CGZP darf künftig keine Tarifverträge mehr abschließen

Arbeit Betrieb
14.12.20101446 Mal gelesen
Jetzt haben viele Leiharbeitnehmer möglicherweise gegenüber ihrem (früheren) Leiharbeitgeber einen Anspruch auf vergleichbare Vergütung wie im Entleiherbetrieb. Soll dieser Anspruch klageweise geltend gemacht werden, muss zunächst beim entleihenden Unternehmen Auskunft über den dort gezahlten Vergleichslohn einholt werden.

Jetzt ist es amtlich:
Nach einem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in Erfurt darf die Spitzenorganisation der Christlichen Zeitarbeitsgewerkschaften künftig keine Tarifverträge mehr abschließen (1 ABR 19/10). Am Dienstag wurde der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) die Tariffähigkeit abgesprochen. Zur Gültigkeit bestehender CGZP-Verträge machte der Erste Senat zwar keine Angaben, es ist aber nicht ersichtlich warum für die Vergangenheit etwas anderes gelten sollte.

Die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) ist nämlich keine Spitzenorganisation, die in eigenem Namen Tarifverträge abschließen kann. Sie erfüllt die hierfür erforderlichen tarifrechtlichen Voraussetzungen nicht.

Tarifverträge können auf Arbeitnehmerseite nur von einer tariffähigen Gewerkschaft oder einem Zusammenschluss solcher Gewerkschaften (Spitzenorganisation) abgeschlossen werden. Soll eine Spitzenorganisation selbst als Partei Tarifverträge abschließen, muss das zu ihren satzungsmäßigen Aufgaben gehören (§ 2 Abs. 3 TVG). Dazu müssen die sich zusammenschließenden Gewerkschaften ihrerseits tariffähig sein und der Spitzenorganisation ihre Tariffähigkeit vollständig vermitteln. Dies ist nicht der Fall, wenn die Befugnis zum Abschluss von Tarifverträgen durch die Spitzenorganisation auf einen Teil des Organisationsbereichs der Mitgliedsgewerkschaften beschränkt wird. Zudem darf der Organisationsbereich einer Spitzenorganisation nicht über den ihrer Mitgliedsgewerkschaften hinausgehen.

Das gemeinsam von ver.di und dem Land Berlin eingeleitete Beschlussverfahren betrifft die Feststellung der Tariffähigkeit der im Dezember 2002 gegründeten CGZP. Deren alleinige satzungsmäßige Aufgabe ist der Abschluss von Tarifverträgen mit Arbeitgebern, die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung betreiben wollen. Für diesen Bereich sind Tarifverträge auch für Nichtgewerkschaftsmitglieder von Bedeutung. Nach § 9 Nr. 2 AÜG haben Leiharbeitnehmer während der Zeit ihrer Überlassung an einen Entleiher Anspruch auf die dort geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen. Von diesem Gleichbehandlungsgebot kann zu Lasten der Leiharbeitnehmer nur durch einen Tarifvertrag oder aufgrund vertraglicher Bezugnahme auf einen Tarifvertrag abgewichen werden.
 

Jetzt  haben viele Leiharbeitnehmer möglicherweise gegenüber ihrem (früheren) Leiharbeitgeber einen Anspruch auf vergleichbare Vergütung. Soll diese klageweise geltend gemacht werden, muss zunächst beim entleihenden Unternehmen Auskunft über den dort gezahlten Vergleichslohn einholt werden.
Seit Januar 2003 gibt es für Zeitarbeitsfirmen ein Diskriminierungsverbot gemäß § 9 Nr. 2, § 10 Abs. 4 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG). Der Arbeitgeber muss bei ihm angestellte Arbeitnehmer, die er an andere Unternehmen verleiht, genauso gut bezahlen, wie die Arbeitnehmer mit der gleichen Tätigkeit im entleihenden Unternehmen. Das gilt nur dann nicht, wenn auf Grund eines für das Leiharbeitsverhältnis maßgebenden Tarifvertrags eine niedrigere Vergütung vorgesehen ist. Diese Ausnahme verbirgt sich hinter dem kleinen Einschub, "ein Tarifvertrag kann abweichende Regelungen zulassen" in § 9 Nr.2 AÜG.

Die Chancen von Zeitarbeitern auf gleiche Bezahlung wie die Stammbelegschaften der entleihenden Unternehmen hat sich mit der Gerichtsentscheidung erhöht. Auch die Justiziarin der Gewerkschaft Verdi, Martina Trümner, vertrat die Ansicht, dass Leiharbeiter jetzt höhere Lohnansprüche für vergangene Jahre einklagen könnten.

Hintergrund

Der Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister (AMP) vertritt 1100 kleine und mittelgroße Firmen der Zeitarbeitsbranche. Er hatte einen Tarifvertrag mit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personal Service-Agenturen (CGZP) abgeschlossen. Das Berliner Arbeitsgericht hatte der CGZP jedoch die Tariffähigkeit abgesprochen, da es keinen ausreichenden Organisationsgrad sah und die CGZP als nicht mächtig genug ansah, eigene Tarifverträge abzuschließen. Dem hat sich in der zweiten Instanz auch das Landesarbeitsgericht (LAG) angeschlossen. Der Fall kam zum BAG und viele Experten hatten von Anfang an eine Bestätigung der Vorinstanzen erwartet.

Auswirkung

Bei Ungültigkeit der Tarifverträge gilt das Prinzip des "Equal Pay"! Für viele Leiharbeitsfirmen ist das eine existenzbedrohliche Situation, denn § 19 Abs.4 AÜG legt fest, dass der Leiharbeitnehmer, wenn gegen diesen Grundsatz verstoßen wurde, die Bezahlung verlangen kann, die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer bezahlt wird. Es droht also, dass künftig - und bis zu drei Jahre rückwirkend - Gehaltsdifferenzen inklusive Sozialbeiträgen ausgeglichen werden müssen.

Da wenige Zeitarbeiter gewerkschaftlich organisiert sind, wird spekuliert, dass bestehende Forderungen nicht durchsetzt werden. Ob diese Überlegung indes auch bei den Sozialversicherungsträgern aufgeht, kann man bezweifeln. Angesichts ständig knapper Kassen wird man sich die nicht gezahlten Sozialversicherungsbeiträge wohl nicht entgehen lassen. Zumal die Verjährung bei Sozialversicherungsansprüchen gemäß § 25 SGB IV sogar erst vier Jahre nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind, eintritt.
 
Wie lassen sich die Ansprüche von den Leiharbeitnehmern durchsetzen?

Möchte ein Leiharbeitnehmer gegenüber seinem Leiharbeitgeber eine vergleichbare Vergütung klageweise geltend machen, muss er zunächst beim entleihenden Unternehmen Auskunft über den dort gezahlten Vergleichslohn einholen. Auf diese Information hat er gemäß § 13 AÜG einen Anspruch.

Der Leiharbeitgeber muss dann die Richtigkeit dieser Auskunft, insbesondere die Vergleichbarkeit der Tätigkeit oder die Höhe der dort bescheinigten Vergütung substantiiert bestreiten. Gelingt dies nicht, muss der Leiharbeitgeber die rückständige Differenz zur Vergütung zahlen, die einem vergleichbaren Arbeitnehmer in dem entleihenden Betrieb gezahlt wurde.

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