Müssen Provisionszahlungen eines selbstständigen Handelsvertreters dem Treuhänder angezeigt werden?

Wirtschaft und Gewerbe
08.02.20101119 Mal gelesen

Im Oktober 2002 wurde über das Vermögen des Insolvenzschuldners das Insolvenzverfahren eröffnet. Darin teilte er mit, keine Tätigkeit als Handelsvertreter auszuüben. Im Oktober 2004 wurde ihm die Restschuldbefreiung angekündigt. Im Jahre 2009 behauptet nun ein Gläubiger, der Insolvenzschuldner habe Provisionseinnahmen im Jahr 2004, 2005 und 2006 erhalten, die er gegenüber dem Treuhänder nicht angegeben habe. Er beantragt die Versagung der Restschuldbefreiung.

 
Da der Beschluss über die Ankündigung der Restschuldbefreiung im Oktober 2004 rechtskräftig wurde, kommt es für den Versagungsantrag aus dem Jahr 2009 lediglich darauf an, ob der Schuldner einer Obliegenheit nach § 295 InsO verletzt hat. Danach obliegt es dem Schuldner, der eine selbstständige Tätigkeit ausübt, die Insolvenzgläubiger durch Zahlung an den Treuhänder so zu stellen, wie wenn er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre. Dieser fiktive Verdienstanteil, der zugunsten der Gläubiger an den Treuhänder abzuführen ist, ist von dem tatsächlich erzielten Erlös aus der selbstständigen Tätigkeit abgekoppelt. Er bemisst sich ausschließlich nach dem Verdienst, den der Schuldner bei einer angemessenen abhängigen Beschäftigung erzielt hätte.
 
Der über den fiktiven Verdienst hinausgehende Erlös muss nicht an die Gläubiger angeführt werden. Dass der Mehrerlös dem Schuldner zustehen soll, beruht auf einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers. In der endgültigen Gesetzesfassung des § 295 Abs. 2 InsO wurde der Vorschlag des Bundesrates, die Hälfte des erwirtschafteten Gewinns herauszugeben, nicht übernommen. Auch Sinn und Zweck sprechen dafür, dass der über den fiktiven Verdienst hinaus gehende Erlös während der Wohlverhaltensperiode dem Schuldner zustehen soll. § 295 Abs. 2 InsO bürdet dem Schuldner das Risiko auf, dass der wirtschaftliche Erfolg bei selbstständiger Tätigkeit hinter dem fiktiven Verdienst liegt, den der Schuldner bei angemessener abhängiger Beschäftigung hätte erzielen können. Umgekehrt bedeutet dies, dass dem Schuldner auch die Chancen aus der selbstständigen Beschäftigung zustehen müssen. Dies bedeutet keine Benachteiligung der Gläubiger. Ihren Interessen wird die Regelung dadurch gerecht, dass sie dem Schuldner einen Leistungsanreiz setzt und dadurch zur Vermehrung der Masse beiträgt.
 
Im Jahre 2004, als der Schuldner die erste von insgesamt drei Provisionszahlungen erhielt, war er bereits 67 Jahre alt. Es war aussichtslos, dass er wieder eine abhängige Beschäftigung finden würde. Insoweit war sein fiktiver Verdienst gleich Null.
 
Ergebnis: Es kommt zu keiner Versagung der Restschuldbefreiung, da die Provisionsauszahlungen nicht anzugeben waren. Der Schuldner darf die Provisionseinnahmen behalten.
 
AG Hamburg - 67g IN 431/02 - vom 26.08.2009
 
Hermann Kaufmann, Bankkaufmann und Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht