"Turboklausel" und Schriftformerfordernis

"Turboklausel" und Schriftformerfordernis
01.09.20164933 Mal gelesen
Oft enthält ein Aufhebungsvertrag die Befugnis des Arbeitnehmers, das Arbeitsverhältnis mit einer - meist recht kurzen - Ankündigungsfrist vor dem eigentlichen Beendigungstermin einseitig aufzulösen. Die Ausübung dieses Rechts bedarf der Schriftform!

Verhandeln Arbeitgeber und Arbeitnehmer etwa nach einer Kündigung über eine Abwicklungsvereinbarung oder schließen einen gerichtlichen Vergleich, wird in vielen Fällen statt einer Abfindung eine Verlängerung der Kündigungsfrist vereinbart. Dies hat für den Arbeitnehmer unter anderem den Vorteil, sich noch für einen längeren Zeitraum aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis heraus bewerben zu können. Die Chancen, nicht zwischenzeitlich auf Arbeitslosengeld angewiesen zu sein, steigen damit. Oft enthält eine solche Vereinbarung auch die Befugnis des Arbeitnehmers, das Arbeitsverhältnis mit einer - meist recht kurzen - Ankündigungsfrist vor dem eigentlichen Beendigungstermin einseitig aufzulösen, wenn er etwa einen neuen Arbeitgeber gefunden hat (sog. "Turboklausel"). Die vom Arbeitgeber bis zum Beendigungstermin hierdurch ersparten Bruttogehälter, werden im Fall der vorzeitigen Auflösung durch den Arbeitnehmer typischerweise als (zusätzliche) Abfindung zugesagt. Insofern bedarf es allerdings einer ausdrücklichen Vereinbarung.

Das BAG hatte im Dezember 2015 darüber zu entscheiden, welcher Form die Auflösungserklärung des Arbeitnehmers im Rahmen einer Turboklausel bedarf (BAG, Urt. v. 17.12.2015 - 6 AZR 709/14). Entgegen der verbreiteten Praxis hat das BAG entschieden, dass die Auflösungserklärung des Arbeitnehmers auch in einem solchen Fall wie bei einer normalen Kündigung auf Grund des § 623 BGB der strengen Schriftform des § 126 BGB genügen muss. Ein Telefax oder eine E-Mail-Nachricht wahren das Schriftformerfordernis nicht. Der hinter § 623 BGB stehende Zweck, für Rechtssicherheit und Beweisbarkeit zu sorgen, treffe für das einseitige Auflösungsrecht des Arbeitnehmers in gleicher Weise zu. 

Die arbeitsrechtliche Praxis wird sich diesbezüglich umzustellen haben, wurde die Form des Auflösungsverlangens bisher eher wenig beachtet und ggf. sogar formlose Erklärungen ohne weiteres akzeptiert. Arbeitnehmer sollten tunlichst ihr Auflösungsrecht aus einer Turboklausel schriftlich, d.h. durch Übermittlung einer eigenhändig unterzeichneten Urkunde auszuüben. Ansonsten laufen sie Gefahr ggf. eine vereinbarte Abfindung in Höhe der bis zum Beendigungstermin noch fällig werdenden Bruttomonatsgehälter zu verlieren.

Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Christian Velten, Gießen