BGH: Bitte um Ratenzahlung (nur) als Indiz einer Zahlungs-einstellung des Schuldners

Wirtschaft und Gewerbe
23.09.2016793 Mal gelesen
Erklärt der Schuldner seinem Gläubiger, eine fällige Zahlung nicht in einem Zug erbringen und nur Raten-zahlungen leisten zu können, muss dieser allein aus diesem Umstand nicht zwingend darauf schließen, dass der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. (Leitsatz des Gerichts) BGH, Urteil vom 14.7.2016 - IX ZR 188/15

Der nachstehend behandelte Fall beschäftigt sich mit der Frage, ob und wie gefährlich es sein kann, mit jemandem, der in Zahlungsschwierigkeiten ist Ratenzahlungen zu vereinbaren. Wenn man als Gläubiger in solchen Fällen davon weiß, dass der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat und dieser später Insolvenz anmeldet, droht zehn Jahre rückwirkend eine Anfechtung durch den Insolvenzverwalter des Schuldners. Bei größeren Summen führt dies nicht selten zum Ruin des eigenen Unternehmens. Erfreulicherweise ist aber eine Tendenz in der Rechtsprechung zu erkennen, diese Kenntnis von der Zahlungseinstellung nicht einfach anzunehmen, wenn der Schuldner erklärt aktuell nicht alles auf einmal bezahlen zu können. Vorsicht ist aber gleichwohl geboten, weswegen man sich vor Abschluss von Ratenzahlungsvereinbarungen auf alle Fälle fachkundigen Rat einholen sollte.

Sachverhalt

Aufgrund von aufgelaufenen Forderungsrückständen i. H. v. mehr als 10.000 EUR informierte der Schuldner, ein Dachdecker die Beklagte - eine Lieferantin von Baumaterialien - darüber, dass er die gesamte offenstehende Forderung nicht sofort und nicht auf einmal bezahlen könne. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts kam eine monatliche Ratenzahlungsvereinbarung nicht zustande. Dennoch bezahlte der Schuldner auf wiederholte Mahnungen der Beklagten - noch länger als drei Monate, bevor Insolvenzantrag gestellt worden war - monatliche Raten in einer Gesamthöhe v. 6.016 EUR. Nach Insolvenzverfahrenseröffnung verlangte der klagende Insolvenzverwalter von der Beklagten nach der sog. Vorsatzanfechtung die geleisteten Zahlungen zurück. Anfechtbar ist demnach eine Rechtshandlung, die der Insolvenzschuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen vorgenommen hat, wenn der andere Teil (Anfechtungsgegner) zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wiederum wird vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung bestand in dem vom BGH entschiedenen Fall noch eine Gesamtforderung der Beklagten über 7.485 EUR.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen, wobei das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat. Nach Einschätzung des Berufungsgerichts lag zwar ein Benachteiligungsvorsatz des Schuldners vor. Es fehle jedoch an der Kenntnis der Beklagten, so das Gericht. Die Erklärung des Schuldners im Zusammenhang mit der Bitte um das Einverständnis mit Ratenzahlungen stelle im Hinblick auf die zugunsten der Beklagten zu würdigenden Umstände keinen Anhaltspunkt von hinreichendem Aussagewert dar. Der Neunte Zivilsenat des BGH hat die Revision zurückgewiesen und ist dem Berufungsgericht gefolgt.

