn der Verstoß hätte dann zu Lasten aller Mitbewerber der der Nebenintervenientin durch Abverkauf sich bereits bei den Händlern befindlicher Ware so lange fortgedauert, bis die Nebenintervenientin der Unterlassungspflicht beim Vertrieb nachkam.

Soweit die Nebenintervenientin meint, einem wettbewerblichen Nachteil der Antragstellerin durch die streitgegenständlichen Wettbewerbsverstöße stehe entgegen, dass diese im Jahr 2015 ihren Umsatz mit Briefkästen trotz der Verstöße habe steigern können, ist das unverständlich. Denn es drängt sich auf, dass die Umsatzsteigerung aller Wahrscheinlichkeit nach noch größer ausgefallen wäre, wenn die den Wettbewerb beeinträchtigenden Verstöße nicht erfolgt wären.

(b) Auf der Kostenseite haben sich die Parteien umfangreich mit der Frage beschäftigt, mit welchen Kosten die Antragstellerin bei rückschauender Betrachtung zum Zeitpunkt der Abmahnung der Antragsgegnerin im Gesamtzusammenhang gerechnet hat und in welchem Verhältnis diese zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen stehen. Hierzu wir im Folgenden kurz Stellung genommen, obwohl, wie die Ausführungen sogleich unter (cc) zeigen werden, dies nicht das ausschlaggebende Kriterium ist.

(aa) Bei der Kostenbetrachtung kann entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht nur auf die ersten 71 Abmahnungen, die Online-Händler betrage, abgestellt werden. Dies folgt nicht aus dem Argument der Antragsgegnerin, allen Abmahnungen, auch denen gegenüber Hagebau, hätten gleiche Beanstandungen zugrunde gelegen. Denn auch in einem solchen Fall kann es sein, dass nicht alle Abmahnungen von vorneherein beabsichtigt waren, sondern erst zwischenzeitliche Ereignisse den Entschluss für weitere Abmahnungen reifen ließen. Hiervon könnte beispielsweise dann auszugehen sein, wenn der an das Landgericht Hagen im Verfahren 23 O 40/15 gerichtete Schriftsatz der Nebenintervenientin vom 03.08.2015 (Anlagen FN 21) vor Versendung ihres Schreibens vom 03.08.2015 an die Hagebau-Zentrale bei der Antragstellerin eingegangen wäre. Die Antragstellerin trägt jedoch selber vor, dass sie ihr Schreiben vom 03.08.2015 in Unkenntnis der Argumentation in dem genannten Schriftsatz abgesandt hat. Einen anderweitigen Grund, weshalb sie erst nachträglich zu dem Entschluss kam, auch an Hagebau heranzutreten, hat die Antragstellerin nicht nachvollziehbar dargelegt. Soweit sie im Schriftsatz vom 12.11.2015 (Bl. 122 GA) davon spricht, „eine Zäsur sein in Form der Verhandlung vor dem LG Dortmund am 28.07.2015 und damit einhergehendem grundsätzlichem Abschluss fast aller Verfahren zu den 71 Onlinehändlern“ eingetreten, ist dies bereits unschlüssig. Weshalb von einem Abschluss die Rede sein kann, wenn nicht alle gegen Online-Händler eingeleiteten Verfahren beendet waren, erschließt sich nicht. Auch hat ein solcher Abschluss nichts mit der Frage zu tun, wann die Entscheidung, auch Baumärkte anzugehen, getroffen wurde. Das Vorbringen steht aber auch im Widerspruch zum bezüglichen Vorbringen der Antragstellerin in der Berufungsbegründung (Bl. 159 GA). Dort heißt es, der Entschluss, Hagebau abzumahnen, sei „aus einer Bemerkung bei einer Verhandlung vor dem LG Dortmund erst am 28.07.2015 erwachsen“. Unabhängig von diesem Widerspruch ist das neue Vorbringen zu „einer Bemerkung“ gänzlich unsubstantiiert. Wer in welchem Zusammenhang was gesagt haben soll, wird nicht mitgeteilt, obwohl der Antragstellerin offensichtlich bewusst ist, dass es an ihr ist, die Tatsachengrundlage für das Vorliegen der Zäsur vorzutragen.

(bb) Die Zahlen zu finanziellen Situation der Antragstellerin sind im Wesentlichen unstreitig. Unterschiedlich sind die von den Parteien hieraus gezogenen Rückschlüsse.

