Richter dürfen auch über die gesetzliche Altersgrenze hinaus weiter arbeiten.

Staat und Verwaltung
23.05.2013414 Mal gelesen
Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat im Rahmen eines Eilverfahrens mit Beschluss vom 16. Mai 2013 (9 L 1393/13.F) entschieden, dass die Hessische Altersgrenzenregelung für Richterinnen und Richter mit dem Verbot der Altersdiskriminierung im Europäischen Gemeinschaftsrecht (RL 2000/78/EG) unvereinbar ist und deshalb eine unmittelbare Diskriminierung von Richterinnen und Richtern darstellt. Damit hat in Deutschland erstmals ein Verwaltungsgericht entschieden, dass eine Richterin über die gesetzliche Altersgrenze hinaus weiter als Richterin arbeiten darf.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die antragstellende Richterin würde aufgrund der Vollendung ihres 65. Lebensjahres mit Ablauf des Monats Juni 2013 kraft Gesetzes in den Ruhestand treten. Bereits im November 2012 hatte sie beim Hessischen Ministerium der Justiz, für Integration und Europa beantragt, den Eintritt in den Ruhestand bis zum Erreichen des 68. Lebensjahres aufzuschieben. Nachdem das Ministerium diesen Antrag abgelehnt hatte, suchte die Antragstellerin vor dem Verwaltungsgericht um einstweiligen Rechtsschutz nach.

Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat die von uns vertretene Rechtsauffassung bestätigt, wonach die Altersgrenzenregelung des Hessischen Richtergesetzes (HRiG) eine unmittelbare Diskriminierung der Antragstellerin wegen ihres Alters darstellt und seitens des Landes Hessen auch keine Möglichkeit besteht, diese Benachteiligung ausnahmsweise zu rechtfertigen. Die vorliegende Altersdiskriminierung ist mithin weder nach Art. 4 Abs. 1 RL 2000/78/EG noch nach Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG gerechtfertigt und stellt damit gemäß Art. 2 Abs. 1 RL 2000/78/EG einen verbotenen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 1 RL 2000/78/EG dar. Vielmehr hat es das Land Hessen versäumt, entsprechende Überlegungen anzustellen und im Gesetzgebungsverfahren zu dokumentieren, wie sich eine Flexibilisierung der Altersgrenzenregelung im Richterrecht auswirken würde. Da der Landesgesetzgeber das ihm insoweit zustehende Ermessen nicht ausgeübt hat, kann die gesetzliche Regelung, die einen zwingenden Eintritt von Richterinnen und Richtern in den Ruhestand mit Erreichen der Altersgrenze bewirkt, nur als unverhältnismäßiges Mittel zum Erreichen der vom Land Hessen vorgegebenen Zielsetzung angesehen werden. Die vom EuGH vorgegebenen hohen Anforderungen an die Rechtmäßigkeit einer nationalen Regelung wurden im Hinblick auf die unmittelbar wirkende Altersdiskriminierung verfehlt.

Die Entscheidung hat zur Folge, dass die Antragstellerin seitens des Landes Hessen zunächst weiter beschäftigt werden muss und deshalb ihre Richtertätigkeit auch über das vorgesehene Dienstzeitende hinaus - zumindest bis zu einer rechtskräftigen Hauptsacheentscheidung - ausüben kann.

Klaus Hünlein, Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verwaltungsrecht