Rechtliche Bewertung

Der BGH führt aus, dass die Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes gem. der gesetzlichen Regelung des § 133 I 2 InsO vermutet werde, wenn der andere Teil gewusst habe, dass die Zahlungsunfähigkeit gedroht und die Handlung die Gläubiger benachteiligt habe. Die Zahlungseinstellung als gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit könne aus einem einzelnen, aber auch aus einer Gesamtschau mehrerer darauf hindeutender, in der Rechtsprechung entwickelter Beweisanzeichen gefolgert werden. Es kommt somit darauf an, ob besagte Zahlungseinstellung gegeben war und ob der Anfechtungsgegner diese gekannt hat. Aus der Äußerung des Schuldners, er könne die insgesamt offen stehende Forderung nicht sofort und nicht in einem Zuge bezahlen, habe die Beklagte nicht schon zwingend auf dessen Zahlungseinstellung schließen können, so der BGH. Eigene Erklärungen des Schuldners, fällige Verbindlichkeiten nicht begleichen zu können, würden zwar auf eine Zahlungseinstellung hindeuten, wenn sie mit einer Stundungsbitte versehen seien. Bei dieser Sachlage habe sich nach dem Inhalt der Äußerung des Schuldners ein Indiz für eine Zahlungseinstellung verwirklicht. Das heißt es handelte sich mit dieser Aussage nur um ein Beweisanzeichen für besagte Zahlungseinstellung. Sicher fest stand selbige aber deswegen noch nicht. Die Beklagte habe aus diesem isolierten Beweisanzeichen nicht notwendigerweise die Schlussfolgerung einer Zahlungseinstellung herleiten müssen. Die Mitteilung habe lediglich auf einen Liquiditätsengpass hingedeutet, habe aber, weil eine vollständige ratenweise Tilgung der Forderung in Aussicht gestellt worden sei, nicht zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht, dass bereits Insolvenzreife vorgelegen habe und die Zahlungsschwierigkeiten unüberwindbar gewesen seien.

Auch sei zu berücksichtigen - so der BGH -, dass der Schuldner die Erklärung von sich aus mit dem Ziel abgegeben habe, die Forderung der Beklagten durch Ratenzahlung zu befriedigen und diese daher nicht als Reaktion auf ein Zahlungsverlangen der Beklagten erfolgt sei. Die Beklagte habe daher nicht zwingend davon ausgehen dürfen, dass sich der Schuldner in einer existentiellen wirtschaftlichen Krise befunden habe. Die Kenntnis der Zahlungseinstellung durch die Beklagte hätte das Hinzutreten weiterer Indizien erfordert, die sich jedoch nicht verwirklicht hätten. Zwar habe ein deutlicher Forderungsrückstand zum Zeitpunkt der schuldnerischen Erklärung bestanden. Dieser habe aber nicht betriebsnotwendige laufende Verbindlichkeiten betroffen, sondern Forderungen aus der Lieferung von Baustoffen, die ohne weiteres auch von dritter Seite hätten bezogen werden können. Der Schuldner habe zudem durch seine Zahlungen die Gesamtverbindlichkeiten gegenüber der Beklagten tatsächlich um rd. ein Drittel reduziert. Er sei auf die Mahnungen der Beklagten nicht untätig geblieben, sondern habe die hier angefochtenen Teilzahlungen erbracht. Weiter sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte keine Titulierung und Vollstreckung ihrer Forderung angestrebt habe, also keine gerichtlichen Schritte eingeleitete hat, um an ihre Forderung zu kommen. Der Zahlungsverzug sei als weniger schwerwiegend einzustufen, weil die Beklagte gleichwohl die Geschäftsbeziehung zu dem Schuldner aufrechterhalten und nicht etwa zur Durchsetzung ihrer Forderung eine Liefersperre verhängt habe. Dass die Beklagte weitere Käufe von Barzahlungen abhängig gemacht habe, habe vernünftiger kaufmännischer Vorsicht entsprochen.

Praxishinweis

Der BGH folgt mit dieser Entscheidung einer neu eingeschlagenen Linie, die sich mit dem Thema beschäftigt, inwieweit die Bitte des Schuldners um Ratenzahlung als Beweis oder nur Beweisanzeichen/Indiz für seine Zahlungseinstellung zu werten ist. Tendenziell wird neuerdings mehr als nur die Bitte des Schuldners um Ratenzahlung gefordert, um eine Kenntnis von der Zahlungseinstellung und damit die Anfechtbarkeit der bejahen zu können. Nicht jede Stundung führt zur Anfechtbarkeit. Vielmehr müssen noch weitere Gesichtspunkte hinzukommen, damit man sagen kann, der Gläubiger hat von der Zahlungseinstellung seines Schuldners auch gewusst. Sollte die Vorschrift des § 133 InsO so wie nach dem Regierungsentwurf v. 29.9.2015 geplant geändert werden, so wird in Fällen, in denen der Schuldner mit dem Anfechtungsgegner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt hat, vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte (in diesem Sinne auch Schütze in FD-InsR 2016, 381260). Bis dahin ist aber weiterhin besondere Vorsicht geboten, wenn es darum geht Ratenzahlungsvereinbarungen insolvenzfest bzw. anfechtungssicher zu gestalten.