Die Antragsgegnerin und mit ihr die Nebenintervenientin stellen auf die – im Ergebnis unstreitigen – Bilanzen NI 8 (2012) und 9 (2014) sowie nunmehr auch NI 23 (2014) ab. Dort sind folgende Jahresüberschüsse und Gewinnvorträge ausgewiesen:

                                                               Jahresüberschuss                                          Gewinnvortrag

NI 8 (2012)                                         5.873,09 €                                                          294.193,77 €

NI 9 (2013)                                         5.491,20 €                                                          299.684,97 €

Ni23 (2014)                                        ----------*                                                           197,219,45 €

                                                               * Im Gegenteil: 6.760,46 € Jahresfehlbetrag

Danach ist die Antragstellerin, wenn man den Gewinnvortrag berücksichtigt, solide aufgestellt, auch wenn der Gewinnvortrag anders als die freiwillige Gewinnrücklage nur eine kurzfristige Reservenbildung darstellt, weil er mit dem Ergebnis des nächsten Geschäftsjahres wieder zur Disposition der Gesellschafter steht. Allerdings decken die finanziellen Kräfte der Antragstellerin nicht alle, durch die Abmahnungen angefallen Kosten ab, wenn es zu einem kompletten Unterliegen der Antragstellerin kommen sollte. Würde man aber allein hierauf abstellen, könnte kein „Kleiner“ auf dem Markt gegen einen „großen“ Verletzer vorgehen.

Das Vorbringen der Antragstellerin zu ihren Umsatzahlen, die sie wiederum für entscheidend hält, was aber im Ergebnis nichts anderes zum Ausdruck bringt als die Bilanzzahlen, enthält keinen Widerspruch, der in die Würdigung mit einfließen müsste. Zwar widersprechen sich auf erste Sicht die eidesstattlichen Versicherungen des Geschäftsführers der Antragstellerin Anlage NI 10 und FN 12, was den Absatz der Antragstellerin von Briefkästen im Jahr 2015 anbelangt. Die kann aber daran liegen, dass der Steuerberater der Antragstellerin in seinem Schreiben vom 10.09.2015 (Anlage FN 11) und ihm folgend auch der Geschäftsführer der Antragstellerin in der Anlage FN 12 zwischen „verkauften“ und „verbindlich bestellten“ Briefkästen unterscheidet, während eine solche Unterscheindung in der Erklärung Anlage NI 10 nicht auftaucht.

(cc) Die Umstände zu (aa) und (bb) besagen alleine aber nichts. Vielmehr ist in die Betrachtung in erheblicher Weise mit einzubeziehen, welchen Unsicherheiten die Rechtsverfolgung ausgesetzt war. Sind die Unsicherheiten überschaubar, wird man nur im Ausnahmefall davon ausgehen können, dass ein wirtschaftlich denkender Kaufmann das Risiko nicht eingegangen wäre, um die ihn beeinträchtigenden Wettbewerbsverstöße abstellen zu lassen. Vorliegend muss man das Prozessrisiko mit Ausnahme des Einwands des Rechtsmissbrauchs, mit dessen Erhebung und Erfolg die Antragstellerin nicht rechnen musste, als gering ansehen. Das bedeutet hier: Die beanstandeten Verstöße sind materiell-rechtlich unzweideutig. Die Beweissicherung gegenüber den Online-Händlern war problemlos. Ihre Internetwerbung konnte leicht durch Screenshots belegt werden, wie vorliegend durch die Anlage FN 1 geschehen. Durch die mittels Testkäufe beschafften Produkte konnte die Gestaltung ihrer Umverpackung ebenfalls leicht bewiesen werden. Dass die Antragstellerin nicht bei allen Hagebau-Gesellschaftern einen Testkauf durchgeführt hatte, bevor sie mit einzelnen Schreiben abmahnte, heißt entgegen der Ansicht der Nebenintervenientin nicht, dass sie ins Blaue hinein gehandelt hat. Vielmehr beruft sich die Antragstellerin in diesem Zusammenhang zu Recht und im Übrigen auch unbestritten darauf, dass ihr durch die Rechtsanwälte Dr. Schils & Kollegen (siehe Schreiben vom 12.08.2015 Bd. II Anlagen Antragstellerin) für die Hagebau-Zentrale und die einzelnen Gesellschafter mitgeteilt worden war, alle Märkte vertrieben die fehlerhafte Ware.

