Flüchtling verklagt Facebook wegen unwahrer Behauptungen

Flüchtling verklagt Facebook wegen unwahrer Behauptungen
10.02.2017371 Mal gelesen
Der Würzburger Rechtsanwalt Chan-jo Jun hat eine einstweilige Verfügung gegen Facebook Ireland Ltd. sowie gegen einen Facebook-Nutzer beantragt. In dem am kommenden Montag um 15.00 Uhr vor dem Landgericht Würzburg verhandelten Verfahren, geht es um ein 2015 entstandenes Selfie eines syrischen Flüchtlings mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, welches bei Facebook wiederholt als Hetze missbraucht wurde. Rechtlich ist der Fall von größtem Interesse, da es das erste Mal ist, dass sich Facebook in Deutschland wegen der Verbreitung von unwahren Tatsachenbehauptungen und Hasskommentaren vor Gericht verantworten muss.

Worum geht es?

Konkret geht es um zwei Bilder. Eines der Bilder zeigt den syrischen Flüchtling neben einem Fahndungsfoto der Berliner Polizei wegen eines Mordversuchs an einem Obdachlosen. Es wird suggeriert, dass der Syrer angeblich zu den Tätern gehört, die einen Obdachlosen in Berlin angezündet haben. Das Foto trägt die Überschrift: "Obdachlosen angezündet. Merkel machte 2015 Selfie mit einem der Täter." Auf einem anderen Bild wird das Foto von ihm zu Propagandazwecken mit dem Weihnachtsmarkt-Anschlag in Berlin in Verbindung gebracht. Hier wird zwar nicht suggeriert, dass der Syrer Täter des Terroranschlags sei, dennoch liegt hier eine Verletzung des Rechts am eigenen Bild vor.

Der Rechtsanwalt des Syrers hatte Facebook dutzende verunglimpfende Kommentare gemeldet. Facebook blieb dennoch untätig und verweigerte die Löschung der Postings. Facebook berief sich darauf, dass die verleumderischen Beiträge nicht gegen die geltenden "Gemeinschaftsstandards" verstoßen würden. Was Facebook jedoch außer Acht lässt, ist die Tatsache, dass die beleidigenden und verleumderischen Postings gegen geltendes deutsches Recht verstoßen. Deshalb wurde eine einstweilige Verfügung gegen die Europa-Niederlassung von Facebook und einen Facebook-Nutzer, einen AfD-Funktionär aus dem Rheinland beantragt. Dieser hatte nicht nur einen bestehenden Beitrag weitergeleitet, sondern eigene Inhalte bereitgestellt.

Erreicht werden soll, dass Facebook es künftig unterlässt, das verleumderische Bild des syrischen Flüchtlings im Zusammenhang mit Terroranschlägen zu veröffentlichen.

Warum ist der Fall von Interesse?

Rechtlich ist der Fall vor allem deshalb von größtem Interesse, da es das erste Mal ist, dass sich Facebook in Deutschland wegen der Verbreitung von unwahren Tatsachenbehauptungen und Hasskommentaren vor Gericht verantworten muss. Fakt ist: Facebook darf sich nicht länger mit dem Verweis auf seinen Europasitz in Dublin den deutschen Behörden entziehen und rechtlichen Streitigkeiten aus dem Weg gehen. Bereits im Februar 2016 hatten Chan-jo Jun und Rechtsanwalt Christian Solmecke gemeinsam Strafanzeige gegen Facebook-Chef Mark Zuckerberg wegen Volksverhetzung gestellt.

Machen sich Nutzer, die solche Posts teilen, strafbar?

Eine Haftung der Verbreiter solcher Posts ist immer dann möglich, wenn sie sich die fremde Falschmeldung inhaltlich zu eigen machen. Nutzer, die eine Falschmeldung mit einem unterstützenden Kommentar versehen, können also auch rechtlich für eine Falschmeldung verantwortlich gemacht werden. Ob das reine Weiterverbreiten ohne zusätzliche Kommentierung eine Rechtsverletzung darstellen kann, ist höchstrichtlerlich noch nicht geklärt.

Kann man Facebook überhaupt in Deutschland verklagen?

Obwohl Facebook im europäischen Ausland sitzt, ist bei deutschsprachigen Postings deutscher Nutzer auch von der Anwendbarkeit deutschen Rechts auszugehen, da der Handlungsort deutschsprachiger Falschmeldungen regelmäßig im Inland liegt und auch der Taterfolg hier in Deutschland eintritt. Im Übrigen wird die Anwendbarkeit deutschen Rechts noch nicht einmal von Facebook selbst in Abrede gestellt, wenn ein deutscher Nutzer betroffen ist. Das ergibt sich ausdrücklich aus den für deutsche Nutzer geltenden Nutzungsbedingungen.

Was droht Facebook schlimmstenfalls?

Zunächst einmal müsste Facebook die Bilder entfernen. Darüber hinaus müsste Facebook auch mit geeigneten Maßnahmen Sorge dafür tragen, dass diese künftig nicht mehr verbreitet werden. Die Technik dafür dürfte vorhanden sein. Bei Zuwiderhandlung müsste Facebook bis zu 250.000 ? Ordnungsgeld zahlen. Zwar können im einstweiligen Verfügungsverfahren noch keine Zahlungsansprüche durchgesetzt werden. Allerdings können Verleumdungen auch Schmerzensgeldansprüche auslösen. Hier kann man der Auffassung sein, dass Facebook und deren Nutzer gemeinsam haften. Dies wäre dann in einem weiteren Verfahren durchzusetzen.

Was kann man als Betroffener tun, wenn man unwahre Tatsachen über sich liest?

Einerseits kann man als Betroffener gegen den Autor der unwahren Tatsachenbehauptung zivilrechtlich vorgehen. Hier bestehen Ansprüche auf Löschung, Unterlassung oder sogar Geldentschädigung. Strafrechtlich kann man wegen Beleidigung, übler Nachrede oder Verleumdung vorgehen.  Zudem können Betroffene auch gegen Nutzer vorgehen, die Postings weiterverbreiten, wenn sie sich diese inhaltlich zu eigen machen. Auch gegen Facebook selbst hat man Handlungsmöglichkeiten. Hat man Facebook auf eine Rechtsverletzungen hinreichend hingewiesen und kommt Facebook einer Löschung nicht nach, so kann auch Facebook selbst in Anspruch genommen werden.