Insolvenzverwalter kann anfechten, was er als vorläufiger Insolvenzverwalter selbst genehmigt hat

Insolvenzverwalter kann anfechten, was er als vorläufiger Insolvenzverwalter selbst genehmigt hat
08.08.20131186 Mal gelesen
Der vorläufige Insolvenzverwalter ohne allgemeine Verwaltungsbefugnis hat, so der Bundesgerichtshof, keine Rechtsstellung, die dem endgültigen Insolvenzverwalter derart angenähert ist, dass er Rechtshandlungen des Schuldners, denen er zugestimmt hat, als Insolvenzverwalter nicht anfechten könnte.

Eine Versicherungsmaklerin vermittelte der Schuldnerin Versicherungsverträge für ihre Fahrzeuge. Die Schuldnerin vereinbarte mit ihr, dass diese die anteiligen Versicherungsprämien monatlich vom ihrem Konto einziehen und quartalsweise an die Versicherung weiterleiten sollte. Für Juli, August und September 2007 sind so 3.192,05 € vom Konto der Schuldnerin eingezogen worden.

Auf Eigenantrag der Schuldnerin vom 9. November 2007 bestellte das Insolvenzgericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt. Dieser setzte die Versicherungsmaklerin hierüber in Kenntnis. Gleichzeitig genehmigte er gegenüber der Schuldnerbank die Einziehung der Versicherungsprämien für die Monate Juli bis September 2007. Am 17. Dezember 2007 leitete die Versicherungsmaklerin die Versicherungsprämien (3.192,05 €) an den Versicherer weiter.

Am 13. Dezember wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der vorläufige Insolvenzverwalter wurde Insolvenzverwalter. Als erstes wandte er sich an die Versicherungsmaklerin und forderte die 3.192,05 € Versicherungsprämie, deren Einzug vom Schuldnerkonto er als vorläufiger Insolvenzverwalter genehmigt hatte im Wege der Insolvenzanfechtung zurück. Es läge eine inkongruente Deckung vor.

Da die Versicherungsmaklerin nicht zahlte, wurde sie vom Insolvenzverwalter verklagt.

Amtsgericht und Landgericht haben seine Klage abgewiesen.

Das Landgericht zweifelte, ob eine Rechtshandlung der Schuldnerin vorläge, weil die Genehmigung der Lastschriften durch den vorläufigen Verwalter erklärt worden sei, zumindest habe der vorläufige Verwalter zu erkennen gegeben, dass er mit der Zahlung einverstanden sei. Dies gelte jedenfalls dann, wenn er hiermit den Zweck verfolge, die notwendige Haftpflichtversicherung für den Weiterbetrieb der Fahrzeuge im Interesse der Masse zu sichern. Hätte er sich die Anfechtung gegenüber der Beklagten vorbehalten, hätte diese die Prämien nicht an den Versicherer weitergeleitet und diesen über die Insolvenz informiert, was mit Sicherheit die Kündigung und die sofortige Stilllegung aller Fahrzeuge zur Folge gehabt hätte.

Der Bundesgerichtshof gab dem Insolvenzverwalter Recht.

Einleitend bemerkt das Gericht, dass mögliche Deckungsanfechtung gegenüber dem Versicherer als Insolvenzgläubiger eine Vorsatzanfechtung gegenüber dem oder den Zahlungsmittlern, also hier zum Beispiel dem Versicherungsmakler nicht ausschließe.

Die Zahlungen der Schuldnerin an die Versicherungsmaklerin in Höhe von insgesamt 3.192,05 € haben infolge des Vermögensabflusses bei der Schuldnerin eine objektive Gläubigerbenachteiligung bewirkt.

Eine Gläubigerbenachteiligung liege vor, wenn die Rechtshandlung entweder die Schuldenmasse vermehrt oder die Aktivmasse verkürzt und dadurch den Zugriff auf das Vermögen des Schuldners vereitelt. Durch die Genehmigung der Einziehung der Prämien vom Konto der Schuldnerin durch die Beklagte hat sich die Schuldnerin zum Nachteil ihrer Gläubiger finanzieller Mittel entäußert, ohne hierfür eine gleichwertige Gegenleistung zu erhalten.

Eine Rechtshandlung der Schuldnerin habe auch vorgelegen.

Bei einer Zahlung im Wege des Einziehungsermächtigungsverfahrens liegt die anfechtbare Rechtshandlung erst in der Genehmigung der Lastschriftbuchung, weil die Belastung des Kontos bis zur Genehmigung ohne materielle Wirkung bleibt. Die Genehmigung ist durch das gemeinsame Schreiben des (vorläufigen) Insolvenzverwalters und der Schuldnerin vom 16. November 2007 erteilt worden. Das Genehmigungsschreiben war zwar auf Briefpapier des Insolvenzverwalters abgefasst, enthielt aber sowohl die Unterschrift des für die Schuldnerin handelnden Geschäftsführers wie auch die des Insolvenzverwalters.

Es lag damit eine Handlung der Schuldnerin vor, die mit Gläubiger-Benachteiligungsvorsatz gehandelt habe.

Die Anfechtung gegenüber der Versicherungsmaklerin sei nicht dadurch ausgeschlossen, dass der vorläufige Insolvenzverwalter der Genehmigung der Abbuchungen der Beklagten vom Konto der Schuldnerin zugestimmt hat. Der vorläufige Insolvenzverwalter ohne allgemeine Verwaltungsbefugnis hat keine an den endgültigen Insolvenzverwalter derart angenäherte Rechtsstellung, dass er Rechtshandlungen des Schuldners, denen er zugestimmt hat, als Insolvenzverwalter nicht anfechten könnte. Die Anfechtung sei lediglich dann ausgeschlossen, wenn der vorläufige Verwalter mit Zustimmungsvorbehalt durch sein Handeln einen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand geschaffen hätte. Ein schutzwürdiges Vertrauen in diesem Sinne hat der vorläufige Verwalter gegenüber der Versicherungsmaklerin keinesfalls begründet. Er hat lediglich der Genehmigung der Abbuchung durch die Schuldnerin gegenüber ihrer Bank zugestimmt. Daraus könne die Versicherungsmaklerin nichts zu ihren Gunsten ableiten.

Die Versicherungsmaklerin muss daher die Prämien an die Insolvenzmasse zurückzahlen.

(Quelle: Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.04.2013; IX ZR 235/12

Vorinstanz: Landgericht Stuttgart, Urteil vom 12.09.2012; 13 S 70/12

Amtsgericht Stuttgart, Urteil vom 23.03.2012; 1 C 4707/12 )

 

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