ff) Dass die Antragstellerin von ihren Verfahrensbevollmächtigten dergestalt vom Kostenrisiko befreit worden ist, dass dieser der Antragstellerin keine Kosten in Rechnung stellen, wenn die Abmahnkosten nicht vom Gegner vereinnahmt werden können, wird von der Antragsgegnerin und der Nebenintervenientin nur in den Raum gestellt, aber nicht glaubhaft gemacht, was nach dem eingangs Gesagten zu ihren Lasten geht. Soweit die Nebenintervenientin behauptet, die Antragstellerin hätte in Verfahren gegen Hagebau-Gesellschafter mehrmals einräumen müssen, ihr sei die entsprechende Abmahngebühr von ihren Verfahrensbevollmächtigen gezahlt worden (Bl 208 unten/209 oben GA), kann das als zutreffend unterstellt werden. Denn dies bedeutet nicht, dass der Antragstellerin von Seiten Ihrer Verfahrensbevollmächtigten auf Dauer zugesagt war, die entsprechenden Kosten nicht in Rechnung zu stellen. Dass eine Solche Inrechnungstellung auch in Bezug auf Abmahnungen gegenüber Hagebau-Gesellschaftern stattgefunden hat, hat die Antragstellerin durch Vorlage der Unterlagen Anlagen FN 82 a bis d substantiiert dargelegt.

gg) Dass die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin das streitgegenständliche Abmahngeschäft in eigener Regie betrieben haben, kann nicht festgestellt werden. Zwar haben sie unstreitig die der Abmahnung vorausgehenden Testkäufe durchgeführt. Unstreitig haben sie aber auch am 05.06.2015 dem Geschäftsführer der Antragstellerin per Email (Anlage FN 8) folgendes mitgeteilt:

„Sehr geehrter Herr …., ich danke für die angetragenen Mandat. Mit Blick auf die fortdauernde Verweigerungshaltung von …. und den späten Verkündungstermin in Hagen erscheint ein unmittelbares Vorgehen auch gegen Händler in der Tat alternativlos. Wie besprochen werden wir neben den beiden Verstößen den Hinweis zum ProdSG geben und sonstige Verstöße ergänzen, sofern sie auffallen. Vor Abmahnung übersenden wir den jeweiligen Einzelfall dann nochmals zur Freigabe. Wir haben die gestern besprochenen Wettbewerber gesichtet und zugeordnet, zu denen ich um kurze Rückbestätigung bitte. Sofern im Einzelfall ein Irrtum vorliegt, bitte einfach den Einzelfall löschen: … (es folgt eine Liste von Firmen)“

Daraus folgt zweierlei. Zum einen haben die Verfahrensbevollmächtigten das Internet nicht ohne Auftrag der Antragstellerin durchforstet. Zum anderen hat die Antragstellerin jede Abmahnung im Einzelfall freigegeben. Damit kann aber keine Rede davon sein, dass die Antragstellerin das Abmahngeschäft „aus der Hand“ gegeben hat. In einer solchen Konstellation ist es aus den von der Antragstellerin ausgeführten Gründen auch nicht zu beanstanden, wenn der der Beweissicherung dienende Testkauf nicht vom Mandanten, sondern seinem Rechtsanwalt getätigt wird.

Soweit die Antragsgegnerin meint, in diesem Zusammenhang widersprüchliche Angaben der Antragstellerin festgestellt zu haben, wird das vom Wortlaut der an sie gerichteten Abmahnung (FN 7) nicht getragen. Der Satz

„bei Recherchen im Wettbewerbsumfeld stellte unsere Mandantschaft sodann fest, dass auch Sie Briefkästen der Marke …… vertreiben und nahm dies zum Anlass eines Testkaufs.“

lässt offen, ob der Geschäftsführer der Antragstellerin eigenhändig oder ein von ihm Beauftragter die Recherchen und den Testkauf durchgeführt hat.

Welches Vorgehen die Verfahrensbevollmächtigten im Rahmen anderer Fallkonstellationen an den Tag gelegt haben, ist unerheblich. Lediglich der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass sich das von der Antragsgegnerin zitierte Urteil eines Parallelsenats im Hause (OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.08.2014, I.2 U 33/14, BeckRS 2014, 19271) auf eben die von der Antragsgegnerin ins Auge genommene Fallkonstellation der Geltendmachung von Ansprüchen wegen vermeintlich fehlerhafter Kennzeichnung von Kopfhörer bezog und dort eine von der dortigen Antragsteller und seinen Verfahrensbevollmächtigten festgestellt wurde, bei der der Antragsteller die Regie über das Abmahngeschäft in der Hand behielt (OLG Düsseldorf, a.a.O., Rdnr. 6).

