Bundesarbeitsgericht lockert Streikverbot für kirchliche Arbeitnehmer

Arbeit Betrieb
21.11.2012328 Mal gelesen
Auch Arbeitnehmer, die bei kirchlichen Organisationen wie Caritas oder Diakonie beschäftigt sind, dürfen unter bestimmten Voraussetzungen streiken. Dies hat jetzt das Bundesarbeitsgericht klargestellt.

Vorliegend trat die Gewerkschaft Verdi an den Verband der Diakonischen Dienstgeber heran und forderte ihn zur Aufnahme von Tarifverhandlungen auf. Als dieser sich weigerte, rief Verdi die in der Diakonie tätigen Arbeitnehmer zu Streiks auf. Ebenso verfuhr die Gewerkschaft Marburger Bund gegenüber der Nordelbischen Ev.-Luth. Kirche. Beide Gewerkschaften beriefen sich auf das nach Art. 9 Abs. 3 GG eingeräumte Streikrecht.

 

Doch die kirchlichen Arbeitgeber fanden sich damit nicht ab. Sie pochten auf dem Selbstverwaltungsrecht der Kirchen nach Art. 140 GG, 137 Abs. 3 WRV i.V.m. Art. 4 GG, welches nach ihrer Auffassung ein Streikverbot auch gegenüber Mitarbeitern erlauben würde, die nicht im Bereich der Verkündung tätig sind. Aus diesem Grunde klagten sie gegen die Arbeitskampfmaßnahmen. Doch spätestens die Landesarbeitsgerichte stellten sich auf die Seite der Gewerkschaften. Sowohl das Landesarbeitsgericht Hamm als auch das Landesarbeitsgericht Hamburg wiesen die Klage der kirchlichen Arbeitgeber ab (LAG Hamm, Urteil vom 13.01.2011 Az. 8 Sa 788/10, LAG Hamburg, Urteil vom 23.03.2011 Az. 2 Sa 83/10). Beide Gerichte führen aus, dass Streiks auch in kirchlichen Einrichtungen generell zulässig sein müssen. Demgegenüber ist der von den Kirchen vorgeschlagene "dritte Weg" im Wege einer Schlichtungsvereinbarung durch paritätisch besetzte Kommissionen keine ebenbürtige Alternative.

Hiermit wollten sich jedoch die jeweiligen kirchlichen Arbeitgeber nicht abfinden und legten Revision beim Bundesarbeitsgericht ein.

 

Das Bundesarbeitsgericht erklärte am 20.11.2012 (Az. 1 AZR 179/11, 1 AZR 611/11) das absolute Streikverbot für Mitarbeiter in kirchlichen Organisationen wie der Diakonie für unzulässig. Die Durchführung von Arbeitskämpfen darf nicht wie bislang auf den "dritten Weg" beschränkt bleiben. Anders siehst das laut aktueller Pressemitteilung nur dann aus, wenn die Gewerkschaften hinreichend eingebunden werden und das Ergebnis dieser Verhandlungen für den Arbeitgeber - im Gegensatz zum bisherigen "dritten Weg" verbindlich ist. Dann dürfen Gewerkschaften normalerweise nicht zu einem Streik aufrufen. Da in den betreffenden Fällen beide Voraussetzungen nicht vorlagen, wies das Bundesarbeitsgericht hier die Revision der kirchlichen Arbeitgeber zurück und ihre Klagen ab.

  

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