hh) Von einem anderen Fall zahlenmäßig höher Abmahnungen, bei dem der Senat in jüngster Zeit einen Rechtsmissbrauch im Sinne von § 8 IV UWG bejaht hat (siehe WRP 2016, 620 Rdnr. 24 letzter Satz), unterscheidet sich der vorliegende Rechtstreit in erheblicher Weise unter anderem dadurch, dass die Antragstellerin vor Abmahnung der Händler den Hersteller abgemahnt und diesem auch noch eine Aufbrauchfrist angeboten hat. Dass streitet ganz erheblich für sie. Die Reaktion der Nebenintervenientin war auch nicht so, dass das anschließende Vorgehen gegen die Händler unverständlich erscheint. Dass die Nebenintervenientin nicht nur die Abgabe einer Unterwerfungserklärung verweigert, sondern auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Hagen am 03.06.2015 in dem von der Antragstellerin gegen sie unter anderem wegen einer Produktkennzeichnung mit „Umweltfreundliche Produktion“ und mit einem Siegel wie streitgegenständlich eingeleiteten einstweiligen Verfügungsverfahren darüber hinaus erklärt hat, wegen der dortigen Beanstandungen mit Ausnahme einer vorliegend nicht streitgegenständlichen Beanstandung „bis zum letzten“ kämpfen zu wollen, ist ebenso unstreitig wie die vom Landgericht unangegriffene getroffene Feststellung, dass sich in der genannten mündlichen Verhandlung abzeichnete, das die beantragte einstweilige Verfügung erlassen werden würde. Dem entsprechend hat die Nebenintervenientin gegen die Urteilsverfügung des LG Hagen Berufung eingelegt und das Rechtsmittel mit Schriftsatz vom 21.10.2015 (Anlage NI 11) erst wenige Tage vor dem Termin vor dem OLG Hamm zurückgenommen. Unstreitig ist ebenfalls, dass die Nebenintervenientin die Antragstellerin über die angeblich bereits Mitte Juni 2015 begonnene Produktumstellung erstmals am 16.07.2015 informiert hat. Weshalb diese Information nicht unverzüglich erfolgt ist, wird von der Nebenintervenientin nicht erläutert und ist auch nicht aus sich heraus verständlich. Am 16.07.2015 war nicht nur die Antragsgegnerin bereits abgemahnt, nämlich mit Schreiben vom 25.06.2015, sondern auch das hiesige Verfahren bereits eingeleitet, nämlich mit Schriftsatz vom 30.06.2015, eingegangen bei Gericht ebenfalls am 30.06.2015. Letzteres was auch nicht übereilt. Vielmehr musste die Antragstellerin die für das einstweilige Verfahren geltende Dringlichkeitsfrist wahren. Aber auch die Richtigkeit der Behauptung der Nebenintervenientin bzgl. einer Produktumstellung und ihres Zeitpunkts ist zweifelhaft, da die Antragstellerin bei dem vorliegenden Testkauf von der Nebenintervenientin am 21.06.2015 unmittelbar versandte Ware erhielt, die das beanstandete Siegel noch aufwies. Dabei die Umstellung sich noch in der Verfügungsgewalt der Nebenintervenientin befindlicher Ware nicht aufwendig. Es reichte, das Zeichen auf der Umverpackung neutral zu überkleben; eine Umstellung der gesamten Produktion war nicht erforderlich. Die entgegenstehende Argumentation der Nebenintervenientin in der mündlichen Verhandlung, wonach die Umstellung Wochen brauchte, vermag nicht zu überzeugen. Dies mag vielleicht dann zutreffen, wenn man den gesamten Lagerbestand der Nebenintervenientin und den noch nicht abverkauften Bestand bei den Händlern der Beurteilung zugrunde legt. Zunächst kam es aber nur darauf an, den Betrieb der Nebenintervenientin verlassende Ware mit einem entsprechenden Aufkleber zu versehen. Hierfür war nur erforderlich, die Packstationen zu informieren und mit Aufklebern auszustatten.

Bei dieser Sachlage wäre es Förmelei, von dem Gläubiger zu verlangen, vor einer Abmahnung der Händler den sich dem Unterlassungsbegehren verweigernden Hersteller noch zu einer Beseitigung der Störung, sprich dem Rückruf der an die Händler ausgelieferten Produkte aufzufordern. Dass sie hieraus anders reagiert hätte als auf das Unterlassungsbegehren der Antragstellerin, wird von der Nebenintervenientin im Übrigen selber nicht behauptet und kann angesichts des nachfolgenden Geschehen als ausgeschlossen angesehen werden.

Zu keiner anderen Beurteilung führt der Umstand, dass die Nebenintervenientin der Antragstellerin mit Schreiben vom 10.08.2015 (Anlage NI 16) ein Vergleichsangebot unterbreitet hat, welches von der Antragstellerin nicht angenommen wurde. Dass ein vernünftiger Kaufmann dieses im Zweifel nicht ausgeschlagen hätte, behauptet selbst die Antragsgegnerin nicht. Sie hält das Angebot lediglich für „verhandelbar. Dass die Antragstellerin dieser Wertung nicht beigetreten ist, heißt nicht, dass dies unvernünftig war.

Ins Leere geht auch der Vorwurf der Nebenintervenientin, die Antragstellerin habe am 03.08.2015 noch Hagebau abgemahnt, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt Kenntnis davon gehabt habe, dass sie – die Nebenintervenientin – ihre Produktion umgestellt hatte und die beanstandete Ware nicht mehr auslieferte. Dabei kann offen bleiben, ob nicht schon ein Widerspruch zu der Erklärung der Nebenintervenientin in der mündlichen Verhandlung besteht, die Umstellung sei sehr aufwändig gewesen und habe Wochen, ja Monate gedauert. Denn wie die Nebenintervenientin und die Hagebaumarkt Wertheim GmbH im Verfahren 4 O 32/15 KfH LG Mosbach selber zu Protokoll erklärt haben, sind die Hagebau-Baumärkte im Laufe des September 2015 umgestellt worden (siehe Seite 4 der Anlage FN 75). Die lässt nur zwei Erklärungsmöglichkeiten zu: Entweder ist die Behauptung der Nebenintervenientin unzutreffend und sie hat noch nach Juni 2015 beanstandete Ware ausgeliefert. Oder die Hagebau-Baumärkte hatten so viele Exemplare der beanstandeten Ware auf Lager, dass sie diese in der Zeit von Juni bis September noch abverkauft haben. In beiden Fällen hatte die Antragstellerin ein schützenswertes Interesse, gegen das beschriebene Verhalten vorzugehen.

ii) Außerdem ist es vorliegend so, dass es nicht lediglich um einen Verstoß seitens der Antragsgegnerin geht, zu dem es nur durch eine Weitergabe eines ungeprüften Produkts gekommen ist. Vielmehr hat die Antragsgegnerin die Aussage „Umweltfreundliche Produktion“ eigenständig in ihre eigene Bewerbung des Produkts im Internet aufgenommen. Dies ist ein unlauteres Verhalten, das nur ihr gegenüber beanstandet werden konnte.

kk) Ob die von der Antragstellerin in den einzelnen Verfahren, die wegen derselben Beanstandungen wie vorliegen streitgegenständlich geführt wurden, angegebenen Streitwerte jeweils die Gegebenheiten zutreffend wiederspiegeln, kann dahinstehen. Diverse Gerichte haben entsprechend hohe Streitwerte bestätigt (siehe z.B. die Festsetzung des Landgerichts München II in einem Hauptsacheverfahren gegen 11 Beklagt auf 220.000,- € (=20.000,- € pro Beklagten) – Az.: 2 HK O 3883/15, Teil der Anlage NI 21; die Festsetzung der Landgericht Arnsberg (I-8 O 75/15) und Limburg a. d. Lahn (5O 22/16) in Verfügungsverfahren gegen jeweils einen Antragsgegner auf 15.000, - €, Teil der Anlage FN 13; die Festsetzung des Landgerichts Berlin im einstweiligen Verfügungsverfahren 103 O 74/15 gegen einen Antragsgegner auf 20.000,- € Teil der Anlage FN 13), so dass die Antragstellerin davon ausgehen durfte, diese seien nicht zu beanstanden.

b) Schließlich ist auch in der Gesamtschau der dargelegten Einzelumstände nach dem Gesagten die Annahme eines Rechtsmissbrauchs durch die Antragstellerin im Ergebnis nicht gerechtfertigt. Das Geschehen ist in ganz erheblicher Weise durch das Verhalten der Nebenintervenientin bestimmt worden, die trotz des von ihr begangenen eindeutigen Lauterkeitsverstoßes das ihr von der Antragstellerin in der Abmahnung unterbreitete Angebot nicht angenommen, sonders die Rechtskraft eines gegen sie gerichteten Unterlassungstitels so lange wie möglich hinauszögert; die Antragstellerin erst mit erheblichem zeitlichen Abstand über eine vermeintlich erfolgte Produktumstellung informiert, inkriminierte Ware nicht aus dem Markt zurückgerufen und darauf hingewirkt hat, dass abgemahnte Händler ebenfalls den Streit mit der Antragstellerin bis in die letzte Instanz ausfechten.

3.)

 

Sie wurden abgemahnt oder wollen gegen einen Wettbewerbsnachteil vorgehen? Ich berate Sie gerne.

 

 

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Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz

Jörg Faustmann